Mona Neubaur tritt bei der NRW-Landtagswahl am 15. Mai für die Grünen an.
Die 44-Jährige setzt sich unter anderem für die Energiewende und westliche Geschlossenheit im Ukraine-Krieg ein und gilt als Moderatorin.
Welche Chancen hat sie bei der NRW-Wahl? Und was kommt auf sie zu? Ein Portrait.
Düsseldorf – Mona Neubaur ist ganz in schwarz gekleidet und trägt helle Turnschuhe. Die Spitzenkandidatin der NRW-Grünen sieht an diesem kühlen Morgen bei der Begrüßung vor dem Tour-Van so aus, als wäre sie gerade einem ihrer Wahlplakate entsprungen. Ein Phänomen, das im Zeitalter der Bildbearbeitung nicht unbedingt selbstverständlich ist. Darauf angesprochen lässt sich Neubaur aber nicht zu einer spitzen Bemerkung über die Plakate ihrer Mitbewerber hinreißen. „Ich trage immer nur schwarze Klamotten“, sagt Neubaur stattdessen. „Deswegen erkennen mich die Leute auf der Straße ganz gut wieder.“
Nach der Landtagswahl am 15. Mai haben die Grünen gute Chancen, Regierungspartei zu werden. Wenn es für Schwarz-Grün reicht, wird Neubaur wohl die künftige Vize-Ministerpräsidentin von NRW. Auch bei einem Ampel-Bündnis oder einer Jamaika-Koalition wären die Grünen nach aktuellen Umfragen wohl die zweitstärkste Kraft. Eine Ausgangssituation, in der man selbstbewusst auftreten kann. Und klug beraten ist, mögliche Partner nicht überhart persönlich anzugreifen.
Abstandsregeln und Waffenlieferungen
Der Wahlkampf hat Mona Neubaur an diesem Tag nach Herford verschlagen. Rund 50 Zuschauer haben sich auf dem Markplatz versammelt und hören der Spitzenkandidatin zu, die auf einem kleinen grünen Podest steht und zu ihnen spricht. Thema Nummer eins ist der Krieg in der Ukraine – und die Folgen für die Menschen in NRW. CDU und FDP hätten den Ausbau der Windenergie in ihrer Regierungszeit ausgebremst, ruft Neubaur den Menschen zu. „Die 1000-Meter-Abstandsregel muss weg. Nur durch einen massiven Ausbau der regenerativen Energien kann sich Deutschland aus der Abhängigkeit von Putin befreien.“
Das begreifen die Leute. Aber nicht alle können verstehen, warum ausgerechnet die Grünen sich jetzt für Waffenlieferungen an die Ukraine stark machen. „Was ist aus der Anti-Kriegs-Partei geworden?“, fragt ein Aktivist der „Deutschen Friedensgesellschaft Ostwestfalen-Lippe“, der Flugblätter verteilt. „Mehr Geld für Klimaschutz und soziale Sicherheit – keinen Cent für die Aufrüstung“, steht drauf. Die Anhäufung von Waffen habe noch nie zum Frieden geführt.
Darüber lässt sich trefflich streiten. Neubaur bezieht eine klare Position: „Das Ziel Deutschlands und seiner internationalen Verbündeten muss es sein, diesen Krieg zu beenden.“ Auch Belgien, die Niederlande, Kanada und die USA hätten die Lieferung schwerer Waffen angekündigt. Neubaur plädiert für ein geschlossenes Vorgehen.
Ukrainekurs bildet ein parteiinternes Spannungsfeld
Auch in Herford überlagert der Krieg in der Ukraine alle landespolitischen Themen. Viele Grüne in Düsseldorf setzen darauf, dass Vize-Kanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock zur Lokomotive im Wahlkampf werden. Anderseits kommen viele Parteilinke mit dem Ukrainekurs nicht klar. „Das Säbelrasseln von Anton Hofreiter finde ich unerträglich“, sagt ein Basis-Mann aus Herford am Rande der Veranstaltung.
Neubaur muss die Partei jetzt zusammenhalten. Das trauen ihr viele Weggefährten zu. „Mona ist eine Politikerin, die moderieren kann. Vielleicht liegt das auch an ihrer persönlichen Geschichte“, sagt ein Abgeordnete aus der Landtagsfraktion.
