Der Spitzenkandidat der FDP und frühere Finanzminister hat in Köln etliche Fragen von Leserinnen und Lesern beantwortet. Eine Auswahl.
Christian Lindner im KStA-Gespräch„Wir wollen den Staat drastisch verschlanken“
![Christian Lindner vor KSTA-Banner](https://static.ksta.de/__images/2025/02/06/63c51089-5c42-47f1-a35a-714c452f4136.jpeg?q=75&q=70&rect=320,260,3200,1800&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=1dbd5d24cdd51ed5377fa283c7972c7e)
Interview mit Christian Lindner im FDP-Wahlkampftourbus auf dem Rudolfplatz für das Leserforum
Copyright: Martina Goyert
Die Gesprächskultur im Parlament ist sehr häufig befremdlich, angreifend, subjektiv, verletzend und wenig vorbildlich. Wäre ein respektvolleres Umgehen miteinander nicht erstrebenswert? (Christa Seesing, Odenthal)
Ich bin ganz Ihrer Meinung. Die politischen Unterschiede können mit präzisen Spitzen, Ironie und Humor besser herausgearbeitet werden als mit plumpen Beschimpfungen. Darum bemühe ich mich. Leider hat unsere politische Kultur sich sehr verändert. Die AfD spricht oft bewusst verletzend, weil sie aus der Polarisierung unserer Gesellschaft Kapital schlagen will. Und Bundeskanzler Olaf Scholz wurde ungewöhnlicherweise von Frau Merkel dafür gerügt, wie er öffentlich beim Scheitern der Ampel-Koalition gesprochen hat. Ich habe damals bewusst die Steine nicht aufgehoben und zurückgeworfen, die er mir nachgeschmissen hat.
Glauben Sie wirklich, dass informierte und interessierte Bürgerinnen und Bürger überall diese fürchterlichen Wahlplakate brauchen, wo mit Fotoshop bearbeiteten, oft völlig sinnfreien Sprüchen um Stimmen zur Wahl werben? Für diese immensen Kosten hätte man wichtige und nötige Dinge erledigen können. (Gabie Schweitz, Köln)
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Meinen Augenringen und Falten sehen Sie an, dass wenig bearbeitet wurde… Im Ernst: Es gibt Bürgerinnen und Bürger, die erst durch die Wahlplakate auf eine anstehende Entscheidung aufmerksam gemacht werden. Diese Form der Kommunikation ist zudem ohne den Filter der Medien. Da können wir zum Beispiel direkt kommunizieren, dass wir durch einen schlanken Staatsapparat die Steuern senken wollen. Oder dass es bei der Migration auch bei gutem Willen Grenzen gibt. Oder dass wir erst die Wirtschaft stärken müssen, bevor wieder Wohlstand verteilt werden kann. Ich darf Sie aber beruhigen, die Plakate werden von den Parteien finanziert und bei der FDP zumeist von Ehrenamtlern aufgehängt.
Die Staatsschulden belaufen sich auf 4,3 Billionen Euro und erfordern eine jährliche Zahlung von zirka 36 Mrd. Zinsen. Um wie viele Milliarden erhöhen sich die Schulden, wenn alle Ihre geplanten Mehrausgabenvorstellungen durchgesetzt werden? Sollte nicht eher ein „Soli Klimawandel“ eingeführt und das Rentenalter erhöht werden? (Dieter Gutberlet, Köln)
Die FDP hält bekanntlich an der Schuldenbremse fest. Deshalb wollen wir Steuerentlastungen, Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur sowie die Stärkung von Sicherheitsbehörden und Bundeswehr dadurch finanzieren, dass wir besser mit den jährlichen Einnahmen von gut 1.000 Milliarden Euro umgehen. Wir wollen den Staatsapparat verschlanken, durch Reformen Bürgergeldbezieher in Arbeit bringen, überzogene Subventionen bei Klimaschutz und in der Energie streichen sowie Geld durch die Begrenzung der irregulären Migration sparen. Unsere Politik stärkt zudem das Wachstum und damit die Staatseinnahmen. Ich habe öffentlich vorgerechnet, dass bis 2029 über 150 Milliarden Euro jährlich erwirtschaften werden können.
