Beim NRW-Sommerfest in Berlin wirkte die Harmonie zwischen Hendrik Wüst und Friedrich Merz gespielt.
Treffen beim NRW-Sommerfest in BerlinWüst trinkt ein Bier mit Merz, lässt ihn aber weiter zappeln
Der Tisch ist mit schwarzem Trassierband abgesperrt, normale Gäste haben keinen Zugang. Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Linken im Bundestag, wird durchgelassen, und macht einen Scherz. „Oh, hier wohl ist der Bereich, der für die Kanzlerkandidaten der CDU reserviert ist“, sagt Bartsch zu den Zaungästen und schmunzelt. Britta Haßelmann, sein Pendant bei den Grünen, grinst. Bei der CDU lacht niemand.
In der abgesperrten Zone stehen sich Hendrik Wüst und Friedrich Merz an einem Stehtisch gegenüber. Wüst isst eine Bratwurst im Brötchen, Merz stochert mit Holzgabel in einem Burger mit Pulled Pork. Fotografen können aus sicherem Abstand Bilder machen, das Protokoll hat geplant, dass jetzt ein harmonisches Miteinander in Szene gesetzt werden soll. Was gesprochen wird, hört man nicht. Aber ein großes Bedürfnis nach Austausch scheint nicht da zu sein. Wüst plauscht mit NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes, Merz mit Agrarministerin Silke Gorißen.
Party in der Botschaft des Westens
Sommerfest in der Landesvertretung von NRW in Berlin, der „Botschaft des Westens“. An diesem Abend sind alle, die sich sonst auf der landespolitischen Bühne tummeln, in die Bundeshauptstadt gekommen, um fraktionsübergreifend und ungezwungen bei Grillgut und Pils zu feiern. Das Aufeinandertreffen von Wüst und Merz war mit Spannung erwartet worden. Wüst hatte sich in einem Namensbeitrag pointiert zum künftigen Kurs der CDU geäußert, was als Abgrenzung von Merz verstanden werden konnte. Will sich der Ministerpräsident von NRW als Kanzlerkandidat in Stellung bringen? Merz reagierte gereizt. Würde das Treffen beim NRW-Fest die Dissonanzen beenden?
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Wüst gibt sich entspannt, begrüßt Merz am Eingang der Landesvertretung, dann gehen beiden lächelnd durch das Spalier der Gäste in den Garten. Dort heißt der NRW-Ministerpräsident die Anwesenden willkommen, auch den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, den „lieben Friedrich Merz“.
In einem Grüppchen von CDU-Landtagsabgeordneten war vor dem Einzug spekuliert worden, Wüst könne die Ansprache nutzen, um dem Konflikt mit Merz vielleicht mit einer witzigen Bemerkung den Druck aus der Leitung zu nehmen. Aber Wüst tut nichts dergleichen, schon gar nicht ruft er den „westfälischen Frieden“ aus, wie von einem Fraktionsmitglied erwartet worden war. „Der hätte ja sagen können, dass sein Platz in Düsseldorf ist und der von Friedrich in Berlin. Wenn er so tut, als ob nichts gewesen wäre, lässt er Merz weiter zappeln", sagt ein CDU-Politiker aus dem Ruhrgebiet.
Was plant Wüst? Was folgt daraus?
Was Merz von der Begegnung hält, ist schwer zu ergründen. Er versucht, nicht übermäßig grimmig zu gucken, und als er mit Wüst schließlich das Pilsglas erhebt, ringt er sich sogar ein Lächeln ab. „Der Friedrich ist genervt, und ich das kann das verstehen, schließlich ist der ja auch nicht blöd“, sagt der Vorsitzende eines CDU-Stadtverbands vom Niederrhein. „Er weiß, dass er in der K-Frage ein Problem bekommt, wenn der Hendrik wirklich Ambitionen hat.“ Wüst komme bei den Menschen schließlich überwiegend gut an – im Gegensatz zum Parteivorsitzenden. „Bei Merz ist man sich ja nicht unbedingt sicher, ob er seine Frau duzt.“
Was plant Wüst? Und was folgt daraus? An vielen Stehtischen wird schon die künftige Aufstellung der NRW-CDU geplant. Der Blick fällt auf Jens Spahn – der frühere Bundesgesundheitsminister steht mit dem Virologen Hendrik Streeck zusammen. „Jens? Auf keinen Fall. Der hat sich noch nie um den Laden in Düsseldorf gekümmert“, sagt ein Bezirksvorsitzender mit Nachdruck.
Viele Gäste aus dem CDU-Lager hoffen, dass Wüst nur „blufft“, um den eigenen Marktwert zu erhöhen. Er müsse noch mindestens eine Wahl in NRW gewinnen, damit genug Zeit bleibe, um einen geregelten Abgang zu organisieren. „Sollte der jetzt gehen, droht uns ein Machtkampf“, warnt ein Mitglied des Landesvorstands. Sowohl Bauministerin Ina Scharrenbach als auch Europaminister Nathanael Liminiski kämen als Nachfolgerin in Frage.
Grüne genervt von Ränkespielen
Bei den Grünen hat man keine Lust, sich an Spekulationen zu beteiligen. Aber in der Führungsriege ist man sich einig: „Das muss jetzt aufhören“, heißt es. CDU-interne Ränkespiele dürften nicht zu einer Belastung der Regierungsarbeit werden. „Es war ein schlechtes Timing, kurz vor der Ferienzeit solche Irritationen auszulösen“, sagt eine Spitzengrüne. „Wenn wir Pech haben, befüllt das Thema jetzt das Sommerloch. Es wäre besser gewesen, da jetzt einen Deckel drauf zu machen. Jetzt schwelt der Konflikt weiter.“
Um 20.15 Uhr verlässt Friedrich Merz das Fest, etwas mehr als eine Stunde hat er sich Zeit genommen. Der Abgang ist zügig, es wirkt, als gehe für den Sauerländer ein Pflichttermin zu Ende. Am späteren Abend soll Wüst dann mal sagen, wie das Treffen mit Merz aus seiner Sicht gelaufen ist. Gut, die Antwort war erwartbar: Das Bier sei kalt und die Wurst warm gewesen.