Personalmangel und wirtschaftlicher Druck: In vielen Krankenhäusern ist die Lage nicht erst seit Corona prekär. Der Bundestag soll nun ein erstes Gesetzespaket für eine Reform beschließen.
Bundestag plant GesetzespaktMehr Geld für Kinderkliniken und Entlastung in der Pflege
Die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland soll nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stärker von wirtschaftlichem Druck gelöst werden. Der Bundestag soll dazu am Freitag ein erstes Gesetzespaket mit Regelungen beschließen, die unter anderem mehr Geld für Kinderkliniken und Entlastungen für die angespannte Lage in der Pflege bringen sollen.
Für Patientinnen und Patienten sollen unnötige Klinikübernachtungen wegfallen können. Tagesbehandlungen: Bestimmte Klinikuntersuchungen sollen künftig auch als Tagesbehandlung ohne Übernachtung möglich sein. Das soll zugleich mehr Kapazitäten beim knappen Pflegepersonal tagsüber schaffen, wenn Nachtschichten nicht mehr besetzt werden müssen.
300 Millionen Euro für Kinderkliniken
Deswegen soll nun geändert werden, dass Abrechnungen bestimmter stationärer Leistungen für Krankenhäuser bisher nur mit Übernachtung möglich sind. Kinderversorgung: Für Kinderkliniken soll es 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro mehr geben, zum Sichern von Geburtshilfestandorten jeweils 120 Millionen Euro zusätzlich. Die Finanzierung soll auch unabhängiger von der jetzigen, leistungsorientierten Logik werden.
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Pflegeschlüssel: Um die Arbeit häufig stark belasteter Pflegekräfte zu verbessern, soll ein neues Instrument der Personalbemessung kommen und durchgesetzt werden - ausgehend von errechneten Idealbesetzungen für die Stationen. Vorgesehen ist dann eine schrittweise Einführung. Die Techniker Krankenkasse kritisierte, das Instrument löse kein einziges Problem in der Pflege - im Gegenteil. Vorstandschef Jens Baas sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Statt neuer Kolleginnen und Kollegen wird die geplante Pflegepersonalbemessung den Pflegekräften jede Menge zusätzlichen Bürokratieaufwand bescheren.“
Lauterbach spricht von einem „Beginn einer Revolution“
Das Ministerium sieht das Gesetzespaket, mit dem sich auch noch der Bundesrat befassen soll, als „kleine“ Krankenhausreform - eine große will Lauterbach dann am kommenden Dienstag vorstellen. Dabei geht es um den „Beginn einer Revolution“ bei der Klinikvergütung, wie der SPD-Politiker angekündigt hatte. Ziel sei, das Finanzierungssystem über Pauschalen pro Behandlungsfall systematisch zu überwinden. Dieses habe sich mittlerweile so verselbstständigt, dass es zulasten der Qualität der Versorgung gehe, erläuterte Lauterbach.
Und zwar mit einem „Hamsterrad-Effekt“: Nur mit einer Steigerung der Fallzahl könnten Kliniken das Budget halten oder erhöhen. Und es machten jene Kliniken Gewinn, die für Leistungen möglichst wenig Geld ausgäben - höherer Aufwand und Qualität bedeuteten tendenziell Verluste. Ärztevertreter warnen davor, die geplanten Regelungen zur häuslichen Übernachtung bei Klinikbehandlungen für ökonomische Zwecke zu missbrauchen. Das Ziel sei richtig, praktikable Möglichkeiten zur tagesstationären Behandlung zu schaffen, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag).
Verband warnt vor einem Zusammenbruch des Pflegesystems
Eine solche Regelung könne in manchen Fällen das Pflegepersonal entlasten und auch dem Patientenwunsch entsprechen. Es dürfe aber keinen Druck auf die Ärztinnen und Ärzte geben. „Wir müssen unbeeinflusst von wirtschaftlichen Erwägungen der kaufmännischen Leitungen entscheiden können. Ökonomische Erwartungen müssen immer hinter medizinischen Erfordernissen zurücktreten.“ Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) warnte angesichts des Fachkräftemangels vor einem Zusammenbruch des Pflegesystems.
„Wenn wir nicht schnell grundlegende Reformen bekommen, kann man die pflegerische Versorgung in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten“, sagte die Vorsitzende Christel Bienstein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). Zwar sei es bereits in der Vergangenheit zu Pflegenotständen gekommen, etwa Anfang der 1990er Jahre, aber: „Eine vergleichbare Situation hat es in den vergangenen 50 Jahren nicht gegeben.“
Aktuell gehe man von 200 000 fehlenden Vollzeitkräften aus. Der Personalmangel in der Pflege wurde zuletzt besonders in den Kinderkliniken deutlich, wo ein Teil der Betten nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin wegen fehlender Pflegekräfte nicht betrieben werden konnte. Für Fachkräfte aus dem Ausland plant die Bundesregierung Erleichterungen bei der Einwanderung nach Deutschland. (dpa)