Ein bekanntes Mitglied der Jugendorganisation bezeichnete sich bereits als „das freundliche Gesicht des NS“.
Verfassungsschutz beobachtet AfD-JugendVerbindungen der Jungen Alternative NRW zu Rechtsextremen sind gut dokumentiert
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz führt die „Junge Alternative Nordrhein-Westfalen“, den Jugendverband der AfD, fortan als Verdachtsfall. Das teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstagmorgen in Düsseldorf mit. „Die Hinweise haben sich verdichtet, dass die Junge Alternative nicht nach demokratischen Spielregeln spielt, sondern das eigene rechtsextremistische Regelwerk vorzieht“, sagte Reul. Der Verfassungsschutz sehe Bestrebungen innerhalb der Jungen Alternative NRW, „die sich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung richten“.
Nicht nur die rechtsextremistischen Töne seien nach Einschätzung des Verfassungsschutzes lauter geworden. „Es tummeln sich auch mehr Personen mit rechtsextremistischen Biografien bei der Jungen Alternative“, so der NRW-Innenminister. Zudem werbe der NRW-AfD-Nachwuchs in den sozialen Medien etwa für die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“.
Junge Alternative taucht im nächsten NRW-Verfassungsschutzbericht auf
Die Beobachtung der Jungen Alternative bedeutet: Künftig kann der Verfassungsschutz die Nachwuchsorganisation in NRW gezielt in den Blick nehmen, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Bisher wertete der Geheimdienst nur offen verfügbares Material über die Junge Alternative NRW aus – zum Beispiel eigene Veröffentlichungen der Organisation oder Presseberichte.
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Über den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln müsse jeweils eine Einzelfallprüfung entscheiden, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber dieser Zeitung. „Eingriffsintensive Mittel wie z. B. eine Telekommunikationsüberwachung unterliegen dabei sehr strengen Voraussetzungen und besonderer parlamentarischer Kontrolle.“ Im nächsten Verfassungsschutzbericht werde man wahrscheinlich mehr Informationen über die Junge Alternative haben als heute, sagte Reul.
Trotzdem müsse man sich mit Organisationen wie der Jungen Alternative auch politisch auseinandersetzen: „Am besten schon von Anfang an“, so der NRW-Innenminister. Man müsse bessere Politik für die Menschen machen, Probleme benennen und Lösungen anbieten. „Wir müssen den Menschen in diesem Land unsere Entscheidungen auch vernünftig erklären. Wir müssen das Vertrauen in die Demokratie stärken, unsere Demokratie wieder attraktiver machen“, sagte Reul.
Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung
Ihren Ruck nach rechts versteckt die Junge Alternative in NRW mittlerweile kaum noch. Auf ihrer Webseite vertreibt sie offen fremdenfeindliche Sticker. Einer zeigt einen Waschbären mit Turban, langem Bart und Maschinengewehr, der Schriftzug dazu lautet: „Invasive Arten abschieben“. Auf seinem Telegram-Kanal teilt der Landesverband ein Video eines jungen AfD-Politikers, seine Rede beginnt mit den Worten: „Mein Name ist Arnold. Das ‚A‘ steht für Abschieben“. Mehrere Links in dem Telegram-Kanal führen zu der Webseite von „Ein Prozent“, ein Verein, der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet wird.
Matthias Helferich, Junge-Alternative-Aushängeschild und Bundestagsabgeordneter aus Dortmund, hatte sich in innerparteilichen Chats vor einigen Jahren als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet. Er moniert in seinem Telegram-Kanal, man solle den deutschen Schriftsteller und Nationalisten Ernst Moritz Arndt nicht auf seine antisemitischen Schriften reduzieren. Auf seiner Webseite finden sich Flyer, auf denen er „millionenfache Remigration“ fordert. Vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ nach seinen Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung gefragt, antwortete Helferich: „Ich glaube nicht, dass man sich von einer Organisation distanzieren muss, die friedlich und für ähnliche Ziele, wie es auch die AfD auf dem parlamentarischen Parkett tut, eintritt.“ Die Junge Alternative NRW teilte das dazugehörige Video auf dem eigenen Telegram-Kanal.
Diese Annäherung an die Identitäre Bewegung überrascht nicht, denn die Kontakte zwischen AfD-Nachwuchs und den Rechtsextremisten der Identitären Bewegung sind gut dokumentiert. Schon 2018 wies der „Kölner Stadt-Anzeiger“ dem Leverkusener AfD-Chef und Mitglied des Stadtrats Yannick Noé eine Verbindung zur Identitären Bewegung nach. Noé war damals Vorstandsmitglied der Jungen Alternative in NRW. Der Jungpolitiker hatte den IB-Chefideologen, den Österreicher Martin Sellner, nach Leverkusen eingeladen und ihn für dessen Auftritt bezahlt – trotz eines gültigen Unvereinbarkeitsbeschlusses, der den Mitgliedern der AfD eine Zusammenarbeit mit der IB verbot. Sellner hat in der Vergangenheit nicht versucht, seine Neonazi-Vergangenheit zu verstecken.
Zwischen den Akteuren gab es weitere geschäftliche Verbindungen: So rief Noé bereits Ende 2017 zu Spenden für die IB auf, die Organisation wiederum zahlte für ein ganzseitiges Inserat in Noés Magazin für Nachwuchsrechte „Arcadi“. Zudem interviewte Noé Sellner für sein Magazin.
Experte: Junge Alternative propagiere ein „völkisches Gesellschaftskonzept“
Jonas Flick von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg begrüßt die Entscheidung des Verfassungsschutzes. „Die Beobachtung der jungen Alternative ist ein wichtiger Schritt, auch wenn er etwas spät kommt“, sagt Flick. Sie sei ein Zeichen dafür, dass sowohl innerhalb der Nachwuchsorganisation als auch bei der Mutterpartei völkisch-nationalistische Positionen mehr Gewicht bekommt.
Die Junge Alternative propagiere ein „völkisches Gesellschaftskonzept“, so Flick, sie imaginiere ein ethnokulturell homogenes Bild von der deutschen Bevölkerung. Ideologische Quelle für die Junge Alternative sei beispielsweise das „Institut für Staatspolitik“ – eine neurechte Denkfabrik, die ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
SPD begrüßt Einstufung als Verdachtsfall
Die Junge Alternative NRW bezeichnet den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz in einer Stellungnahme als „politisch instrumentalisierten Inlandsgeheimdienst“ und beschuldigt die Landesregierung, mit der Einstufung der Jungen Alternative als Verdachtsfall die AfD in NRW verunsichern zu wollen. „Diese Taktik ist ebenso durchschaubar, wie sie fruchtlos bleiben wird“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage.
Die SPD, derzeit größte Oppositionspartei im Landtag, begrüßte die Einstufung. „Die AfD-Jugendorganisation steht nicht auf dem Boden der Verfassung. Der bürgerlich-konservative Anstrich war nie mehr als eine notdürftige Maske“, sagt Frederick Cordes, Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen. „Die Junge Alternative sammelt und vernetzt radikale Demokratiefeinde im rechtsextremen Spektrum.“
Dorothea Deppermann, Sprecherin für Verfassungsschutz und Demokratie der Grünen Landtagsfraktion, sagte, die Jugendorganisation der AfD betreibe „rassistische Stimmungsmache“ und sei seit Jahren eng vernetzt mit Organisationen der neuen Rechten. „Es ist gut, dass der Verfassungsschutz hier genau hinsieht und die Beobachtung mit der Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall intensiviert.“