Olaf Scholz bleibt sich treu, soviel lässt sich mit Sicherheit sagen. Bei „RTL direkt“ am Montagabend stellte sich der Bundeskanzler unter dem Motto „Kann der Kanzler Krise?“ den Fragen von vier Bürgerinnen und Bürgern. Viel Neues in der Sache gab es nicht – weder beim Thema NRW-Wahl noch in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine.
Die aus dem kriegsgeschüttelten Land stammende Viktoria Prytuliak wollte wissen, wann der Bundeskanzler gedenkt, Kiew einen Besuch abzustatten. Scholz antwortete: „Ich werde mich nicht einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes rein und raus mit einem Fototermin was machen.“ Ob Scholz sich mit dieser Äußerung einen Gefallen getan hat? Wohl kaum.
Zwar bemüht sich der Kanzler mit diesem Format um Volksnähe. Seine Antworten bleiben jedoch vage und bestätigen eher das Image, er drücke sich um Konkretes herum und lasse die Menschen nicht an seinen wahren Gedanken teilhaben.
Mit der erneuten Weigerung, Kiew zu besuchen oder auch nur einen Besuch in Aussicht zu stellen, bestätigt der Bundeskanzler darüber hinaus seine Haltung, die er schon im ZDF-Interview bei „Was nun“ dargelegt hatte. Allerdings ging es Anfang des Monats noch um den Affront gegen Steinmeier. Dieser Konflikt ist nun ausgeräumt, daher stünde einer Kanzler-Reise nichts im Weg.
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Scholz sagt, er wolle keine Symbolpolitik machen. Auch auf Nachfrage eines anderen Gastes bestätigt er das explizit. Die Botschaft: Scholz steht für Fakten und Inhalte, nicht für schöne Bilder. Er fahre nur, wenn es etwas Konkretes zu besprechen gebe. Natürlich ist dies als Spitze gegen den Besuch von Friedrich Merz zu werten, der ja als Oppositionsführer tatsächlich keine konkreten Zusagen machen konnte und vor allem Symbolpolitik betrieb.
Scholz entwertet mit „Fototermin“-Aussage Baerbocks Besuch
Allerdings entwertet Scholz mit einer solchen Aussage auch den Kiew-Besuch seiner eigenen Außenminister. Annalena Baerbocks Reise war durchweg positiv bewertet worden, sowohl im Inland als auch in der Ukraine. Baerbock hatte ein Zeichen gesetzt, als sie Butscha besuchte und sich von Augenzeugen die mutmaßlichen Kriegsverbrechen der russischen Armee schildern ließ. Genau dieser Teil ihres Besuchs war wichtig, verbunden mit ihren empathischen Worten, die von persönlicher Betroffenheit zeugten.
Hinzu kommt: Wenn Scholz sagt, eine Reise sei für ihn nur dann sinnvoll, wenn es „um ganz konkrete Dinge“ gehe, dann klingt das für einen Bundeskanzler auch etwas merkwürdig. Niemand kann ernsthaft glauben, dass es zwischen Scholz und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nichts Wichtiges zu besprechen gebe. Und damit ist nicht die Vorstellung verbunden, Scholz müsse zehn Panzerhaubitzen im Gepäck haben, wenn er nach Kiew reist.
So bleibt als Fazit auch nach diesem Scholz-Interview: Krisenzeiten erfordern Flexibilität, auch von den höchsten Vertretern des Staates. Der Kanzler scheint dies momentan weder inhaltlich noch kommunikativ zu bewerkstelligen. Das könnte ihm eher als Sturheit denn als „klare Kante“ oder Schnörkellosigkeit ausgelegt werden.