Die 44-Jährige ist in dem kleinen Örtchen Pöttmes (Kreis Aichach Friedberg) groß geworden. Das rollende „R“ verrät ihre bayerische Herkunft. „Mein Vater war Justizbeamter, die Mutter besorgte den Haushalt“, erzählt sie während der Fahrt im Tour-Bus. Die katholische Kirche sei eine wichtige Instanz in der Familie gewesen. Der Pastor mischte sogar bei der Namengebung mit. Und setzte durch, dass die Tochter der Neubaurs den zweiten Namen „Michaela“ erhielt. „Mona war ihm nicht fromm genug“.
Nach der Grundschule wurde die heutige Spitzenkandidatin auf das 80 Kilometer entfernte Sankt Bonaventura-Gymnasium in Dillingen geschickt, das für seine Musikerziehung bekannt war. „Schon am zweiten Schultag fuhr ich alleine mit der Bahn zum Unterricht“, erinnert sich Neubaur. Dort lernt sie Klavier und Altflöte spielen. Aber sie stellt fest, dass sie die Musik nicht zum Beruf machen möchte. Nach dem Abi will sie weg aus Bayern, etwas ganz anderes machen.
Sie zieht nach Düsseldorf, studiert Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. Der Ortswechsel nach NRW verstärkt Neubaurs Interesse an der Politik. 1999 tritt sie den Grünen bei, engagiert sich in der Energie- und Verkehrspolitik. Sie wird Referentin bei einem Ökostrom-Anbieter, wechselt danach zur Heinrich-Böll-Stiftung. Der frühere Fraktionschef der Grünen im Landtag, Reiner Priggen, fördert Neubaur, will sie schon 2010 zur Parteivorsitzenden machen. Doch damals lehnt sie noch ab.
Kritik an „Casting-Verfahren“
2014 wird Neubaur dann zur Vorsitzenden der NRW-Grünen gewählt. Sie ist also schon lange im Geschäft. Der Weg zur Spitzenkandidatur war kein Selbstläufer. Denn im Establishment der Partei gab es zunächst auch deutlich vernehmbare Kritik an der Personalie. Neubaur verfüge über keinerlei Parlamentserfahrung, die aber zwingend für die Führungsposition notwendig sei, hieß es. Das Spitzenpersonal in einem „Casting-Verfahren“ auszuwählen, sei nicht angemessen. Die Bedenkenträger favorisierten eine Kandidatur der damaligen Fraktionschefin Monika Düker.
Aber dann bekamen Neubaurs Ambitionen Rückenwind. Düker kündigte überraschend an, sie wolle nach dem Ende der Legislaturperiode aus dem Landtag ausscheiden und trat vom Fraktionsvorsitz zurück. Damit hatte sich Neubaurs Haupt-Konkurrentin selbst aus dem Rennen genommen. Nun mussten nur noch die neuen Fraktionschefinnen Verena Schäffer und Josefine Paul davon überzeugt werden, Neubaur den Vortritt zu lassen. Beide kennen den Parlamentsbetrieb wie ihre Westentasche. Zunächst ließen sie die Frage nach eigenen Ambitionen unbeantwortet und machten die Entscheidung nochmal spannend.
Am Ende setzte sich Neubaur aber - für die Öffentlichkeit geräuschlos - gegen die Fraktionsvorsitzenden durch. Für Volker Kronenberg, Professor für Politik an der Uni Bonn, eine richtige Entscheidung: „Die fehlende Parlamentserfahrung von Mona Neubaur fällt meines Erachtens nicht ins Gewicht, ganz im Gegenteil: Ihr junges, dynamisches Auftreten steht für Aufbruch und kann von den Wählern als neues Gesicht wahrgenommen werden“, sagte der Hochschullehrer gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Machtwillen und Verhandlungsgeschick im Polit-Poker wird Neubaur bei möglichen Koalitionsverhandlungen gut gebrauchen können. Bei der Frage nach ihrem Lieblingspartner lässt sich Neubaur nicht in die Karten blicken: „Für uns gibt es keine Koalitionspräferenz, keinen Automatismus in die eine oder andere Richtung. Wir wollen so stark wie möglich und prägender Teil der nächsten Landesregierung werden. Wer grün will, muss grün wählen.“