Tafelbesucher erhalten pro Woche Lebensmittel im Wert von rund 50 Euro. Müssen Tafeln eine Dauereinrichtung sein?
„Showveranstaltung“Bedürftige kritisieren Tafel-Besuch von Wüst – „Politiker sollten sich schämen“
Petra, Yvonne und Claudia stehen mit ihren leeren Einkauftaschen vor der Tür der Tafel in Essen-Steele und warten darauf, dass sie eingelassen werden. Die drei Frauen kommen jeden Montag um 13 Uhr zum Diether-Krebs-Platz am Wasserturm , doch diesmal ist alles anders als sonst.
Vor dem Gebäude parken zwei schwarze Limousinen mit Blaulicht auf dem Dach. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ist gerade eingetroffen – er will sich im Rahmen seiner Sommertour über die Arbeit der Tafel informieren. „Die Politiker sollten sich schämen, dass so viele Menschen in Deutschland auf Lebensmittelspenden angewiesen sind“, sagt Petra und schüttelt den Kopf.
In Nordrhein-Westfalen gibt es 170 Tafeln
In NRW gibt es 170 Tafeln, die sich um die Versorgung von Bedürftigen kümmern. Die Nachfrage ist enorm. Die Tafel in Essen verteilt wöchentlich Lebensmittel an rund 6000 Menschen im Stadtgebiet. Der Einsatz lohnt sich, viele Lebensmittel müssen nicht weggeworfen werden. Das Land unterstützt die Tafeln mit 1,4 Millionen Euro im Jahr.
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Laut dem Statistischen Landesamt IT NRW fehlt hunderttausenden Menschen nach eigener Einschätzung das Geld für eine tägliche vollwertige Mahlzeit. Petra hat seit ihrem 17. Lebensjahr gearbeitet, zuletzt als Versandmitarbeiterin. Ihre Rente ist gering, am Ende bleiben ihr 450 Euro im Monat. „Davon muss ich aber noch Strom, die Handyrechnung und eben alle Lebensmittel bezahlen“, erzählt die 63-Jährige. „Ohne die Tafel wäre ich aufgeschmissen. Ich würde Wüst gerne mal fragen, ob er das für normal hält.“
„Wenn der Wüst-Besuch uns schon nicht hilft, dann hoffentlich den Helfern“
Dazu kommt es aber nicht. Wüst unterhält sich hinter verschlossenen Türen mit dem Chef der Ausgabe, Ehrenamtlern und Bedürftigen. „Die Tafeln sind für manche Menschen ein kaum verzichtbares Hilfesystem“, sagt der Ministerpräsident später zu den Journalisten. „Die Menschen, die hier bei der Tafel ehrenamtlich arbeiten, leisten eine wichtige und herausragende Arbeit.“ Das finden auch die drei Freundinnen. „Wenn der Wüst-Besuch uns schon nicht hilft, dann hoffentlich den Helfern“, sagt Claudia.
SPD-Sozialexpertin Lena Teschlade kritisierte den Wüst-Auftritt als „Showveranstaltung: Die Landesregierung macht Tafeln zu einer Dauereinrichtung - sie legt die eigene politische Verantwortung in die Hände der sozialen Einrichtungen, anstatt die Ursachen für Armut zu bekämpfen. Inzwischen haben wir in vielen Städten mehr Ausgabestellen der Tafeln als „McDonald’s-Filialen.“
Ralf Witzel, FDP-Politiker aus Essen sieht das ähnlich: „Es ist schön, wenn sich der Ministerpräsident für die Situation von bedürftigen Menschen im Ruhrgebiet interessiert. Besser wäre es, wenn er auch im praktischen Regierungshandeln mit einer beherzten Wirtschafts- und Migrationswende im Land dafür sorgen würde, dass weniger Fallzahlen von Bedürftigkeit vorliegen.“