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NRW-CheckBürgerinnen und Bürger leiden unter Preisen – Wenig Zustimmung für „Letzte Generation“

Lesezeit 10 Minuten
NRW-Check Juni 2023

Für Straßenblockaden gibt es wenig Verständnis und die Preisentwicklung macht den Menschen zu schaffen.

Im „NRW-Check“ bekunden die Bürgerinnen und Bürger ein Gefühl der Überforderung. Schwarz-Grün kommt in der Wählergunst nicht voran.

Zur künftigen Energieversorgung, dem Streit über das „Heizungsgesetz“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und zu den „Klimaklebern“ der Aktivistengruppe „Letzte Generation“ nehmen die Menschen in Nordrhein-Westfalen im „NRW-Check“ sehr klare Positionen ein.

Nur eine Minderheit der Wahlberechtigten (17 Prozent) glaubt, dass der Energiebedarf in Deutschland in absehbarer Zeit allein durch die erneuerbaren Energien gedeckt werden könne. Die große Mehrheit von 78 Prozent geht hingegen davon aus, dass weiterhin auch noch die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle sowie die Atomkraft genutzt werden müssen. Diese Ansicht wird von der Anhängerschaft aller Parteien vertreten. Lediglich die Grünen-Klientel ist mit knapper Mehrheit (49 Prozent gegen 47 Prozent) der Ansicht, die Erneuerbaren seien ausreichend.

Den inzwischen nachjustierten Gesetzesplänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Installation von Gas- und Ölheizungen in Neubauten ab 2024 zu verbieten, steht eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgerinnen ablehnend gegenüber. 70 Prozent halten ein Verbot für falsch und wollen die Entscheidung über die verwendete Heizungsart jedem Eigentümer selbst überlassen. Nur 25 Prozent stehen hinter Habecks Gebäudeenergiegesetz. Die Ablehnung geht quer durch die politischen Lager und die sozialen Schichten. Bei den AfD-Anhängern liegt sie bei 100 Prozent. Einzig die Grünen-Anhängerschaft hält Habecks Vorhaben zu zwei Dritteln (67 Prozent) für richtig. Aber immerhin ein Viertel (26 Prozent) auch dieser Bevölkerungsgruppe ist gegen den Plan des Grünen-Ministers. Insgesamt ergibt sich zu dieser Frage in der NRW-Bevölkerung ein ähnliches Meinungsbild wie für ganz Deutschland.

Die Skepsis setzt sich in der Frage fort, ob die Kosten für die Umstellung der Heizung auf erneuerbare Energieträger für die meisten privaten Eigentümer verkraftbar sei. Nur jeder zehnte Wahlberechtigte in NRW (11 Prozent) bejaht dies. Dagegen glauben 85 Prozent der Befragten, die Haus- und Wohnungseigentümer seien überfordert. Auch hier ist die Gewichtung quer durch die Einkommensgruppen und die Anhängerschaft der Parteien praktisch deckungsgleich.

Die einzige Ausnahme stellen erneut die Grünen-Anhänger dar. Sie glauben dreimal häufiger (31 Prozent) als die Wahlberechtigten im Land insgesamt, dass die Kosten für die „Wärmewende“ von den meisten privaten Eigenheimbesitzern bewältigt werden können. 62 Prozent sind auf der Seite derer, die eine Überforderung der finanziellen Möglichkeiten annehmen.

„Letzte Generation“

Eine signifikante Abweichung der Grünen-Anhängerschaft vom Gesamt der Bevölkerung ergibt sich schließlich auch in der Haltung zu den „Klimaklebern“ der „Letzten Generation“. Deren Protestaktionen wie das Festkleben auf Straßen und Plätzen oder das Beschmieren von Gebäuden und Kunstwerken stoßen im Gesamt der NRW-Bevölkerung bei 82 Prozent auf Unverständnis. Nur 15 Prozent können solchen Versuchen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten, der Forderung nach mehr Klimaschutz Nachdruck zu verleihen, etwas abgewinnen.

