Hendrik Wüst und Markus Söder geben sich als ziemlich beste Freunde. Ist das wirklich so?
Hoffnungsträger Wüst und SöderWie lange hält der Harmonie-Kitt, wenn es um die Kanzlerschaft geht?
Am Ende der Pressekonferenz zeigt Hendrik Wüst mal klare Kante. Es geht allerdings nicht um Politik, sondern um das Finale der Fußball-Bundesliga - der FC Bayern München ist am letzten Spieltag in Müngersdorf zu Gast. „Ich bin seit frühester Jugend Fan des großartigen 1. FC Köln“, sagt der Ministerpräsident gespielt pathetisch. „Deswegen drücke ich dem FC die Daumen und hoffe, dass er dabei hilft, dass Borussia Dortmund Deutscher Meister wird.“
Der Mann, der neben ihm am Rednerpult steht, verzieht das Gesicht. Zu siegessicher sollte Wüst nicht sein, antwortet Bayern-München-Fan Markus Söder. Aber gut: Wenn die Jungs von der Säbener Straße diesmal nicht Meister würden, gehe die Welt auch nicht unter.
Der Tonfall ist versöhnlich, man stellt Harmonie und Einigkeit zur Schau. Am Dienstag sind die Landesregierungen von Bayern und NRW zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung in der Münchner Residenz zusammengekommen. Das Treffen ist gut vorbereitet, weswegen es trotz der unterschiedlichen Regierungskonstellationen keine störenden Dissonanzen gibt. Erst auf Nachfrage eines Journalisten kann sich Söder, der in Bayern ein Bündnis mit den Freien Wählern anführt, eine kleine Frotzelei gegen Schwarz-Grün nicht verkneifen. „Der Hendrik ist ja ein großer Grünen-Versteher und das finde ich sehr okay“, sagt er gönnerhaft. Und fügt hinzu: „Die Grünen sind aber in NRW gut aufgehoben.“
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K-Frage führte zum Bruch zwischen Söder und Wüst-Vorgänger Laschet
Es war der erste Kabinettsgipfel von Wüst und Söder nach dem deutlichen Sieg des Münsterländers bei der NRW-Wahl im Mai 2022. Zuletzt hatten sich die Landesregierungen 2019 getroffen – damals war Wüst noch Verkehrsminister im Kabinett von Armin Laschet (CDU). In dieser Zeit war das Verhältnis zwischen Laschet und Söder noch weitgehend unbelastet. Niemand ahnte, dass es bald wegen der K-Frage zum Bruch kommen würde.
In der NRW-CDU nehmen Söder bis heute viele übel, wie er Laschet im Bundestagswahlkampf mitgespielt hat. Auch bei Mitgliedern der Wüst-Delegation hatte die Demontage Laschets zum Teil eine tiefe Verärgerung hinterlassen. Doch die Zeiten ändern sich, natürlich lässt sich niemand etwas anmerken. „Hendrik ist jedenfalls gewarnt“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Die „K-Frage“ ist in der CDU zwar schon wieder ein Thema, aber im aktuellen Plot steht noch kein Showdown an. Und weil in Bayern bald ein neuer Landtag gewählt wird, gibt sich Söder maximal desinteressiert an einem Wechsel nach Berlin. „Meine Aufgabe ist Bayern“, sagt der 56-Jährige. Von Umfragen, die ihn derzeit als beliebtesten Unionskandidaten ausweisen, wolle er sich nicht leiten lassen. Eine „hervorragende Einigung zwischen CDU und CSU“ werde an ihm nicht scheitern.
Söder: Von Saulus zum Paulus?
So viel Konzilianz ist in München selten zu vernehmen. Hat Söder sich vom Saulus zum Paulus gewandelt? Wüst nimmt die bemerkenswerte Aussage regungslos zur Kenntnis. Der Regierungschef von NRW weiß um sein politisches Gewicht. Schon allein aufgrund seines Alters - nicht Söder, sondern der 47 Jahre alte Wüst ist der Mann der Zukunft.
Der Wahlerfolg im größten Bundesland macht ihn selbstbewusst. Sein Statement nach dem Treffen ist nicht nur deutlich länger als das von Söder. Wüst, der stets bedacht spricht und weiß, wie seine Sätze enden, wirkt staatsmännisch, während Söder schnell in einen Plauderton verfällt.
Großes Interesse an K-Frage zeigt laut Wüst Unzufriedenheit mit aktueller Regierung
Klar, auch Wüst muss sich zur Kanzlerkandidatur äußern. Das große Interesse an der K-Frage belege, wie unzufrieden die Menschen mit der jetzigen Bundesregierung seien, sagt der Ministerpräsident. In einem Interview hatte er eigene Ambitionen offengelassen. „Für mich gibts aktuell sehr, sehr klare Aufgaben“, beteuert Wüst in dem Gespräch. „Ich konzentriere mich mit voller Kraft darauf, das Beste für NRW zu erreichen.“ Zuvor hatte schon CDU-Chef Friedrich Merz betont, es mache keinen Sinn, einen Spitzenkandidaten vor der Europawahl im nächste Jahr zu benennen.
Das Treffen in der Bayerischen Staatskanzlei dauert zwei Stunden. Wüst erklärt, NRW und Bayern hätten als größte deutsche Länder politisch wie wirtschaftlich enormes Gewicht. „Hier kommen die Großen zusammen, die großen Länder an Bevölkerungszahl, an Fläche, auch an Wirtschaftskraft“, sagt Wüst. Die großen Zukunftsfragen ließen sich nur gemeinsam beantworten.
So sei eine starke und gemeinsame Stimme der beiden Länder jetzt in der Flüchtlingspolitik von zentraler Bedeutung. „Das Thema muss endlich Chefsache werden.“ Die Kommunen drängten zu Recht auf schnelle Hilfe und eine Lösung, die angesichts auch zukünftig im Land bleibender Flüchtlinge auf Dauer angelegt sein müsse. Wüst mahnt insbesondere eine faire Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern sowie eine solidarische Flüchtlingspolitik in Europa an.
Auch Söder betont, die beiden Bundesländer seien die „Leistungsmotoren“ in Deutschland. „Wir haben die meisten Industriearbeitsplätze, die meisten DAX-Unternehmen und auch die meisten Einwohner. Wir brauchen eine sinnvolle Migrationspolitik mit einem klaren Ja zu Hilfe und Arbeitszuwanderung, aber einem ebenso klaren Nein zu Überforderung und illegaler Migration.“ Die gemeinsame Sitzung sei „ein deutlicher Schulterschluss“ Richtung Bundesregierung in Berlin.
Wüst und Söder verbindet eine lange Geschichte
Der CSU-Politiker kritisiert insbesondere die Haltung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die keinen Spielraum für weitere Bundesmittel an die Kommunen für die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen sähen. „Dies wäre ein klarer Wortbruch“, kritisiert Söder. Denn es sei vereinbart worden, dass der Bund bei wachsenden Herausforderungen auch mehr finanziert. Für den 10. Mai ist eine Konferenz aller Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant.
Wüst und Söder verbindet eine lange Geschichte. 2007, als Wüst Generalsekretär des früheren NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) war, verfassten sie ein gemeinsames Papier, in dem sie eine Rückbesinnung der Union auf ihre konservativen Wurzeln forderten. Ob die gemeinsame Geschichte auf Dauer als Harmonie-Kitt ausreicht, muss sich zeigen. Sollte Friedrich Merz nach der Bayern-Wahl über einen Skandal stolpern, könnten auch Wüst und Söder zu Rivalen werden.