Die Flugbereitschaft des Bundes kostet sehr viel Geld. Warum fliegen die Minister/innen nicht mit den normalen Airlines, wie dies in anderen Ländern z.B. Singapore praktiziert wird? Mir ist es auch unbegreiflich das Staatssekretäre/innen in der 1. Flug-Klasse fliegen können. (Hans Georg Schnabel, Bornheim)
Im Inland bin ich in der Regel mit normalen Airlines geflogen. International ist dies aufgrund der Terminlage und der größeren Delegationen in der Regel nicht realisierbar. Die Dichte unabweisbarer Termine erlaubt da oft nicht, sich am Flugplan kommerzieller Fluggesellschaften zu orientieren. Allerdings steht Ihre Frage stellvertretend für ein weitaus größeres Problem: Der deutsche Staatsapparat ist aufgebläht. Wir haben zu viele Ministerien und Behörden, die sich oftmals mit den gleichen Themen befassen und sich sogar gegenseitig blockieren. Das kostet uns Geld und Dynamik. Die FDP will deshalb unseren Staat drastisch verschlanken. Ministerien können zusammengelegt, einige Behörden, wie etwa das Umweltbundesamt, teilweise ganz gestrichen werden. So machen wir unseren Staat leistungsfähiger und moderner.
KSTA: Friedrich Merz flog mit seiner Privatmaschine zu Ihrer Hochzeit. Merz hält viele jüngere Politiker für nicht unbedingt ebenbürtig. Wie ist ihr persönliches Verhältnis?
Zu Friedrich Merz habe ich ein vertrauensvolles und kollegiales Verhältnis. Natürlich stehen wir aber im politischen Wettbewerb und haben auch unterschiedliche Vorstellungen.
![Christian Lindner im Gespräch mit Chefredakteur Gerald Selch (l.) und Landeskorrespondent Gerhard Voogt](https://static.ksta.de/__images/2025/02/06/8ccaa503-20b8-449a-af05-3216051ee673.jpeg?q=75&q=70&rect=0,417,4000,2250&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=8319293bec13e225ce6704670a7cf158)
Christian Lindner im Gespräch mit Chefredakteur Gerald Selch (l.) und Landeskorrespondent Gerhard Voogt.
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Zu jeder soliden privaten Haushaltsplanung/Budgetierung gehört eine ehrliche Analyse der Ausgaben und Einnahmenseite. Garantieren Sie, dass sich die Investitionen allein aus den „Einnahmen“ und den von Ihnen vorgeschlagenen Einsparungen - also unter strikter Einhaltung der Schuldenbremse - decken lassen? (Heinz Tillmann, Rösrath)
Jein. Die Schuldenbremse erlaubt ja Kredite. Sie fordert keinen ausgeglichenen Haushalt – auch bekannt als „schwarze Null“ – sondern nur eine Begrenzung der Neuverschuldung. So ist es auch richtig. Für unsere Investitions- und Entlastungspläne rechnen wir nicht nur mit den vielen Milliarden, die sich durch Reformen bei Subventionen, Bürgergeld, Einwanderung, Staatsapparat und Bürokratie einsparen lassen. Durch die Abkehr von planwirtschaftlichen Eingriffen und die Rückbesinnung auf marktwirtschaftlichen Wettbewerb wird sich auch neues Wachstum einstellen, das uns weitere finanzielle Spielräume eröffnet. Auch eine Verschiebung des deutschen Ziels der Klimaneutralität bis 2045 auf das europäische Ziel von 2050 spart uns gewaltige Summen und ermöglicht es, bewährte Technologien länger zu nutzen.
