Im Kampf gegen den Fachkräftemangel will NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) neue Wege beschreiten.
Neue FachkräfteoffensiveNRW will Flüchtlinge schneller in Arbeit bringen und nicht auf Integrationskurse warten
Nicht mehr bloß vom Fachkräftemangel reden, sondern möglichst alle Potenziale ausschöpfen, die rein rechnerisch dem regionalen Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen. Mit dieser Methode wollen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Roland Schüßler, Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, eine Krise meistern, in die das Industrieland in den kommenden Jahren hineinzuschlittern droht.
Zahl der Erwerbstätigen sinkt rasant
In den kommenden zehn Jahren, warnte Schüßler am Freitag in Düsseldorf, werde sich die Zahl der Erwerbstätigen im bevölkerungsreichsten Bundesland um fünf bis sieben Millionen Menschen verringern. Erste Anzeichen dafür gibt es längst.
2024 wird die Zahl der offenen Ausbildungsstellen mit 108.000 branchenübergreifend erstmals die Bewerber (103.000) übersteigen. In 51 Berufen quer durch alle Branchen kann der Fachkräftebedarf schon heute nicht mehr gedeckt werden. „Das gilt für die technischen Berufe, für das Gastgewerbe, für die Bau- und Ausbauberufe, für Verkehr und Logistik, für Gesundheitsberufe und Altenpflege“, so Schüßler. „Jetzt geht es darum, alle Aktivitäten zu bündeln.“
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Die Fachkräfteoffensive, die die Landesregierung mit der Arbeitsagentur, den IHKs und Handwerkskammern gestartet hat, soll 2024 mit klaren Schwerpunkten auch zu konkreten Ergebnissen führen.
Übergangslotsen für Schulabgänger
Im Sommer 2024 sollen alle 175.000 Jugendliche, die die 2200 Schulen und 400 Berufskollegs verlassen, bei Bedarf auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz unterstützt werden. Trotz der 327 Ausbildungsberufe und mehreren Tausend Studiengängen „erleben wir in den Beratungen viele jungen Menschen, die als orientierungslos zu bezeichnen sind“, sagte Schüßler.
Rund 10.000 Schülerinnen und Schüler, die sich derzeit an den Berufskollegs in der Ausbildungsvorbereitung befinden, sollen von 130 Übergangslotsen bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle oder einem Praktikumsplatz unterstützt werden. „Das Übergangssystem von der Schule in den Beruf werden wir uns zuerst anschauen“, sagte Arbeitsminister Laumann. „In den Berufsschulen in NRW haben wir 31.000 junge Leute, die lernen, ohne dass es zu einem Berufsabschluss kommt.“
Insgesamt stellt das Land für verschiedene Lotsenprogramme mit mehr als 870 Coaches und Begleitern pro Jahr 55 Millionen Euro bereit. Das Geld kommt überwiegend aus Mitteln des europäischen Sozialfonds.
Vermittlungsoffensive für Arbeitslose
Trotz des Fachkräftemangels sind in NRW immer noch 711.000 Menschen arbeitslos, darunter 450.000 ohne Berufsabschluss. Die Gesamtquote liegt bei 7,2 Prozent, bei den Ungelernten sind es 23 Prozent. Zwar werden quer durch alle Branchen 150.000 offene Stellen angeboten, davon sind jedoch nur 30.000 für Ungelernte geeignet.
„Es ist unser Ziel, arbeitsuchende Menschen im Leistungsbezug schnell erfolgreich in Arbeit zu vermitteln. Die Leistungsberechtigten sollen von den Jobcentern schnellstmöglich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden und konkrete Angebote zur Integration in Arbeit oder Ausbildung unterbreitet bekommen. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass diejenigen, die arbeiten können, auch arbeiten gehen. Wir sollten daher erwarten, dass diese Angebote auch genutzt werden. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass die Menschen irgendwann das Vertrauen in den Sozialstaat verlieren. Das wäre fatal“, so Minister Laumann.
Bei Geflüchteten sollen Job und Spracherwerb parallel laufen
Rund 108.000 Flüchtlinge aus der Ukraine und weitere 80.000 Asylsuchende aus den acht wichtigsten Krisenregionen wie Syrien, Iran und Irak sollen schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Diese Menschen zunächst in Integrationskurse zu schicken, anschließend ihre Berufsabschlüsse auf eine mögliche Anerkennung zu prüfen und danach mit der Orientierung und Beratung zu beginnen, sei viel zu langwierig. „Wir müssen diese Menschen schnellstmöglich in Arbeit bringen und die Sprachkurse und Qualifizierungen parallel anbieten“, sagte Schüßler. Ab sofort wird die Arbeitsagentur ihre Vermittler in die Integrationskurse schicken und die Qualifizierungen abzufragen.
Arbeitsminister Laumann will die Berufsanerkennung bei Arbeitskräften aus dem Ausland erleichtern. Das Land schließe allein in den Gesundheitsberufen pro Jahr 8000 Verfahren ab. „Wenn 60 junge Menschen mit Deutschkenntnissen aus Indien zu uns kommen, um eine Ausbildung in der Pflege machen, die dort alle die gleiche Schulform besucht haben, muss man nicht jeden Einzelfall prüfen. Dann sucht man beispielhaft einen heraus und macht an die anderen 59 einfach einen Haken.“