Finanzminister Lindner hat zu ihrer Kindergrundsicherung inhaltliche Anmerkungen.
Ampel-Streit geht weiterLindner diskutiert alternative Lösungen bei Kindergrundsicherung
Eigentlich soll sich die Bundesregierung noch in diesem Monat auf eine Kindergrundsicherung einigen - doch zuvor zeichnen sich weitere heftige Debatten ab. Finanzminister Christian Lindner meldete am Sonntag Beratungsbedarf nicht nur zur finanziellen, sondern auch zur inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen gegen Kinderarmut an. Familienministerin Lisa Paus fühlt sich in ihrem Konzept dagegen von Kanzler Olaf Scholz bestärkt. Der rechnet mit einer schnellen Einigung.
„Ich danke dem Bundeskanzler, dass er gestern nochmals seine Unterstützung für die Kindergrundsicherung deutlich gemacht hat“, sagte die Grünen-Politikerin Paus am Samstag in Berlin. „Wir sind auf der Zielgeraden, und ich gehe optimistisch in die weiteren Gespräche auch mit dem Bundesfinanzminister.“
Ampel-Streit geht auch nach der Sommerpause weiter – zum Missfallen von Kanzler Scholz
Scholz forderte seine Koalition am Sonntag dazu auf, Meinungsverschiedenheiten nicht öffentlich auszutragen. Er freue sich nicht darüber, dass das „nun schon wieder so öffentlich diskutiert worden ist“, sagte der Kanzler beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Das werde aber nichts daran ändern, das die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ihre Projekte weiter vorantreiben werde. „Und vielleicht gewöhnt sich der eine oder andere dann daran, erst dann zu reden, wenn die Verständigungen gelungen sind.“
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Paus will mit der Kindergrundsicherung Leistungen für Familien zusammenfassen und diese zugleich erhöhen. Die FDP sieht Leistungsverbesserungen kritisch. Scholz hatte Paus vor der Sommerpause aufgefordert, bis Ende August einen geeinten Gesetzentwurf vorzulegen. Am Freitag sagte der SPD-Politiker, er sehe die Arbeit an dem Vorhaben auf einem guten Weg.
Lisa Paus mit Eklat im Kabinett
Zuvor hatte Paus im Kabinett für einen Eklat gesorgt: Sie blockierte das sogenannte Wachstumschancengesetz mit Steuererleichterungen, die die Wirtschaft um jährlich rund sechs Milliarden Euro entlasten sollen. Die Ampel müsse beides im Blick haben, Investitionen in Kinder und in die Wirtschaft, sagte Paus am Wochenende. „Dieses Signal sollten wir meiner Auffassung nach gemeinsam an die Menschen im Land aussenden.“
Lindner meldete jedoch Zweifel an Paus' Konzept an. Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium. Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne.
„Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist?“, fragte Lindner. „Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?“ Genau diese Debatte werde die Ampel-Regierung führen.
Christian Lindner mit Anmerkungen zur geplanten Kindergrundsicherung
Grünen-Chefin Ricarda Lang rief die Ampel-Koalitionäre zur Deeskalation auf. „Ich würde uns allen zu ein bisschen mehr Gelassenheit raten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Man habe sich darauf verständigt, ruhiger aus dem Sommer kommen zu wollen. Lang versicherte: „Das Wachstumschancengesetz und die Kindergrundsicherung werden kommen.“ Sie sei sich sicher, dass die Regierung noch in diesem Monat beides auf den Weg bringen werde. Beide Vorhaben sollen bei der Kabinettsklausur Ende des Monats in Meseberg auf den Tisch kommen.
„Wir sind uns doch einig, dass wir Wohlstand und Gerechtigkeit, Wirtschaft und Soziales nicht gegeneinander ausspielen sollten“, erklärte Lang. „Auch ein funktionierender Sozialstaat benötigt eine starke Wirtschaft.“ Kinderarmut sei aber auch ein ökonomisches Problem. Lindner betonte, eine stabile Wirtschaft sei die Voraussetzung, dass man überhaupt über die aus seiner Sicht ebenfalls wichtige Kindergrundsicherung nachdenken könne.
Zuvor hatte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin die Stimmung noch angeheizt. „Lisa Paus' Vorgehen kann man angesichts der Erfahrungen in der Koalition mehr als nachvollziehen“, sagte der frühere Grünen-Fraktionschef der Deutschen Presse-Agentur. „Auf Vereinbarungen mit SPD wie FDP ist - anders als bei Rot-Grün - kein Verlass. Da ist es nur konsequent, wenn die vereinbarte Kindergrundsicherung erst seriös finanziert wird, bevor man Steuersenkungen von Herrn Lindner zustimmt.“
Paus habe „den Mechanismus durchbrochen, bei dem die Grünen immer mehrfach für eine politische Einigung mit der FDP bezahlt haben, weil sie in Vorleistung gingen“, sagte der frühere Bundesumweltminister. Er bezweifelte zugleich die Wirksamkeit der von Lindner vorgeschlagenen Entlastungen.
Keine Einigkeit bei Kosten und Umfang der Kindergrundsicherung
Strittig sind vor allem Kosten und Umfang der Kindergrundsicherung. Für das Startjahr 2025 sind derzeit nur zwei Milliarden Euro vorgemerkt - laut Finanzminister Lindner als „Platzhalter“. Paus hatte zu Beginn zwölf Milliarden, später bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr gefordert. Im Gesetzentwurf soll nach einem Bericht von „Zeit online“ nun von zunächst 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2025 die Rede sein.
Der neuerliche Zoff belastet auch die Zustimmungswerte für die Bundesregierung. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ zufolge wünschen sich inzwischen fast zwei Drittel der Bundesbürger eine neue Regierung. Vor allem die Zufriedenheit mit Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner SPD sinkt. So sind inzwischen 70 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Kanzlers unzufrieden - zehn Prozentpunkte mehr als vor vier Wochen.
In einer weiteren Umfrage von YouGov sprach die Mehrheit den führenden Köpfe der Bundestags-Parteien die Tauglichkeit fürs Kanzleramt ab. Nur 29 Prozent nannten Scholz geeignet, 58 Prozent ungeeignet. Fast alle anderen abgefragten Spitzenpolitiker schnitten noch schlechter ab - mit Ausnahme von CSU-Chef Markus Söder: Ihn nannten 36 Prozent geeignet, 48 Prozent ungeeignet. (dpa)