Düsseldorf/Köln – Spätestens an diesem Montag meldet sich in NRW der Politikbetrieb aus den Winterferien zurück. Mitten in der vierten Corona-Welle richtet sich nun der Blick nach vorn: In vier Monaten stehen an Rhein und Ruhr Landtagswahlen an – unter Vorzeichen, die es so noch nicht gegeben hat.
Auch am Wahlsonntag, dem 15. Mai, wird Omikron noch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens massiv beeinträchtigen. Mit Hendrik Wüst (CDU) stellt sich ein Ministerpräsident zur Wahl, der dann gerade einmal sieben Monate im Amt ist. Herausgefordert wird er von Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD), der vom positiven SPD-Bundestrend profitiert, jedoch noch mit schlechten Bekanntheitswerten im Land zu kämpfen hat. Und auch die Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur rechnet sich Chancen aus, die nächste NRW-Regierung „entscheidend prägen“ zu können.
Erfolg der Ampel-Regierung bestimmt auch Erfolg in NRW
Es gibt eine weitere Besonderheit der kommenden NRW-Wahl, die nicht zu unterschätzen ist: Sie ist eine der ersten Landtagswahlen nach der Bundestagswahl im letzten Herbst, nach der sich in Berlin mittlerweile eine Ampel-Regierung unter dem Kanzler Olaf Scholz (SPD) formiert hat. Das Agieren des Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP – und insbesondere das Corona-Krisenmanagement der Ampel – wird auch auf die Wahl in NRW Auswirkungen haben: Je stärker es hakt und ruckelt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen in NRW ihre Unzufriedenheit zu einer ersten „Abrechnung“ an der Wahlurne nutzen. Der beispiellose Absturz der Union und ihres Kanzlerkandidaten Armin Laschet ist also nicht automatisch ein Menetekel für die CDU, die an Rhein und Ruhr mit den Liberalen regiert.
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und anderer NRW-Tageszeitungen hatte im Dezember ergeben, dass CDU und SPD mit jeweils 27 Prozent Kopf-an-Kopf liegen, gefolgt von den Grünen mit 17 Prozent und der FDP mit 12 Prozent. Für den Laschet-Nachfolger Hendrik Wüst muss es also in den nächsten Wochen darum gehen, als Regierungschef in der Corona-Krise an Kontur zu gewinnen und sich als Krisenmanager zu profilieren.
Dass Wüst derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist, hilft ihm dabei. Schon in den letzten Wochen war zu beobachten, dass Wüst sich vom stark kritisierten, abwägenden Kurs seines Vorgängers Laschet abzusetzen versucht. Seinen FDP-Koalitionspartner brachte er bei Einschränkungen für Ungeimpfte auf Kurs, und im Wettbewerb der Länder ist Wüst mit eigenen Vorstößen präsent.
Wüst muss Bündnis mit FDP halten
Allerdings ist er dabei auch fehleranfällig, wie seine Positionswechsel in der Einschätzung des Sessionsauftaktes auf der Zülpicher Straße und der Bilder aus dem Kölner Stadion beim Derby des FC gegen Mönchengladbach zeigten. Anfängliche Zustimmung zu den behördlich genehmigten Bedingungen verwandelte sich später in deutliche Kritik, was populistisch wirkte. Viele solcher Kurskorrekturen dürfen Wüst jedenfalls nicht mehr passieren.
Neben der Pandemiebekämpfung als größtem Gradmesser muss Wüst es schaffen, das schwarz-gelbe Regierungsbündnis in Düsseldorf in ruhigem Fahrwasser zu halten – gar nicht so einfach, wenn die CDU in Berlin als Oppositionspartei zum Angriff auf die Ampel bläst.
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Klimaschutz und einen früheren Ausstieg aus der Kohle möglichst schon bis 2030 hat sich Wüst ebenfalls auf die Fahnen geschrieben – wobei bei diesen Themen die Zeit nicht reichen wird, sich vor SPD und Grünen einen Vorsprung zu verschaffen.
Kutschaty setzt auf bezahlbare Mieten und Bildungsgerechtigkeit
SPD-Herausforderer Kutschaty will Wüst mit Themen wie bezahlbare Mieten und Bildungsgerechtigkeit attackieren. 100.000 neuen Wohnungen, davon 25 000 mietpreisgebunden, will die SPD pro Jahr im Land bauen. Besonders im Bildungs- und Gesundheitsbereich sehen die Sozialdemokraten einen erheblichen Investitionsbedarf.
Und die Grünen? Spitzenkandidatin Mona Neubaur hat den Auftrag, nach dem desaströsen Ergebnis von 2017 (6,4 Prozent) zumindest drittstärkste Kraft im Land zu werden. Klimaschutz und Kohleausstieg werden im Wahlkampf zentrale Themen der Ökopartei sein.
Dabei positionieren sich die NRW-Grünen deutliche ehrgeiziger als der Bund: NRW soll schon möglichst vor 2040 klimaneutral werden, bundesweit ist dieses Ziel bis 2045 vorgesehen.