Wie stellen Sie sich die Finanzierung immer weiter steigender Militärausgaben und des riesigen Nachholbedarfs bei der Infrastruktur ohne Lockerung der Schuldenbremse vor, die inzwischen auch von namhaften Vertretern der Wirtschaft und der Verbände und Forschungsinstitute gefordert wird? (Margret Schmitz, Pulheim)
Wenngleich es beim Blick in einige Medien nicht immer so erscheint: Viele namenhafte Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, darunter etwa die Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm, stehen klar hinter der Schuldenbremse. Denn sie garantiert nicht nur Deutschlands finanzielle Stabilität und hält die Politik an, klug und sparsam mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umzugehen. Sie schützt uns auch vor einer Schwächung des Euros und einer neuen, katastrophalen Schuldenkrise in Europa. Allein um die europäischen Fiskalregeln einzuhalten, ist die Wahrung der Schuldenbremse also nötig. Dass unser Staat seiner Verantwortung bei Sicherheit und Infrastruktur nachkommen kann, stellen wir sicher, indem er sich auf seine Kernaufgaben konzentriert. Deutschland ist ein Land voller kreativer Köpfe und tatkräftiger Hände. Wenn die Politik ihnen keine Steine mehr in den Weg legt, sondern gute Rahmenbedingungen für alle schafft, stellt sich neues Wachstum ein und der Staat hat genug Geld, um alle seine Aufgaben zu erfüllen.
KSTA: Wird Trump den Krieg in der Ukraine beenden – mit welchen Folgen?
Das lässt sich noch nicht abschätzen. Es wäre aber ein massives Problem für Deutschland und Europa, sollte Präsident Trump Putin entgegenkommen und so seinen grausamen Eroberungskrieg belohnen. Die Bundesregierung muss deshalb Trump deutlich machen, dass ein Sieg Russlands und die damit einhergehende Verschiebung der internationalen Ordnung nicht im Interesse der USA sind. Rot-Grün hat mit Einmischungen in den amerikanischen Wahlkampf das Verhältnis zur neuen US-Administration enorm belastet. Es wird an der neuen Bundesregierung liegen, die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu reparieren. Das gelingt uns, wenn wir wieder zu wirtschaftlicher Stärke finden und ohne Überheblichkeit und Belehrungen, aber klar und selbstbewusst in der Sache auftreten.
Sollten auch Ukrainer an den Grenzen abgewiesen werden?
Nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie können Ukrainer ohne Asylverfahren europaweit Schutz suchen. Ich plädiere allerdings dafür, dass Flüchtlinge aus der Ukraine künftig nicht mehr automatisch Bürgergeld beziehen, sondern Zuwendungen über das Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Gleichzeitig sollen sie aber weiterhin von den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten des Bürgergelds profitieren. Auch bürokratische Hürden, die derzeit verhindern, dass ukrainische Flüchtlinge in Deutschland schnell eine Arbeit aufnehmen, wollen wir abbauen. Diese Kombination aus Maßnahmen nimmt eine gewaltige Last von unserem Sozialstaat und ermöglicht Schutzsuchenden mehr Teilhabe an unserer Gesellschaft.
![Christian Lindner im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger im Wahlkampfbus.](https://static.ksta.de/__images/2025/02/06/c89216b8-99d0-438a-a162-b58e2cec0e37.jpeg?q=75&q=70&w=2000&h=1334&fm=jpeg&s=e133305fb4a93a6aefff1fa888b1223d)
Christian Lindner im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger im Wahlkampfbus.
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Finden Sie unser Steuersystem gerecht? Treibt es Sie nicht um, dass in unserem Land Superreiche regelrecht betteln müssen, angemessene Steuern zu zahlen? (Annelie Johannemann, Köln)
Deutschland hat eine sehr hohe Steuerlast. Der ausgeschüttete Gewinn eines Unternehmens wird bis zum Besitzer insgesamt mit über 48 Prozent belastet. Sogenannte Superreiche sind in der Regel ja die mittelständischen Unternehmen, die hier Arbeitsplätze sichern und investieren sollen. Die müssen eher ent- als belastet werden, wenn wir die aktuelle Wirtschaftskrise überwinden wollen. Ungerecht ist unser Steuersystem woanders: Derzeit werden Menschen, die sich durch Fleiß, Mut und Mehrarbeit etwas aufbauen wollen, für ihren Einsatz bestraft. Die Freien Demokraten planen eine Steuerreform, die alle Menschen entlastet. Am deutlichsten profitieren von unseren Plänen Steuerpflichtige mit geringem Einkommen. So wollen wir etwa den Grundfreibetrag um mindestens 1000 Euro erhöhen, also 1000 Euro zusätzliches Einkommen ohne Besteuerung ermöglichen. Zudem wollen wir den bezahlten Überstundenzuschlag steuerfrei stellen, den Tarif der Lohn- und Einkommensteuer verschieben und den Solidaritätszuschlag abschaffen. Das alles stärkt nicht nur unsere Wirtschaft, sondern ist auch ein starkes Signal an Arbeitnehmer, dass sich Leistung auszahlt.
