NRW produziert bei weitem die meisten Fernsehminuten. In Köln trafen sich Produzenten mit Medienminister Nathanael Liminski.
Film und Fernsehen720.000 Minuten made in Nordrhein-Westfalen
720.000. So viele Minuten Fernsehprogramm wurden im Jahr 2020 in Deutschland produziert, und davon nahezu die Hälfte in Nordrhein-Westfalen. Was auf deutsche Bildschirme gelangte, ob ein „Tatort“ aus Köln, Münster oder Dortmund oder „Die Höhle des Löwen“, kam zu 46 Prozent von Rhein und Ruhr. Macht insgesamt: 331.200 Programmminuten. Danach kommt lange nichts, mit 22 Prozent belegt Bayern dann den zweiten Platz.
Köln ist eine Kulturmetropole - und deshalb anregend
Alles in bester Ordnung also am Medienstandort NRW. Herrscht eitel Sonnenschein, in dem sich die Produzenten und Produzentinnen vor allem in der einstmals so getauften deutschen Fernseh-Hauptstadt Köln wärmen können? Wurde doch gerade Köln – auch das ist ein Ergebnis der „NRW Produktionsstudie“ des Medienwissenschaftlers Klaus Goldhammer – von Film- und Fernsehmachern über den grünen Klee gelobt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Stadt eine Medien-, aber ganz grundsätzlich eine Kulturmetropole und deswegen anregend sei.
Ganz so vollmundig will man aber nicht zufrieden sein. Vieles sei verbesserungswürdig, findet Nathanael Liminski (CDU), Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf und als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten auch zuständig für die Medienpolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland. Liminski war Teilnehmer eines Treffens in der Kölner Wolkenburg, zu dem die Film- und Medienstiftung NRW, der Film- und Medienverband e.V. und die Staatskanzlei Produzentinnen und Produzenten eingeladen hatte. Klaus Goldhammer stellte in dieser Runde seine Studie vor – vor allem aber ging es um Meinungsaustausch, und dieser fiel, vielleicht auch nach den vielen entsagungsreichen Videoschalten in der Corona-Zeit, äußerst lebendig und offen aus.
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Strukturwandel durch die Kraft der Medien
Keine Frage, der Medienminister ist froh und stolz angesichts der Minutenrekorde, die Nordrhein-Westfalen im Fernsehen, und hier vor allem im Unterhaltungsbereich, bei den Daily Soaps, Shows und Scripted-Reality-Formaten aufstellt. Während der Pandemie hat das Land im Entertainment-Segment nach Goldhammers Erkenntnissen sogar noch einmal zulegt, während die Kinoproduktion zum Beispiel eingebrochen ist.
Doch in Nordrhein-Westfalen ist man einst angetreten, noch unter der Ägide von Johannes Rau und Wolfgang Clement, einen wahren Strukturwandel durch die Kraft der Medien zu bewirken – weg vom Land aus Kohle und Stahl, hin zu einem smarten Standort, an dem man bereits in den frühen 90ern von Digitalisierung schwärmte. Dass es damit schneller vorangehen könnte, nicht nur beim Netzausbau und in den Schulen, ist für den CDU-Mann Liminski anno 2023 noch immer eine zu bewältigende Aufgabe.
Und überhaupt: NRW will nicht allein Unterhaltungsweltmeister sein, sondern auch mit hochwertigen Serien und mitreißendem Kino glänzen. An diesem Punkt wird Minister Liminski nahezu feierlich. An Rhein und Ruhr, sagt er, fänden sich die Stoffe und die Kulissen für die großen Menschheitsthemen, ja für „die Metathemen der Menschheit“. Ein wenig nüchterner hatte es vor ihm der Kölner Produzent Herbert Schwering von Coin-Film formuliert: Man müsse „dem Land seine Bilder geben“, erinnerte er an einen alten Slogan.
Was beide meinen, könnte auf dasselbe hinauslaufen: Wie Bayern etwa mit seinen Eberhofer-Heimatkrimis ein Identitätsgefühl stiftet, wie hier allgemeingültige menschliche Konflikte vor einer unverwechselbaren Landschaft ausgetragen werden, habe auch NRW das Zeug dazu, zu einer Art Filmikone werden.
