AboAbonnieren

Ukraine-Hilfen„Unmoralisch“, „schlechter Stil“ – FDP und Grüne gehen nach „Lügen“-Vorwurf auf Scholz los

Lesezeit 4 Minuten
TOPSHOT - German Chancellor Olaf Scholz (R) reaches out for German Foreign Minister Annalena Baerbock at the start of the weekly cabinet meeting at the Chancellery in Berlin on January 15, 2025. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)

Kanzler Olaf Scholz (SPD, r.) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne, l.) bei einer Kabinettssitzung am 15. Januar

Bundeskanzler Olaf Scholz steht in der Frage der Ukraine-Hilfe unter Druck – insbesondere nach einer neuen Meldung zum Haushalt.

Wie sollend die drei Milliarden zusätzliche Hilfe für die Ukraine finanziert werden? Darüber tobt seit Wochen ein heftiger Streit in der deutschen Politik, der auch vor den Regierungspartnern SPD und Grüne nicht Halt macht. Insbesondere Kanzler Olaf Scholz bediente sich einer heftigen Wortwahl und warf seinen Widersachern „Lüge“ vor.

„Ich habe das Gefühl, ich sage das hier so offen: Im Augenblick wird mit größter Intensität, großer Umsicht das deutsche Volk belogen“, sagte er bei der Veranstaltung „Fragen Sie die Spitzenkandidaten“ der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Frankfurt am Main. Welche Parteien und Personen er damit meine, wollte Scholz wiederum nicht sagen.

Klar ist aber: Die SPD ist die einzige Partei, welche die Ukraine-Hilfe an eine Bedingung knüpft: das Aussetzen der Schuldenbremse. Selbst die Grünen sind für einen schnellen Beschluss und wollen dies wie die Union und die FDP über eine „außerplanmäßige Ausgabe“ finanzieren.

Bund schont 2024 milliardenschwere Rücklage

Scholz wird von seinen Kritikern vorgeworfen, mit seinem Beharren auf dem Aussetzen der Schuldenbremse Wahlkampf auf Kosten der angegriffenen Ukraine zu machen. Nun ist seine argumentative Position noch schwächer geworden. Wie am Montag (20. Jnuar) bekannt wurde, hat der Bund im vergangenen Jahr eine milliardenschwere Rücklage geschont. Das Finanzministerium teilte zum vorläufigen Abschluss zum Haushaltsjahr 2024 mit, dass auf eine ursprünglich vorgesehene Entnahme aus der Rücklage in Höhe von 10,2 Milliarden Euro vollständig verzichtet wurde.

Ein Nachtragshaushalt 2024, den die gescheiterte Ampel-Bundesregierung ursprünglich geplant hatte, ist nicht nötig, wie Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) bereits zuvor gesagt hatte. Allerdings gibt es laut Kukies für den Haushalt 2025 auch keine neuen Spielräume. Es verbleibe eine deutliche Haushaltslücke.

FDP kontert Scholz' „Lügen“-Vorwurf scharf

FDP-Fraktionschef Christian Dürr äußerte sich am Dienstagmorgen im ZDF zu den heftigen Vorwürfen von Scholz an seine Gegner. „Ich weise das auf das Schärfste zurück“, sagte Dürr im „Morgenmagazin“. Die benötigten drei Milliarden ließen sich aus dem Haushalt finanzieren – dies sei die Meinung nicht nur von Union und FDP, sondern auch der Grünen, die ja noch Teil der Ampel seien. „Herr Scholz nimmt jetzt tatsächlich die Ukraine in Geiselhaft [...], um in Deutschland Wahlkampf zu machen“. Das Verhalten des Kanzlers sei „unmoralisch“, da er Rentnerinnen und Rentner gegen die Ukraine-Hilfe ausspiele. Scholz habe sich an dieser Stelle „komplett verrannt“ und sage die „Unwahrheit“.

Auch FDP-Parteichef Christian Lindner hatte die Position der FDP bezüglich der Ukraine-Hilfen via X, ehemals Twitter, zuvor betont. Die Schonung der milliardenschweren Rücklage unterstreiche Lindners Auffassung, dass für die drei Milliarden keinesfalls ein Aussetzen der Schuldenbremse nötig sei, wie von Scholz vehement gefordert. Letztlich war auch die Ampel im Herbst 2024 an dieser Frage zerbrochen. Lindner schrieb jetzt zu einem Artikel der „Rheinischen Post“: „Zahlen lügen nicht“. Das „Kartenhaus“ von Scholz' Erzählung sei spätestens mit der Rücklage in sich zusammengefallen.

Grüne setzen sich von Scholz ab

Immer deutlichere Worte kommen inzwischen auch von den Grünen. Außenministerin Annalena Baerbock war in den vergangenen Wochen in Opposition zu Scholz gegangen. Am Montag sagte sie sehr deutlich, die Ukraine-Hilfen dürften nicht als Wahlkampfthema instrumentalisiert werden.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge setzte sich noch weiter ab und sprach am Dienstag von „schlechtem Stil“ des Kanzlers, den anderen Parteien Lüge vorzuwerfen. „Es ist sehr irritierend, wie unsouverän Olaf Scholz mit dieser Debatte umgeht“, sagte Dröge. Sie erklärte weiter, der Kanzler lasse so auch seinen Parteifreund, Verteidigungsminister Boris Pistorius, schlecht dastehen. Denn Pistorius gehört zu den größten Befürwortern einer schnellen Waffenhilfe für die Ukraine – unabhängig von der Schuldenbremse. Wie auch Vertreter anderer Parteien warnte Dröge Scholz davor, „Ausgaben für Sicherheit und Soziales gegeneinander auszuspielen“.

SPD-Chef Klingbeil verteidigt Kanzler Scholz

SPD-Chef Lars Klingbeil erwiderte unterdessen die Kritik im ZDF- „Morgenmagazin“ und verteidigte Scholz. Er beteilige sich nicht an „Zahlenspielereien“. Wer mehr Geld für die Verteidigung fordere, müsse sagen, wie das bezahlt werden solle. Ob Scholz zu Recht von „Lüge“ spreche, wollte Moderator Mitri Sirin wissen. Klingbeil wich aus und wiederholte den Kanzler-Vorschlag, die Schuldenbremse für die drei Milliarden auszusetzen. Das hatten Unionspolitiker in den vergangenen Tagen bereits deutlich als „Erpressung“ kritisiert.

Zum Vorwurf Christian Dürrs an Scholz, dieser habe sich verrannt, wiegelte Klingbeil weiter ab. In staatsmännischem Ton sagte Klingbeil, die Ukraine sollte unterstützt werden, aber alles müsse „vernünftig und seriös“ finanziert werden. „Wir sollten den Weg des Kanzlers gehen“, die aktuelle Auseinandersetzung halte er „nicht für glücklich“. Auf die nicht verbrauchte Rücklage im Haushalt ging Klingbeil nicht ein. (mit dpa(afp)