Zwar überwiegt auch bei den Anhängern der Grünen mit 51 Prozent das Unverständnis. Fast genauso groß (45 Prozent) ist aber der Anteil derer, die das anders sehen. Zum Vergleich: Nur zwei Prozent der CDU-Anhänger und jeweils vier Prozent der FDP- und AfD-Anhängern teilen diese Sicht. Von den SPD-Anhängern sind es 17 Prozent. Hingegen äußern 96 Prozent der CDU- und AfD-Anhänger, 95 Prozent der FDP-Anhänger und 82 Prozent der SPD-Anhänger Unverständnis für die Aktionen der „Letzten Generation“.

Migration/Zuzug von Flüchtlingen

Angesichts einer gestiegenen Zahl von Flüchtlingen und der politischen Diskussionen über die Lastenverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen zeigt der „NRW-Check“ ein doppeltes Auseinanderdriften der Lage-Beurteilung. Zum einen fällt auf, dass die Menschen in NRW die Bewältigung des Flüchtlingszuzugs für ganz Deutschland sehr viel negativer einschätzen als die konkrete Situation in der eigenen Stadt und Gemeinde. Zum anderen verläuft in der Lagebeurteilung eine Wasserscheide zwischen den Grünen-Anhängern und den Anhängern aller anderen Parteien.

Drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sehen die meisten Städte und Gemeinden in Deutschland mit dem Flüchtlingszuzug überfordert. Nur ein Viertel (24 Prozent) sagt, die Kommunen kämen noch zurecht. Extrem fällt die Position der AfD-Anhänger aus: Nur zwei Prozent schließen sich der Ansicht an, die meisten Städte und Gemeinden kämen noch mit dem Zuzug von Geflüchteten klar. 98 Prozent sehen eine Überforderung. Mit Mehrheit (53 Prozent) sehen das im Übrigen nur die Grünen anders. Der Anteil der Skeptiker liegt in dieser Bevölkerungsgruppe bei nur 45 Prozent, deutlich unter dem Wert in der Anhängerschaft aller anderen Parteien.

Gefragt nach der Unterbringung von Flüchtlingen in der eigenen Stadt oder Gemeinde, sieht die Hälfte der Bevölkerung in NRW in letzter Zeit keine größeren Probleme. Ein Drittel (32 Prozent) macht solche Probleme aus. Diese Einschätzung ist unabhängig von der Größe der Stadt oder der Gemeinde, in der die Befragten wohnen.

Hingegen führt der politische Standort auch in dieser Frage zu deutlich unterschiedlichen Wahrnehmungen. Ausgesprochen entspannt nehmen die Grünen-Anhänger die Unterbringung von Flüchtlingen in der eigenen Kommune wahr: 74 Prozent geben an, es gebe hier keine größeren Probleme, nur 17 Prozent wollen solche erkannt haben. Am anderen Ende der Skala liegen die AfD-Anhänger: Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) bejahen aktuell Schwierigkeiten bei der Unterbringung, nur ein Fünftel (20 Prozent) sieht keine größeren Probleme.

Zufriedenheit mit der Landesregierung

Ein Jahr nach dem Antritt der schwarz-grünen Landesregierung dümpeln die Zustimmungswerte für die Koalition auf niedrigem Niveau. Nur 38 Prozent aller Wahlberechtigten in NRW zeigen sich im „NRW-Check“ zufrieden mit der Regierungsarbeit. Damit hat sich das Kabinett von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nur um einen Prozentpunkt gegenüber der vorigen Befragung im September 2022 verbessern können. Der Anteil der Unzufriedenen von 54 Prozent ist unverändert hoch.

Die Zustimmungswerte für die Koalitionspartner differieren deutlich. Die CDU konnte ihren Anteil an Zufriedenen von 33 Prozent im September 2022 um vier Punkte verbessern. Die Werte für ihre Arbeit in der Regierung (37 Prozent Zufriedene, 54 Prozent Unzufriedene) sind damit fast identisch mit der Beurteilung der Regierung insgesamt. Demgegenüber fallen die Grünen klar ab: Sie kommen nur auf 27 Prozent Zufriedenheit, der Anteil der Unzufriedenen hingegen liegt bei 65 Prozent.

Das ist eine erhebliche Verschlechterung gegenüber dem „NRW-Check“ vom September 2022, als sich 58 Prozent unzufrieden und 34 Prozent zufrieden mit der Arbeit der Grünen in der Regierung zeigten.