Schätzungen zufolge verliert Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung. Warum wird diese gigantische Summe nicht effektiver mit geeigneten Maßnahmen einkassiert? Stattdessen wollen Sie das Bürgergeld kürzen. (Werner Deuß, Köln)
Die Steuerverwaltung und die Steuerfahndung sind Sache der Länder. Hier begrüße ich jede Maßnahme, die zu Effizienz führt. Mit der Sondereinheit beim Bundeszentralamt für Steuern habe ich eine Spezialabteilung eingerichtet, um die Behörden von Bund und Ländern bei der Bearbeitung laufender Fälle stärker zu unterstützen. Als Finanzminister habe ich auch die Bekämpfung der Finanzkriminalität (z.B. Geldwäsche) jenseits der Steuerhinterziehung entschieden vorangetrieben. Unseren Staat bei der Verbrechensbekämpfung schlagkräftiger zu machen bedeutet aber nicht, dass nicht auch in anderen Bereichen Instrumente reformiert werden müssen. Wir setzen uns deshalb für einen aktivierenden Sozialstaat ein, der Bedürftige unterstützt, aber auch Einsatz und Leistung von denjenigen einfordert, die arbeiten können.
Angesichts des wachsenden Reichtums Weniger und der Armut oder Armutsbedrohung Vieler - einschließlich des Staats, der Kommunen und der sozialen Sicherungssysteme: Werden Sie sich in der kommenden Legislaturperiode für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer einsetzen? (Claudia Pinl, Köln)
Auf gar keinen Fall. Deutschlands Wirtschaft befindet sich in der längsten Phase der Stagnation seit Bestehen der Bundesrepublik. Es wäre ein verheerendes Signal, würde der Staat nun Investitionen und wirtschaftlichen Erfolg zusätzlich bestrafen. Die Abwanderung des Kapitals aus unserem Land wäre die Folge, denn Vermögen sind zumeist in Familienbetrieben oder Immobilien gebunden. Deshalb brächte eine Vermögenssteuer auch einen gewaltigen zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich. Um die Schere bei den Vermögen zu schließen, sollten wir stattdessen den Millionen Menschen auch mit geringem und durchschnittlichem Einkommen durch mehr Netto und staatliche Förderung ermöglichen, sich etwas aufzubauen.
Wie stellen Sie sicher, dass meine Rente in den kommenden Jahren stabil bleibt und mit der „tatsächlichen“ Inflation Schritt hält? (Grete Huth, Blankenheim)
Wenn die Wirtschaft wächst, steigen die Löhne und im Zuge dessen auch die Renten. Umgekehrt sinkt unser Lebensstandard, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst. Daher brauchen wir die von mir konzipierte Wirtschaftswende. Zudem profitieren Rentnerinnen und Rentner von den steuerlichen Entlastungen, die ich noch als Finanzminister durchgesetzt habe, damit die Inflation nicht eine heimliche Minderung der Renten verursacht. Das wollen wir in der kommenden Bundesregierung fortsetzen. Mit unseren Plänen für eine Steuerreform wollen wir zudem eine Doppelbesteuerung der Renten verhindern und so dafür sorgen, dass der Staat die Leistung, welche die Rentnerinnen und Rentner während ihres Erwerbslebens erbracht haben, nicht mehrfach belastet. Auch mit der von uns geplanten individuellen Aktienrente sorgen wir wieder für ein steigendes Rentenniveau.
