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Missbrauchs-Hotline in NRWJeder dritte Hinweis mündet in Ermittlungen – Lehrer und Nachbarn melden sich

Lesezeit 3 Minuten
Ein Missbrauchsopfer sitzt beispielhaft in einem Raum mit mehreren Videokameras und Mikrofonen für eine Aufzeichnung seiner Aussage im Childhood-Haus.

Die NRW-Polizei sammelt Hinweise auf den Verdacht von Kindesmissbrauch

Nach dem Missbrauchs-Skandal von Lügde hat die NRW-Polizei eine Hotline eingerichtet. Die Hinweisgeber lagen oft richtig.

Manchmal ist es nur ein merkwürdiges Gefühl. Das Nachbarskind, das einem sonst stets fröhlich und mit offenem Blick im Flur begegnet ist, wirkt neuerdings still und verschlossen, seitdem die Mutter einen neuen Freund hat. Eigentlich geht einen das ja nichts an, oder doch? Sollte man sich einmischen, gar die Behörden einschalten? Die NRW-Polizei bittet die Bürger, verdächtige Beobachtungen nicht für sich zu behalten.

Im Oktober 2021 wurde ein Telefon freigeschaltet, bei dem auch Hinweise anonym abgegeben werden können. Eine Auswertung, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass in 32 Prozent der Fälle Ermittlungen eingeleitet wurden. Insgesamt gingen 619 Anrufe ein, davon 186 anonym. In 64 Fällen kam es zu Strafanzeigen.

Die Rufnummer für Hinweise lautet 0800 0431 431, die Hotline ist montags bis freitags in der Zeit von acht bis 16 Uhr besetzt. Das Telefon wird von vier LKA-Beamten betreut, die der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle für Kinderpornografie angehören. Das Hinweistelefon ist keine Nummer für Notfälle, sondern für niedrigschwellige Beobachtungen. „Ich bin froh, dass die Menschen auf ihr mulmiges Bauchgefühl hören und die Nummer des Hinweistelefons wählen, wenn sie etwas sehen, was sie beunruhigt“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Täter bot Nachhilfe an

In einem Fall kamen die Ermittler einem Täter durch das Hinweistelefon auf die Schliche, der Nachhilfestunden im Internet angeboten hatte. Bei der Kontaktaufnahme stellte der Mann merkwürdige Fragen, die die Anruferin beim Hinweistelefon misstrauisch gemacht hatten. Sie machte Screenshots von der Internetpräsenz des Anbieters und schickte die Fotos an das LKA. Nach einem Datenabgleich stellte sich heraus, dass das Störgefühl der Frau berechtigt gewesen war. „Im Rahmen von weiteren Ermittlungen konnte als Anbieter ein bereits einschlägig in Erscheinung getretener männlicher Beschuldigter ermittelt werden. In der Folge wurde bei der Person ein Durchsuchungsbeschluss vollstreckt und die Person festgenommen. Diese befindet sich seitdem in Untersuchungshaft“, sagte eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums unserer Zeitung.

Hinweise von Nachbarn und Lehrern

Laut LKA handelt es sich bei den Hinweisgebern oft um Verwandte, Nachbarn, Kita-Betreuer und Lehrer. „Gerade unsere Jüngsten, die vielleicht noch nicht sagen können, dass etwas nicht stimmt, oder sich nicht trauen, das zu sagen, sollten auf die wachen Augen und offenen Ohren ihrer Mitmenschen vertrauen können“, sagte Innenminister Reul: „Wir gehen den Hinweisen nach, verlieren keine Spur, und werden sicher kein Kind im Stich lassen.“

Nach dem Missbrauchsskandal von Lügde hatte die NRW-Polizei eine Offensive zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie gestartet. Je tiefer die Polizei in die Netzwerke der Täter eindringt, umso mehr Fälle kommen ans Licht. Das schlägt sich der Statistik nieder. 2022 wurden im Bereich Kindesmissbrauch über 4100 Fälle registriert – im Bereich Kinderpornografie waren es mehr als 11.000 Fälle. Im Bereich der Kinderpornografie liegt die Aufklärungsquote bei mehr als 80 Prozent.