Innerhalb des Regierungslagers fällt die Zustimmung der Parteianhänger für jeweils „ihren“ Koalitionspartner naturgemäß besonders hoch aus. Jedoch ist hier ein deutliches Ungleichgewicht zwischen CDU und Grünen festzustellen. Die Unionsanhänger stehen zu 90 Prozent hinter der Arbeit der CDU in der Landesregierung, nur neun Prozent sind hier unzufrieden. Demgegenüber sind nur zwei Drittel (66 Prozent) der Grünen-Klientel mit der Arbeit ihrer Regierungsmitglieder zufrieden, 21 Prozent zeigen sich unzufrieden.

Deutlich über dem Trend bewegen sich die persönlichen Werte für Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Seine Beliebtheitskurve im „NRW-Check“ weist seit Beginn der Befragungen mehr oder weniger kontinuierlich nach oben. Inzwischen ist die Hälfte der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Unzufrieden sind 39 Prozent. Damit hat Wüst die Gewichtung zu seinen Gunsten verkehren können: Im September 2022 hatten sich noch 44 Prozent der Wahlberechtigten unzufrieden gezeigt, 43 Prozent gaben damals an, sie seien mit Wüst zufrieden.

In der Gunst der eigenen Anhängerschaft fällt Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur (Grüne) noch hinter Ministerpräsident Wüst zurück. Mit der Arbeit seiner Stellvertreterin sind derzeit nur 47 Prozent der Grünen-Anhänger zufrieden. 18 Prozent erklären sich für unzufrieden. 35 Prozent nehmen eine unentschlossene Position ein, was – bezogen auch auf die gesamte Ministerriege – ein Spitzenwert ist. In der Gesamtbevölkerung des Landes stößt Neubaur mit ihrer Arbeit nur bei jedem Vierten (25 Prozent) auf Zustimmung. Die Hälfte der Befragten (51 Prozent) gibt hingegen an, unzufrieden mit ihr zu sein. Ein weiteres Viertel (24 Prozent) votiert weder positiv noch negativ.

Über die SPD als größte Oppositionspartei äußern sich fast zwei Drittel der Befragten (60 Prozent) unzufrieden. Nur jeder Fünfte (19 Prozent) beurteilt die Arbeit der Sozialdemokraten im Landtag positiv. Einzig die eigenen Anhänger fallen aus diesem Gesamtbild heraus mit einem Anteil an Zufriedenen von 62 Prozent. Allerdings bewertet ein Drittel (33 Prozent) der SPD-Anhänger die Arbeit ihrer Partei als nicht zufriedenstellend.

Die vergleichsweise positive Sicht auf Wüst spiegelt sich in den aktuellen Präferenzen der NRW-Bevölkerung hinsichtlich des nächsten Kanzlerkandidaten der Union. Für den Düsseldorfer Regierungschef sprechen sich 32 Prozent aus. Friedrich Merz, CDU-Chef und Oppositionsführer in Berlin, ebenso wie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder kommen nur auf jeweils 15 Prozent Unterstützung. Den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, sehen zehn Prozent der Menschen in NRW als den geeignetsten Herausforderer von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der nächsten Bundestagswahl.

In der CDU-Anhängerschaft könnte Wüst derzeit sogar auf eine absolute Mehrheit (51 Prozent)an Befürwortern einer Kanzlerkandidatur bauen. Allerdings kommt Merz in dieser Klientel auch auf immerhin 34 Prozent.

Bei den Anhängern der anderen Parteien hätte Merz nur in einer einzigen Gruppe die Nase vorn: 26 Prozent der AfD-Anhänger sehen ihn als den besten Unionskanzlerkandidaten. Wüst landet hier abgeschlagen bei lediglich fünf Prozent. Umgekehrt fällt das Ergebnis in der Grünen-Anhängerschaft aus: Von ihnen könnten nur fünf Prozent etwas mit Merz als Kanzlerkandidat anfangen. Stattliche 42 Prozent würden Wüst bevorzugen.

