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„Die Aufarbeitung wird schonungslos sein“FDP zittert um Einzug in den NRW-Landtag

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FDP Wahlparty NRW

Lange Gesichter auf der FDP-Wahlparty. Die Liberalen müssen um den Einzug in den NRW-Landtag zittern. 

Düsseldorf – Das Klatschen im gelb-pink geschmückten Foyer im Düsseldorfer Medienhafen brandete minutenlang auf. Dabei war den Liberalen gar nicht zum Feiern zumute. Auch Spitzenkandidat Joachim Stamp konnte seine Enttäuschung bei der FDP-Party im Zollhof nicht verbergen, als er nach dem Aufmunterungsapplaus zu seinen Parteifreunden sprach. „Das ist eine bittere Niederlage“, sagte der NRW-Chef, „da gibt es nichts zu diskutieren“. Das Ergebnis ließ sich nicht beschönigen: Bei mageren 5,6 Prozent lagen die Hochrechnungen für die FDP am Sonntagabend.

Die Liberalen haben ihr Ergebnis von 2017 mehr als halbiert – der Einzug in den Landtag war eine Zitterpartie und die schwarz-gelbe Regierung ist abgewählt. Nur zweimal verpasste die NRW-FDP bisher die Fünf-Prozent-Hürde: 1980 und 1995. Entgegen des Wahlkampfslogans „Von hier aus weiter“ kündigte der stellvertretende Ministerpräsident und Familienminister Stamp an: „Es wird kein »Weiter so« geben.“ Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner räumte ein: „Wir haben eine desaströse Niederlage zu verzeichnen.“

Seit Februar ging es bergab

Der Absturz kommt nicht überraschend: Die Umfragewerte im vergangenen Halbjahr hatten angedeutet, dass die Liberalen weit von ihrem Rekordergebnis von 2017 (12,6 Prozent) entfernt sein würden. Im Februar kam die FDP teils auf 12 Prozent, danach ging es bergab. Vor der ersten Prognose hatten die FDP-Mitglieder auf acht bis neun Prozent gehofft – die Stimmung war vorsichtig optimistisch. Das Ergebnis nahmen die Partygäste erschüttert zur Kenntnis. „Es ist immer ein Wechselbad der Gefühle bei uns“, sagte ein FDP-Mitglied. Dass der Sturz so tief und so schmerzhaft sein würde, hatte aber niemand erwartet.

Alles zum Thema Joachim Stamp

„Die Aufarbeitung wird schonungslos sein“, kündigte Stamp an. Bereits auf der Wahlveranstaltung in der Landeshauptstadt diskutierten die Liberalen über mögliche Gründe für den Verlust. Ulf Montanus, FDP-Ratsherr in Düsseldorf, bezeichnete das Ergebnis als „vernichtend“. Er nannte als einen Grund die schlechte Wahrnehmung von Schulministerin Yvonne Gebauer, die in Düsseldorf nicht an der Wahlparty teilnahm.

Gebauer in der Kritik

Mit dieser Meinung war er nicht allein: Denn das Bildungsministerium wurde von vielen Liberalen am Sonntagabend als Faktor für den Absturz genannt. Besonders die Kommunikation in der Corona-Politik sei problematisch gewesen. „Das Hauptproblem waren die Schul-E-Mails am Freitagabend“, sagte ein Düsseldorfer FDP-Mitglied.Die Kölnerin Gebauer hat mit ihrem Krisenmanagement in der Corona-Politik Eltern, Lehrerschaft und Schüler gegen sich aufgebracht.

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Der Schlingerkurs bei Masken und Tests und oft verspätete Schulmails sorgten für Unmut. Dazu kam der stark kritisierte Vorschlag, den Numerus Clausus beim Lehramtsstudium abzuschaffen und ihre Anmerkung, angehende Erzieherinnen und Erzieher könnten bei Bafög-Verzug Hartz IV beantragen. Ihren Platz im Landtag hat Gebauer dennoch sicher: Auf der Landesliste wurde sie auf Platz zwei hinter Stamp geführt.

Ein zweiter Grund: Das Auftreten der Bundes-FDP um Lindner. Hier liegen die Umfragewerte unter dem Ergebnis der Bundestagswahl von 2021. Dort verzeichnete die Partei noch 11,5 Prozent, jetzt liegt die FDP in Umfragen bei acht bis neun Prozent. Und: Lindner steht als Finanzminister in der Kritik.

Ampel wäre die beste Chance für die FDP

Die Arbeit ihrer Kollegen in Berlin wollten die Liberalen in Düsseldorf aber nicht kritisieren. „Die Grünen stehlen uns die Show“, sagte ein Düsseldorfer Mitglied. So wurden Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) ausdrücklich gelobt. Lindner mache seine Arbeit zwar gut, das werde in der Öffentlichkeit aber weniger wahrgenommen. Der Finanzminister war 2017 noch das „Zugpferd“ im Wahlkampf der NRW-FDP. Stamp konnte mit seinen damaligen Popularitätswerten nicht mithalten.

Schwarz-Gelb ist Geschichte, nur eine Dreier-Koalition könnte die FDP in die Regierung bringen. Eine Ampel, wie auf Bundesebene, wäre die beste Chance für die FDP – aber auch eine unwahrscheinliche. Am Abend schlug Stamp bescheidene Töne an. Er sagte, er gehe von einer schwarz-grünen Koalition in NRW aus.