Aus Oppositionssicht wurden bei den Haushaltsberatungen 2022 demokratische Rechte verletzt. Ein Fall für das Verfassungsgericht.
Haushaltsstreit in NRWSPD und FDP reichen weitere Verfassungsklage zu Etat-Beschlüssen ein
Die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP reichen im Zusammenhang mit den Haushaltsbeschlüssen im vergangenen Dezember eine weitere Klage vor dem Verfassungsgerichtshof ein. Das kündigten die Vorsitzenden, Thomas Kutschaty (SPD) und Henning Höne (FDP), am Freitag in Düsseldorf an.
Diesmal gehe es grundsätzlich darum, ob es zeitliche Mindestuntergrenzen geben müsste, damit Abgeordnete und Fraktionen angemessen beraten könnten, erläuterte der Münsteraner Rechtswissenschaftler Hinnerk Wißmann.
Kutschaty: „Landesregierung hat uns die Pistole auf die Brust gesetzt“
Die Oppositionsfraktionen beklagen, dass vermeintliche Notlagen-Beschlüsse „im Dalli-Dalli-Verfahren durch das Parlament gepeitscht“ worden seien.
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„Die Landesregierung hat uns allen die Pistole auf die Brust gesetzt“, kritisierte Kutschaty. Beim „chaotischsten Haushaltsverfahren in der Geschichte des Landes“ seien Rechte der Parlamentarier massiv verletzt worden.
Wißmann monierte: „Panik-Modus ist zum neuen Normalfall geworden.“ Der Verfassungsgerichtshof in Münster erhalte durch die Klage gegen den Landtag Gelegenheit, Untergrenzen zu markieren. „Es geht um die Tiefen-Grammatik des Verfassungsstaats“, unterstrich der Jura-Professor. Letztlich gehe es auch um eine funktionierende Gewaltenteilung.
Erste Klage bereits im April
Die beiden Oppositionsfraktionen hatten bereits im vergangenen Monat Verfassungsklage in Münster eingereicht. Die gebündelten Normenkontroll- und Organstreitverfahren richten sich unter anderem gegen Kreditaufnahmen im Herbst vergangenen Jahres im Zusammenhang mit der Corona-Krise und gegen die Einrichtung eines Sondervermögen wegen des Ukraine-Kriegs. Aus Sicht von SPD und FDP wurden dabei das Budgetrecht des Landtags und teils die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verletzt.
Die Opposition hatte bereits während der Haushaltsberatungen gemahnt, dass fünf Milliarden Euro neue Schulden - deklariert als Sondervermögen - verfassungswidrig seien könnten. Ende Dezember war der Etat 2023 dennoch mit den Stimmen der schwarz-grünen Koalition verabschiedet worden, samt dem sogenannten Sondervermögen „Krisenbewältigung“.
Das Verfassungsgericht entscheide, ob die neue Klage, mit der vorherigen zusammen verhandelt werde oder getrennt, erklärte der Münsteraner Verfassungsrechtler Martin Beckmann. Denkbar wäre etwa eine Vorgabe, wonach die Geschäftsordnung des Landtags verfassungsgemäß ausgelegt werden müsse. In Münster könne mit einer solchen Entscheidung über die Parlamentsrechte Verfassungsgeschichte geschrieben werden, betonte Ex-Justizminister Kutschaty.
Unparlamentarischen Trend auf die Spitze getrieben
Bislang könnten die Regierungsfraktionen mit einfacher Mehrheit das Beratungsverfahren bestimmen und Widersprüche niederstimmen, kritisierte Höne.
CDU und Grüne hätten bei den Haushaltsberatungen einen unparlamentarischen Trend auf die Spitze getrieben: „Je größer und je weitreichender die Beschlüsse und ihre Folgen sind, desto schneller werden die Entscheidungen getroffen.“ Verkürzte Verfahren seien aber allenfalls akzeptabel, „wenn externe Effekte über einen hereinbrechen“. Für Situationen, in die sich die Regierung selbst hineinmanövriere, könne das jedoch nicht in Anspruch genommen werden.(dpa)