In der politischen Stimmungslage verzeichnet der „NRW-Check“ einen landestypischen CDU-Bonus. Die Union käme laut „Sonntagsfrage“, also im hypothetischen Fall einer Wahl am nächsten Sonntag, in einer Landtagswahl auf 37 Prozent, in einer Bundestagswahl nur auf 30 Prozent. Allerdings wäre auch das eine Verbesserung des Ergebnisses vom September 2021, als die CDU auf Landesebene 26 Prozent erreichte.

Alle anderen Parteien würden bei einer Bundestagswahl leicht besser abschneiden als bei einer Landtagswahl. Die SPD käme für den Bund auf 23 Prozent, die Grünen und die AfD auf jeweils 15 Prozent, die FDP auf sieben Prozent. Im Vergleich zu den Bundestagswahlergebnissen von 2021 könnte sich damit nur die AfD verbessern – und das massiv: Die Partei würde ihren Stimmenanteil praktisch verdoppeln.

Preisentwicklung/Sparanstrengungen

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen sehen sich durch die anhaltend hohen Preise in erheblichem Maße belastet. Naturgemäß trifft dies besonders die finanziell schwächeren Bevölkerungsgruppen. So geben im „NRW-Check“ 72 Prozent der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 2000 Euro pro Monat an, sie würden durch die hohen Preise stark oder sehr stark belastet. Der Anteil sinkt dann kontinuierlich bis zur Gruppe der Befragten mit einem Haushaltsnetto von mehr als 4000 Euro. Von ihnen sehen sich 43 Prozent durch die Preisentwicklung belastet, 55 Prozent verneinen dies.

Infolge einer als stark oder sehr stark wahrgenommenen Belastung schränken sich fast alle Menschen bei ihren alltäglichen Ausgaben in verschiedenen Lebensbereichen ein. Das gilt auch für die Wohlhabenden. Nur einer von zehn Befragten gibt an, das eigene Budget nirgends zu kürzen.

Die Möglichkeit von Mehrfachnennungen zeigt, dass Befragte mit geringen und mittleren Einkommen sich in fast allen Lebensbereichen häufiger einschränken als Befragte mit höheren Einkommen von mehr als 4000 Euro.

Am deutlichsten fällt die Selbstbeschränkung bei größeren Neuanschaffungen wie Möbeln aus. Hier halten sich derzeit 64 Prozent der Befragten zurück. Von den Geringverdienenden sind es 70 Prozent, bei den finanziell besser Gestellten immerhin noch 55 Prozent.

An zweiter Stelle (60 Prozent) stehen die Einsparungen beim Energieverbrauch (Heizung, Strom). Hier fällt auf, dass sich die Menschen über alle Einkommensschichten hinweg praktisch gleich verhalten. Für die Gutverdienenden sind Senkungen beim Heizen und beim Stromverbrauch sogar der größte Hebel überhaupt (60 Prozent).

Verzicht in signifikantem Maße üben die Menschen auch bei den Ausgaben in der Gastronomie und für Kleidung. Betroffen sind überdies kulturelle Aktivitäten wie Theater-, Konzert- und Kinobesuche sowie (Urlaubs-)Reise. Hier schränken sich jeweils etwa die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger ein.

Am wenigsten Abstriche machen sie nach eigenen Angaben beim Kauf von Lebensmitteln und beim Tanken (38 beziehungsweise 36 Prozent).


Der NRW-Check ist eine Umfrage-Serie im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und 38 weiterer Zeitungstitel aus Nordrhein-Westfalen mit einer täglichen gedruckten Auflage von rund zwei Millionen Exemplaren und einer durchschnittlichen wöchentlichen Gesamtreichweite in gedruckten wie digitalen Angeboten von rund zehn Millionen Leserinnen und Lesern.

Für den aktuellen NRW-Check, den sechsten seit Beginn der Erhebungen im Dezember 2021, befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa in der Zeit vom 29. Mai bis zum 7. Juni insgesamt 1506 Wahlberechtigte im Rahmen des repräsentativen Panels forsa.omninet. Die Auswahl erfolgte nach einem systematischen Zufallsverfahren. Die Ergebnisse sind repräsentativ und bei einer Fehlertoleranz von plus/minus 2,5 Prozentpunkten auf alle Wahlberechtigten in NRW übertragbar. (jf)