Der wissenschaftlich nachgewiesene, menschengemachte Klimawandel ist die derzeit größte Bedrohung unserer Zukunft. Was gedenken Sie dafür zu tun, dass Deutschland und Europa die festgelegten Klimaziele einzuhalten? (Christian Althoff, Köln)
Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage ist eine wichtige Aufgabe. Klimaschutz geht aber nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Der beste Weg, um unsere Freiheit, Wirtschaftskraft und unseren Lebensstandard zu erhalten und gleichzeitig das Klima zu schützen, ist eine unideologische und marktwirtschaftliche Klimapolitik. Deshalb setzen wir auf den europäischen Emissionshandel. Dadurch werden Wirtschaft und Forschung angehalten, moderne Technologien und Innovationen zu entwickeln, um Emissionen einzusparen. Denn nicht Verbote, sondern Erfindergeist ebnen uns den Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Deshalb wollen wir unter anderem auch die Speicherung von Treibhausgasemissionen, also das sogenannte CCS-Verfahren, ermöglichen. Das derzeitige Ziel Deutschlands, bereits 2045 klimaneutral zu sein, wollen wir an das europäische Ziel von 2050 anpassen. Denn der deutsche Alleingang kostet uns lediglich Wirtschaftskraft und ermöglicht es anderen EU-Staaten, von uns mühsam eingesparte Emissionen zusätzlich auszustoßen.
KSTA: Wie große ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie nochmal rückgängig macht?
Der Weiterbetrieb unserer Kernkraftwerke in Zeiten der Energieknappheit wäre sinnvoll gewesen, scheiterte jedoch an ideologischen Widerständen der Grünen. In den USA investieren Technologieunternehmen eigenes Geld in die neuartigen modularen Kleinkernkraftwerke. Das wollen wir auch in Deutschland ermöglichen, wenn alle Kosten privat getragen werden.
Fahren Sie noch ihren alten Porsche 911? Oder haben Sie sich ein E-Auto zugelegt?
Fahren ist gut. In den letzten zehn Jahren kamen keine 10.000 Kilometer auf den Tacho.
Wie sollen Eigenheimbesitzer ab dem 2027 die erhöhte Grundsteuer, den Umbau auf neue Heizungen, nachträgliche zusätzliche Isolierungen und dann noch die freigegebene CO2-Steuer (die die Energiepreise nahezu verdoppelt) bezahlen? (Eckhart Lissek, Bergheim)
Die eigene Immobilie kann ein wichtiger Bestandteil der Altersvorsorge sein und ist für viele Menschen ein Lebenstraum. Der Staat darf Hausbesitzern und denen, die es werden wollen, deshalb nicht immer weiter Steine in den Weg legen. Wir wollen deshalb den Erwerb und Besitz eines Eigenheims steuerlich vereinfachen und Deutschlands teuren klimapolitischen Sonderweg beenden. Das Heizungsgesetz mit seinen teils ideologischen und überzogenen Vorschriften können wir entschlacken, wenn die Grünen nicht mehr an der Regierung beteiligt sind. Außerdem wollen wir das Klimageld einführen und die Energiebesteuerung, also die Stromsteuer, drastisch reduzieren, damit die Kosten des Klimaschutzes nicht an den Eigenheimbesitzern hängen bleiben.
Warum sperrt sich die FDP so vehement gegen ein Tempolimit 130 auf Autobahnen? (Herbert Wölfl, Leverkusen)
Ein Tempolimit auf Autobahnen wäre reine Symbolpolitik, die weder der Sicherheit noch der Umwelt zuträglich ist. Deutschlands Straßen zählen bereits zu den sichersten der Welt. Nicht generelle Verbote, sondern technologische Innovationen und Digitalisierung werden die Sicherheit noch weiter steigern und die Emissionen reduzieren.