Weil Dreharbeiten in der Nacht in Köln verboten sind, vor allem aber, weil es an inländischen Finanzierungsanreizen mangelt, musste die Netflix-Serie „Barbaren“ in Budapest und Krakau gedreht werden. Davon berichtete Sabine de Mardt, die als Geschäftsführerin von „Gaumont“ in Köln einer der ehrwürdigsten Firmen der Film- und Fernsehgeschichte europaweit vorsteht. Doch gerade die Produktion fiktionaler Werke wirke eben identitätsstiftend, auch im Bindestrichland Nordrhein-Westfalen, meint sie. Das verleihe „Sexyness“.
PS nicht richtig auf der Straße - etwa beim Marketing
Auch in anderer Hinsicht kommen unterdessen „die PS nicht richtig auf die Straße“, so war man sich beim Treffen in der Wolkenburg vielfach einig: Zwar verfügt Köln über zwei renommierte Ausbildungsinstitute, die Internationale Filmschule ifs sowie die Kunsthochschule für Medien, doch zu viele Absolventen verlassen die Stadt in Richtung Berlin – wo sich nach Goldhammers Studie mittlerweile auch mehr Produzenten tummeln als in NRW. Bayern, vor allem München, spielt unterdessen trotz geringerer Leistung virtuoser auf der Klaviatur des Standort-Marketing: „Da ist Luft nach oben“, sagt Liminski, da sei man selbst in Köln eher westfälisch unterwegs als weltoffen rheinisch.
Dabei hat Köln wie ganz Nordrhein-Westfalen in Liminski einen Politiker an der Seite, der die Förderung der Medien nicht nur engagiert, sondern auch mit Sachkenntnis betreibt. Zuletzt hat er seine Kollegen in den anderen Bundesländern gedrängt, Koproduktionen steuerlich zu erleichtern und damit für mehr Internationalität im deutschen Film gesorgt: „Darüber sind wir sehr glücklich und danken Minister Liminski für seine Unterstützung“, zeigt sich Rafaela Wilde vom nordrhein-westfälischen Film- und Medienverband voll des Lobes. Zudem schätze sie, dass die Stadt Köln bis hin zur Oberbürgermeisterin Film und Fernsehen wieder mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen scheint – etwa durch die Aufwertung der „Medienstabsstelle“. „Wir haben alles, nur weiß es keiner“, fasst Wilde das leider allzu gewohnte Standort-Marketing Made in Cologne zusammen.
Was Köln hat: Mit dem WDR den größten öffentlich-rechtlichen, mit RTL den größten Privatsender. Es gibt ein Filmfestival, das Liminski am liebsten ausbauen würde, so wie er überhaupt gerne Streaming-Dienste wie Netflix mit Dependancen nach NRW und noch mehr große Filmproduktionen ins Land locken würde – wie „Spencer“ mit Kristen Stewart zum Beispiel, der Mittel der Film- und Medienstiftung erhielt und zum Teil in NRW gedreht wurde.
Die Stiftung tut darüber hinaus alles, NRW zu einem umfassenden „Produktionsstandort“ zu machen, wie Geschäftsführerin Petra Müller sagt – mit der Förderung von Games etwa, oder mit dem „Seriencamp“ in Köln. Zudem: Die Plattform-Produktionen, alles also, was der expandierende Markt der Streamingdienste hervorbringt, wird immer wichtiger, sagt Petra Müller. Darauf müssten sich der Standort wie die dort ansässigen Produzenten einstellen.
Was die Stadt schließlich noch hat, sind die MMC Studios im Stadtteil Ossendorf, räumlich und technisch bestens ausgestattet und fit für den internationalen Markt – das hat man etwa mit dem Thriller „7500“ mit Joseph Gordon-Levitt bewiesen. Gerade hat die Firma „eitelsonnenschein“ von Autor, Regisseur und Produzent Lutz Heineking hier „Der Pfau“ gedreht, eine große Kinoproduktion, über die sich alle Beteiligten „wie Dingens“ freuen. Demnächst hat der Film Weltpremiere. Wo? Im Cinedom in Köln natürlich.