Es ist die Festnahme, die in ganz Deutschland Schlagzeilen macht. Eine Düsseldorfer Firma soll als Medium zur Kontaktaufnahme gedient haben.
Technologie und Wissen abgeschöpftEin Ehepaar aus Düsseldorf steht im Verdacht, für China spioniert zu haben
Der Weg der Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) führte am Montagmorgen zu einem weißgetünchten Hochhaus in Düsseldorf-Pempelfort. Hier residierten Ina F. und ihr Mann Herwig. Von hier aus lenkten sie die Firma Innovative Dragon Limited. Laut eigenen Angaben ein Unternehmen mit „30-jähriger Erfahrung und Wissen im Initiieren, Planen und Durchführen von Innovationsprojekten“, um optimale Vermarktungschancen zu konzipieren.
Auf den ersten Blick wirkt die Homepage der Firma wie eine wohlklingende Eigenwerbung eines seriösen international tätigen Unternehmens mit Hauptsitz in London und einer Filiale in Shanghai. Tatsächlich aber soll sich hinter der Fassade eine Spionagestelle für den chinesischen Geheimdienst MSS befunden haben. Die BKA-Beamten führten das Ehepaar F. am Montag ab. Auch ihr 59-jährige Firmen-Geschäftspartner Thomas R. wurde in Bad Homburg festgesetzt. Die beiden Männer sitzen in Untersuchungshaft, die festgenommene Frau soll am Dienstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.
Der Unternehmensberater war bei „IDragon“ zuständig für Investoren-Angelegenheiten. Zudem fungierte er laut Bundesanwaltschaft als Chef einer zweiten Tarnadresse im hessischen Hochtaunus. In Bad Homburg leitete der Unternehmensberater, nach eigenen Angaben auf deutsch-chinesische Technologie Transferprojekte spezialisiert, den gemeinnützigen Verein „SmartCity Vereinigung zur Förderung urbaner Mobilität“. Offiziell wollte der Verein wissenschaftliche Forschungsprojekte und Studien zu den Auswirkungen der Elektromobilität und des autonomen Fahrens unterstützen. Zweiter Zweck: Informationen über neue Technologien vermitteln.
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Tatverdächtiger will 150 Patente mit mehr als 300 Erfindungen entwickelt haben
Wie aber sieht die Vorgeschichte der drei Tatverdächtigen aus ? Ina F. Geschäftsführerin von „IDragon“ studierte Germanistik und Politik, arbeitete seit 1982 als Unternehmensberaterin. Auf ihrer Homepage geht sie insbesondere mit ihren hervorragenden Geschäftsverbindungen in den asiatischen Markt hausieren. Herwig F. gab den technischen Leiter in der Firma. An der Rheinisch-Technischen Hochschule in Aachen studierte er Luft- und Raumfahrzeugbau mit Schwerpunkt Antriebstechnik und Verbund-Faserwerkstoffe. In den 70er Jahren machte er sich selbstständig. Seither will er 150 Patente mit mehr als 300 Erfindungen entwickelt haben. Offiziell betreute Thomas R. Investoren. Dazu soll laut Bundesanwaltschaft auch ein Geheimdienstler des MSS gehört haben.
Seit Jahrzehnten sollen die drei Beschuldigten in Deutschland für die chinesische Regierung spioniert haben. Von seinem chinesischen Verbindungsoffizier soll Thomas R. laufend Aufträge erhalten haben, neuen technischen Input zu beschaffen. Peking bezahlte pro Job üppig – oft fünftstellige Summen. Dafür lieferten die Deutschen den Erkenntnissen der Bundesermittler zufolge Know-How aus Deutschland. Offenbar ging es bei den Beschuldigten nicht so sehr um ein ideologisches Motiv, sondern um rein finanzielle Interessen.
China will zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt aufsteigen
Seit Jahren warnen die Staatschützer vor der Spionageoperationen chinesischer Dienste im Bereich Politik, Wirtschaft und Forschung. Im Mai 2015 verabschiedete der chinesische Staatsrat die Strategie „Made in China 2025“. Dieses Programm zielt darauf ab, mit allen Mitteln zur stärksten Wirtschafts- und Militärmacht der Welt aufzuwachsen. Der Schwerpunkt dabei liegt laut einer Analyse des Bundesamtes für Verfassungschutz (BfV) auf zehn Zukunftsbranchen: Meerestechnik und Schifffahrt, Schienenverkehrstechnik und Eisenbahn, neue Energien und alternative Antriebe, neue Werkstoffe, Landwirtschaft, Medizintechnik, elektrische Ausrüstung, Industrierobotik und Roboterbau, neue Informationstechnologien sowie Luft- und Raumfahrttechnik. Zugleich versuchen die Dienste entsprechendes Wissen für ihren stark wachsenden Militärapparat zu generieren.
BfV-Chef Thomas Haldenwang befürchtet seit längerer Zeit eine Zunahme chinesischer Spionageversuche in Deutschland. „China entfaltet breit gefächerte Ausspäh- und Einflussaktivitäten", sagte Haldenwang. Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese in den kommenden Jahren noch zunehmen werden." So rücke seit einigen Jahren auch die Ausspähung von Politik ins Visier. Früher habe der Fokus auf Wirtschaftsspionage gelegen. Aus wirtschaftlichen Abhängigkeiten könne auch eine politische Einflussnahme entstehen. Chinas Strategie sei langfristig angelegt: „Die politische Führung setzt ihre wirtschaftliche Macht - die sich auch aus intensiven Beziehungen zur deutschen und europäischen Wirtschaft ergibt - bereits zur Umsetzung politischer Ziele ein", sagte Haldenwang.
Hackerschaden für die deutsche Wirtschaft: 203 Milliarden Euro
Längst geraten Unternehmen ins Zielfeld staatlich gelenkter chinesischer Hacker. Der deutschen Wirtschaft entsteht ein jährlicher Schaden von rund 203 Milliarden Euro durch Diebstahl von IT-Ausrüstung, Daten, Spionage und Sabotage, berichtete der Digitalverband Bitkom Ende August 2022. Im vergangenen Jahr warnte NRW-Innenminister Herbert Reul vor der Gefahrenlage durch die digitale Wirtschaftsspionage. Insbesondere hob er auf Angriffe durch „Russland, China, Nordkorea und vielen anderen Staaten“ ab.
Peking setzt unter anderem auf so genannte „Speer-Angriffe“ (Spear-Phishing): Dabei werden gefälschte E-Mails gezielt an das Führungspersonal verschickt. Zuvor forscht die fernöstliche Supermacht das persönliche Umfeld aus, um einen möglichst realistischen Eindruck zu vermitteln und folglich geheime Informationen zu erhalten. Die Sicherheitsbehörden sprechen von der berüchtigten Methode des Social Engineerings. Dabei werden ahnungslose Mitarbeiter manipuliert, um Betriebsgeheimnisse auszuspähen. Diebstahl ist billiger als Entwicklung. Hauptsächlich schöpfen die Agenten aus China Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, Lieferanten- und Kundendaten sowie Unternehmensstrategien ab. Oder man legt mit Hilfe digitaler Sabotage ganze Produktionsabläufe lahm, um immense Schäden zu verursachen.