Was wollen Sie tun, um die immer größere Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land wieder zu schließen? (Lisa Härig, Köln)
Die Vermögensungleichheit in unserem Land bekämpfen wir, indem wir es allen ermöglichen, eine solide finanzielle Grundlage aufzubauen. Mit unserer Steuerreform stellen wir sicher, dass sich Arbeit für alle in Deutschland lohnt und vor allem Geringverdiener einen größeren Teil ihres Gehalts behalten können. Der von uns geplante Grunderwerbssteuerfreibetrag wird vielen Menschen in Deutschland den Weg zur eigenen Immobilie deutlich erleichtern. Zudem wollen wir die Aktienkultur in unserem Land stärken und es so auch Menschen mit normalem Einkommen erleichtern, wirtschaftliche Unabhängigkeit aufzubauen. Denn anders als von manch linkem Politiker behauptet, sind Aktien keine Anlageoption nur für Zocker und Millionäre. Tatsächlich sind sie der beste Weg, um die soziale Schere zu schließen. Etwa um Altersarmut vorzubeugen und unsere Rentenversicherung zu entlasten, wollen wir ein Altersvorsorgedepot einführen, bei dem der Staat bis zu einer bestimmten Grenze jeden in Wertpapiere investierten Euro mit 20 Cent fördert. Durch die Steuerfreiheit der Erträge und den Zinseszinseffekt kommen so auch bei mittleren Einkommen im Laufe des Erwerbslebens hohe sechsstellige Summen zusammen.
KSTA: Kann man Bürgergeldempfänger in Deutschland als „arm“ bezeichnen?
Der deutsche Armutsbegriff ist relativ. Menschen ohne Arbeit sind natürlich oft arm. Das Bürgergeld deckt die Grundbedürfnisse der Menschen ab. Wir wollen auch weiterhin dafür sorgen, dass Menschen nach einem Schicksalsschlag oder durch einen Jobverlust nicht ins Bodenlose abrutschen. Allerdings darf das Bürgergeld nicht als bedingungsloses Grundeinkommen missverstanden werden. Indem wir einen Sozialstaat schaffen, der Arbeitsanreize setzt, und gleichzeitig die berufliche Weiterbildung fördern, verhelfen wir den Menschen schneller wieder in die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Davon profitieren alle, denn Arbeit ist nicht nur Broterwerb, sondern ordnet auch den Alltag und vermittelt das Gefühl, gebraucht zu werden.
Könnte man nicht große Firmen, Großkonzerne und börsennotierte Unternehmen dazu verpflichten, betriebseigene Kindergärten zu unterhalten? Mit steuerlicher Entlastung dieser Unternehmen. Vorteil: Während Vater und/oder Mutter arbeiten, werden auf der Arbeitsstelle die Kinder betreut. (Werner Deuß, Köln)
Erleichterung der Einrichtung von Betreuungsstätten statt Verpflichtung wäre ein guter Weg. Denn die Arbeitgeber haben ja ein Eigeninteresse. Die mangelnde Kinderbetreuung in Deutschland ist ein großes wirtschaftliches Hemmnis. Sie zwingt viele junge Eltern dazu, gar nicht oder nur in Teilzeit zu arbeiten, auch wenn dies nicht gewollt ist. Dem Arbeitsmarkt gehen dadurch viele wertvolle Arbeitskräfte verloren. Gerade Mütter werden zudem durch dieses Problem oftmals in ihrer beruflichen Entwicklung behindert. Das müssen wir schnellsten ändern. Familie und Beruf müssen für alle vereinbar sein. Deshalb wollen wir den Ausbau einer flächendeckenden, ganztägigen Kinderbetreuung zügig vorantreiben. Wir wollen auch Betriebskitas steuerlich stärker fördern und bürokratische Hürden in diesem Bereich abbauen.
KSTA: Treten Sie als Parteichef zurück, wenn die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert?
Ich konzentriere mich ausschließlich auf den 23. Februar und bin sicher, dass die FDP im nächsten Bundestag vertreten sein wird. Meinen ersten Wahlkampf als Spitzenkandidat habe ich 2012 in NRW geführt. Damals standen wir wenige Wochen vor der Wahl bei zwei Prozent – am Ende waren es dann 8,6 Prozent.
Sie werden in diesem Frühjahr Vater. Wie verändert das Ihren Blick auf die Dinge?
Fundamental. Familie ist das Wichtigste und ich habe das große Glück, dass unsere wächst.