- Joachim Stamp (FDP) spricht im Interview über seine Pläne gegen Personalnot in Kindertagesstätten.
- Der NRW-Familienminister will es den Kommunen überlassen, welche Kitas sie länger oder samstags öffnen.
- Mehr als 45 Stunden Betreuung pro Woche wird es aber nicht geben.
Herr Stamp, nächste Woche wird das Kinderbildungsgesetz in den Landtag eingebracht. Sie wollen ein weiteres Kita-Jahr beitragsfrei machen. Warum investieren Sie das Geld nicht in mehr Qualität?
Das muss ich klarstellen: Genau das tun wir ja. Der große Wurf ist doch nicht die Beitragsfreiheit, sondern die Investition in die Qualität der Betreuung. Von den 1,3 Milliarden Euro, die wir ab dem Kita-Jahr 2020/21 jährlich aufwachsend an Landes-, kommunalen und Bundesmitteln zusätzlich ins System bringen, ist rund eine Milliarde für Maßnahmen vorgesehen, die die Betreuung der Kinder nachhaltig verbessert. Zudem wird es erstmals eine Platzausbau-Garantie geben. Die Beitragsfreiheit des zweiten Kita-Jahres kostet 200 Millionen Euro.
Woher soll das zusätzliche Personal für die Betreuung kommen?
Das ist eine große Herausforderung. Wir werden im Herbst zu einem Gipfel einladen und mit allen Beteiligten in Nordrhein-Westfalen besprechen, wie wir zusätzliche Kräfte für die Kitas gewinnen können. Ich stelle mir ein umfassendes Programm für Quereinsteiger vor.
Wie soll das aussehen?
Wir wollen Menschen, die aus ihrer eigenen Biografie Erfahrungen mit Kindern gesammelt haben, eine Chance geben. Derzeit werden uns steigende Kinderzahlen prognostiziert. Deswegen brauchen wir zusätzliche Kräfte.
Das klingt nach einem Programm mit dem Titel „Mütter in die Kitas“.
Nein. Selbst Kinder zu haben, ist natürlich hilfreich, aber das muss meines Erachtens nicht zwingend Voraussetzung für die Teilnahme an einem solchen Quereinsteigerprogramm sein.
Die Gewerkschaften werden der Einführung eines neuen Niedriglohnbereichs nicht begeistert sein.
Ich denke, dass dies auch im Interesse der Gewerkschaften liegt. Es geht nicht darum, Arbeitskräfte zu ersetzen. Wenn wir mehr Mitarbeiter beschäftigen, werden sich die Bedingungen für alle verbessern. Um die Attraktivität der Erzieher-Ausbildung weiter zu verbessern, soll im Zuge unserer Kibiz-Reform die praktische Ausbildung künftig vom Land unterstützt werden.
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Daneben haben wir die Personalvereinbarung überarbeitet, so dass nun auch Erzieher aus dem EU-Ausland, etwa den Niederlanden, unter erleichterten Voraussetzungen in unseren Kitas arbeiten können.
Warum machen Sie die Kitas für über dreijährige Kinder nicht komplett beitragsfrei? Dann wären sie auch den Flickenteppich der unterschiedlich hohen Gebühren los.
Dazu ist das Geld nicht vorhanden. Die Bundesmittel in dem Kita-Paket sind nur bis zum Jahr 2022 gesichert. Danach muss das Land Investitionen in Höhe von 430 Millionen Euro womöglich selbst finanzieren. Das ist für einen Landesetat brutal viel Geld. Wir sind also gut beraten, unsere Ausgaben verantwortungsvoll zu dosieren.
Wann wird es flexiblere Öffnungszeiten geben?
Das wollen wir bewusst den Kommunen überlassen. Wir stellen ab dem Kita-Jahr 2020/2021 zusätzlich 50 Millionen Euro dafür bereit, die bis 2022/2023 auf 100 Millionen Euro anwachsen. 80 Prozent der Ausgaben für die flexibleren Öffnungszeiten finanzieren wir über das Land, 20 Prozent zahlen die Kommunen, damit es für sie einen finanziellen Anreiz gibt, den Bedarf sauber zu planen. Wir können ja nicht alle Kitas im Land von sechs bis 21 Uhr öffnen, oder samstags zum Beispiel. Die Kommunen wissen am besten, an welchen Standorten solche Angebote sinnvoll sind. Wir wollen auch die Kindertagespflege neu organisieren, um mehr Flexibilität zu erreichen.
Was bedeutet das?
Künftig können Tagesmütter auch als Angestellte arbeiten und in den Randzeiten für Betreuung in den Kitas eingeplant werden. Die Tagesmütter mussten bisher selbstständig sein und in ihren eigenen Räumen arbeiten.
neuer Abteilungschef
Kirchenrat Thomas Weckelmann, Beauftragter der evangelischen Kirchen beim Landtag und der Landesregierung, wechselt als Abteilungsleiter in das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Das teilte Minister Joachim Stamp (FDP) am Freitag in Düsseldorf mit.
Weckelmann folgt auf den langjährigen Abteilungsleiter Manfred Walhorn, der in Pension gegangen ist.
Der Kirchenrat wird künftig die Bereiche Kinder und Jugend verantworten und für die Umsetzung der Kibiz-Reform mitverantwortlich sein. Das Kabinett muss der Personalie allerdings noch zustimmen.
Wenn sie in den Kitas eingesetzt werden, muss man das natürlich vernünftig organisieren. Wenn Kinder plötzlich auf fremde Personen treffen, ist das zunächst einmal eine Herausforderung. Das Kindeswohl steht bei allen Maßnahmen immer im Vordergrund.
Wenn man längere Betreuungszeiten punktuell anbietet, werden viele Kinder die Kita wechseln müssen.
Das ist in Einzelfällen nicht auszuschließen. Aber es wird auch viele Familien geben, die an flexibleren Öffnungszeiten gar kein Interesse haben.
Wird die maximale Zeit verlängert, die ein Kind pro Tag betreut werden kann?
Nein. Kinder sollen nicht länger als neun Stunden am Tag und nicht länger als 45 Stunden in der Woche betreut werden. Kitas sind keine Aufbewahrungsanstalten oder Ersatzfamilien.
Die Schulferien stehen vor der Tür. Warum können Kita-Ferien und Schulferien nicht harmonisiert werden?
Die Kitas können die Schließzeiten selber bestimmen. Aber wir haben die Zahl der Schließtage pro Jahr reduziert – 25 Tage dürfen nicht überschritten werden. Und wir haben klargestellt, dass die Eltern von Kindern, die in die Schule kommen, über den Betreuungs-Rechtsanspruch bis zum Schuleintritt informiert werden müssen. Die Betreuung der Schulanfänger muss entweder durch die Kitas oder durch die Grundschulen erfolgen.
Viele Eltern geben den Kindern ungesunde Snacks mit in die Kita. Wäre es nicht besser, wenn in den Einrichtungen ein ausgewogenes Frühstück angeboten würde?
Normalerweise sollte ein Kind gefrühstückt haben, bevor es in die Kita kommt. Wir können den Eltern nicht alles abnehmen. Wenn die Erzieher feststellen, dass es Defizite bei der Ernährung gibt, müssen sie das Gespräch mit den Eltern suchen. In den meisten Kitas gibt es zusätzlich Obst für Kinder, so dass eine gesunde Ernährung berücksichtigt wird.