Düsseldorf – Vor drei Wochen hat die Landesregierung mit den Stimmen von CDU und FDP ein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet. Es sieht vor, dass das bevölkerungsreichste Bundesland bereits 2045 klimaneutral sein soll - fünf Jahre früher als bisher geplant. Die Emissionen sollen sich bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 verringern. Bis 2040 ist eine Minderung um mindestens 88 Prozent geplant.
Doch nach der Hochwasserkatastrophe, die NRW mit voller Wucht getroffen hat, stellt sich die Frage, wie ernst es die Landesregierung mit dem Klimaschutz wirklich meint.„Ich bin Ministerpräsident, kein Aktivist. Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“, sagte Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) am vergangenen Donnerstag in einem Interview nach seinem Besuch in Hagen. NRW sei Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Doch ist das tatsächlich so? Ein Faktencheck.
Windräder: Mindestabstand bleibt unverändert
Die Landesregierung beschließt im Juli 2021, dass Windkraftanlagen grundsätzlich nur gebaut werden dürfen, wenn sie einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten einhalten. Immerhin dürfen die Kommunen nach eigenem Ermessen beschließen, ob sie geringe Abstände zulassen.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) kritisiert, dass die 1000 Meter immer noch Standard bleiben, auch wenn Kommunen sich dagegen entscheiden und damit Klagen riskieren. Nach Berechnungen des LEE können in NRW wegen der 1000 Meter-Regel nur auf 0,64 Prozent der Fläche Windräder entstehen. So könnte allenfalls eine theoretisch mögliche Windkraftleistung von 7239 Megawatt auf den verbleibenden Flächen realisiert werden. Das liege deutlich unter den Zielen der Landesregierung liege, die sich eine Leistung von 10500 Megawatt bis 2030 zum Ziel gesetzt hat. Ende 2020 produzierten die Windräder in NRW rund 6200 Megawatt.
Der 1000 Meter Abstand hat laut LEE auch Folgen für die Erneuerung bereits bestehender Windräder. Mit den neuen gesetzlichen Vorgaben könnten landesweit nur 228 Anlagen erneuert werden, das sind 6,15 Prozent.
Den Bau von Waldwindparks als Lösung für Flächen, die durch die Dürre der vergangenen Jahre und den Borkenkäferbefall schwer beschädigt sind, lehnt die Landesregierung ab. In mehreren Bundesländern wie Bayern und Niedersachsen ist das allerdings anders.
Flächenverbrauch: Obergrenze abgeschafft
Im Jahr 2019 schafft die CDU/FDP-Koalition im neuen Landesentwicklungsplan (LEP) die bis dahin gültige Obergrenze beim Flächenverbrauch ab. Die Regelung gilt seit dem 6. August 2019. Seither dürfen wieder mehr als fünf Hektar freie Fläche pro Tag in NRW verbraucht werden. Das entspricht ungefähr einer Größe von sieben Fußballfeldern.
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Nach Angaben des Landesumweltamts werden pro Tag in NRW rund zehn Hektar Naturfläche bebaut oder versiegelt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat gegen diese Änderung des LEP eine Normenkontrollklage beim Oberverwaltungsgericht Münster eingereicht.Jetzt plant das NRW-Umweltministerium, durch ein Brachflächen-Kataster und einen Flächen-Zertifikate-Handel unter den Kommunen den Flächenfraß einzudämmen.
Tempolimit: 130 auf Autobahnen abgelehnt
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat noch Anfang Juli einem generellen Tempolimit von 130 auf den Autobahnen in NRW eine Absage erteilt. „Zentral ist es, die Technologien zu verbessern, anstatt unsinnige Debatten wie die über ein pauschales Tempolimit zu führen", sagte Laschet Anfang des Monats dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Warum soll ein Elektro-Fahrzeug, das keine CO2-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen? Das ist unlogisch.“ Im Übrigen liege auch heute schon die durchschnittliche Geschwindigkeit auf Autobahnen bei Tempo 117. Auch im Wahlprogramm lehnt die Union ein generelles Tempolimit von 130 auf Autobahnen ab.
Eine Studie des Umweltbundesamts hingegen hatte im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Begrenzung der Geschwindigkeit in Form eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen die Klimawirkung des Verkehrs verringern würde. Im Jahr 2018 verursachten demnach Autos und leichte Nutzfahrzeuge auf Autobahnen Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 39,1 Millionen Tonnen. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 130 km/h würden die Emissionen um jährlich 1,9 Millionen Tonnen reduziert.
Solaranlagen: Keine Förderung für Agrarflächen
NRW will Öffnungsklausel für Solaranlagen auf benachteiligten Agrarflächen nicht nutzen. Um mehr Strom aus Sonnenenergie zu gewinnen, dürfen die Bundesländer neue Photovoltaik-Anlagen auch auf landwirtschaftlichen Flächen nutzen, die als wirtschaftlich benachteiligt gelten. Das sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor.
Fünf Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) wollen diese Möglichkeit nutzen. In NRW dagegen können neue Solaranlagen nach dem EEG hingegen nur auf bereits versiegelten Flächen gefördert werden.
Solar-Parkflächen: Nur für Gewerbe Pflicht
Ab 2022 müssen Parkplätze auf Gewerbeflächen wie Supermärkten mit Photovoltaik-Anlagen überdacht werden. Diese Pflicht gilt für alle offenen Parkflächen ab 35 Plätzen, allerdings nicht für Wohngebäude. Die Landesregierung wollte das in die Reform der Landesbauordnung eigentlich aufnehmen, scheiterte damit aber an den Abgeordneten von CDU und FDP.