Als Thorsten Schick im vergangenen Sommer Chef der CDU-Fraktion im NRW-Landtag wurde, rieben sich viele Beobachter verwundert die Augen.
CDU-Fraktionschef Thorsten SchickSo tickt die westfälische Variante von Armin Laschet
Vor einem Teeladen in der Fußgängerzone von Iserlohn hat die CDU einen Info-Stand aufgebaut, ein Mann in einer grauen Winterjacke verteilt bunte Ostereier an die Passanten. Eine alte Dame freut sich, hält einen Plausch mit Thorsten Schick. „Den kenne ich schon lange von den Wahlplakaten“, berichtet die Seniorin, bevor sie das Ei in die Handtasche steckt.
Im vergangenen Jahr wurde Schick von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst als Chef der CDU-Landtagfraktion vorgeschlagen. Eine Entscheidung, mit der viele nicht gerechnet hatten. „Thorsten wer?“, fragte sich so mancher CDU-Mitarbeiter auf den Fluren des Landtags. Schick wurde zwar schon 2005 erstmals in das NRW-Parlament gewählt. Aber er war nie ein Lautsprecher, der für Führungsämter gehandelt worden war. Auch in der CDU-Fraktion wurde untereinander getuschelt: „Was hat sich der Hendrik denn dabei gedacht?“
Thorsten Schick folgte dem raubeinigen Bodo Löttgen
Im Sommer 2022 unterschrieben CDU und Grüne ihren Koalitionsvertrag. Nach Bodo Löttgen, der raubeinige Anführer der CDU-Fraktion, seinen Rückzug erklärt hatte, wurde ein Nachfolger gesucht. Der sollte die schwierige Aufgabe stemmen, eine harmonische Zusammenarbeit mit dem neuen Koalitionspartner zu organisieren. Es galt Brücken zu bauen zu dem Gegner von einst, mit dem man oft in vielen Politikbereichen heftig aneinander gerasselt war. Die Wahl fiel auf Schick, den Mann, den die meisten nicht auf der Rechnung hatten. Wie kam es dazu?
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Der 51-jährige wuchs in Iserlohn-Letmathe auf. Dort war er Messdiener, kickte beim ASSV Letmathe als rechter Verteidiger. Als sein Gymnasium geschlossen werden sollte, organisierte er den Protest der Schüler, trat in die Junge Union ein. Weggefährten von einst erinnern sich noch heute an den „Schick-Effekt“, der darauf folgte. „Thorsten löste eine regelrechte Eintrittswelle aus“, sagt der Kommunalpolitiker Karten Meininghaus. „Die Leute mochten ihn, und er hatte ungewöhnlich Idee.“
Gut an kamen nicht nur Partys und Konzerte, sondern auch zahlreiche Umweltprojekte, die Schick organisierte. „Wir haben Umweltwochen zum Thema Recycling organisiert und die Wälder gesäubert“, berichtet Schick. „Für unser Engagement wurden wir mit dem Umweltpreis der Iserlohner Grünen ausgezeichnet“. Die Sensibilität für ökologische Themen war bei ihm schon früh vorhanden.
Thorsten Schick und Hendrik Wüst sind alte Weggefährten
Ob Wüst das wusste? Fest steht: Die beiden sind alte Weggefährten. Als sie 2005 ins Parlament einziehen, sind sie die jüngsten Mitglieder in der „Jungen Gruppe“ der CDU-Fraktion. Der forsche Münsterländer Wüst, der bald CDU-Generalsekretär werden sollte, und der eher zurückhaltende Südwestfale Schick ticken trotz der unterschiedlichen Temperamente ähnlich. Beide unterstreichen die Bedeutung der CDU als Wirtschaftspartei. Die Förderung des heimischen Mittelstands ist eines ihrer zentralen Anliegen.
2010 verliert die CDU die Landtagswahl. Schick fliegt aus dem Landtag, weiß noch nicht, wie es weitergehen soll. „Einen Tag später hat mich Hendrik Wüst angerufen und mich gefragt, wie er helfen kann“, erinnert sich Schick. „Der hatte damals sicher auch andere Sorgen. Mit so einer Fürsorge hatte ich nicht gerechnet. Das hat mir imponiert.“
Der Radio-Journalist unterreichtet zunächst als Seiteneinsteiger an einer Hauptschule, ehe er 2012 erneut ins NRW-Parlament einzieht. Er wird medienpolitscher Sprecher – und trifft erneut auf Wüst. „Für uns war der Breitbandausbau ein zentrales Thema“, sagt Schick. „Der damalige Wirtschaftsminister Garrelt Duin kam nicht in die Gänge. Im Landtag sind wir immer beide als Redner gegen ihn aufgetreten, um Druck zu machen.“
Oliver Keymis lobt den Humor von Thorsten Schick
Einer, der den CDU-Fraktionschef aus der gemeinsamen Zeit im Medienausschuss gut kennt, ist der frühere Landtagsvizepräsident Oliver Keymis. „Ich habe Torsten Schick nicht als vorlauten Haudrauf erlebt“, sagte der Grüne. „Wenn er sich äußert, ist seine Position meist gut begründet. Er ist nicht ideologisch unterwegs und polarisiert nicht, das gibt ihm Spielräume, wenn es gilt, die unterschiedlichen Enden zusammenzubinden.“
Dabei kommt Schick auch sein Auftritt zugute. „Wer ihn länger kennt, weiß seinen spitzbübischen Humor zu schätzen. Seine schelmische Art erinnert an Armin Laschet, allerdings in einer westfälischen Variante“, berichtet Keymis. Schick sei viel zurückhaltender, keiner, mit dem man sich sofort duze. „Ich glaube, mit seiner eher diplomatischen Art kann er zu einem guten Moderator werden, wenn es bei Schwarz-Grün mal zu Konflikten kommen sollte“, bilanziert der frühere Spitzenpolitiker: „Von daher mag seine Berufung überraschend gewesen sein – unklug war sie nicht.“
Wenn es nach ihm geht, können CDU und Grüne in NRW ein dauerhaftes Regierungsbündnis bilden, auch über die nächste Wahlperiode hinaus. „In einer Zeit, in der immer mehr Menschen Abitur machen und studieren, dringt die SPD mit ihren klassischen Parolen nicht mehr durch. Angesichts des steigenden Konkurrenzdrucks aus China und den USA brennen den Menschen die Existenzsorgen unter den Nägeln. Den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft traut man CDU und Grünen eher zu als der SPD.“
Schick hat das Gute-Laune-Gen von seinem Vater geerbt
Schick ist von Natur aus zuversichtlich. Das „Gute-Laune-Gen“ hat der Dauerkarten-Inhaber von Borussia Dortmund von seinem Vater geerbt. „Der war Verkäufer in einem großen Industrieunternehmen. Er hatte die Gabe, schwierige Lagen auch mal mit einem Witz zu entspannen.“ Eine Fähigkeit, die auch in der Politik helfen kann. Bei seiner Wahl zum Fraktionschef erhielt Schick 94,4 Prozent der Stimmen.