Die Bundesregierung beschließt eine Nationale Sicherheitsstrategie - ein Nationaler Sicherheitsrat gehört aber nicht dazu. Nathanael Liminiski, Chef der NRW-Staatskanzlei, kritisiert im Interview fehlende Kooperation des Bundes bei dem Gesamtkonzept.
„Bedrohungen haben zugenommen“Liminski kritisiert Heckmeck um Kompetenzen in der Sicherheitsstrategie
Herr Liminski, die Bundesregierung hat heute die nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt, wie bewertet das Land NRW das Ergebnis?
Nathanael Liminski: Die Bundesregierung hat bei der Entwicklung einer nationalen Sicherheitsstrategie gleich in doppelter Hinsicht einen Fehlstart hingelegt. Zum einen hat Berlin permanent die selbst gesetzten Zeitpläne gerissen, weil die Ampel-Koalitionäre sich nicht in zentralen Fragen einigen konnten. Das ist bei einem so sensiblen Thema wie der Sicherheit unseres Landes ein Armutszeugnis – gerade, wenn man an die globale Außenwirkung denkt.
Zum anderen doktert die Bundesregierung bereits seit Monaten an einem Konzept für integrierte Sicherheit herum, ohne zentrale Akteure ernsthaft zu beteiligen. Und wählt große Worte wie integrierte Sicherheit. Ausgerechnet die Länder, die von Verfassung wegen maßgeblich für innere Sicherheit in Deutschland verantwortlich sind, wurden nicht vernünftig eingebunden. Es gab lediglich eine Scheinbeteiligung, die einen Tiefpunkt im Umgang der Ampel mit den Ländern darstellt. Da verwundert es nicht, dass eine Nationale Sicherheitsstrategie herauskommt, die diesen Namen nicht verdient.
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Was fehlt denn?
In der Strategie werden viele wichtige Themen wie Cybersicherheit, Katastrophenschutz oder die Resilienz unserer Kritischen Infrastrukturen nur angerissen. Es bleibt aber bei Ankündigungen. Echte Lösungen kann es gerade in diesen Bereichen nur gemeinsam mit den Ländern geben, die hier Tag für Tag ihrer Verantwortung nachkommen. Wir haben ein ums andere Mal bis hinauf zu den Innenministern und Ministerpräsidenten unseren ernsthaften Willen gezeigt und Gesprächsbereitschaft signalisiert. Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Bund hier scheinbar eher auf Konfrontation als auf Zusammenarbeit setzt. Oder das aus Rücksicht auf parteipolitische Befindlichkeiten zumindest fahrlässig in Kauf nimmt. Ein solch ernstes Thema verdient mehr Ernsthaftigkeit.
Liminski: „Kommunen, Länder und Bund müssen besser vernetzt sein"
Nun könnte man auch sagen, dass hier wieder die alten föderalistischen Befindlichkeiten zu Tage treten, weil die Länder nicht auf Hoheitsrechte verzichten wollen. Wie stehen Sie dazu?
Es geht nicht um Befindlichkeiten, sondern um Kompetenz und Kompetenzen. Wir haben in unseren Ländern und Kommunen erfahrene und engagierte Mitarbeiter in der Gefahrenabwehr. Geht es in erster Linie um Besserwisserei und Machtspielchen oder um die Sache? Mehr Vernetzung ist oft die bessere Antwort als Zentralisierung. Wenn alles gut wäre, sobald der Bund zuständig ist, müsste die Bundeswehr heute in einem exzellenten Zustand sein.
Gut, aber da kann sich die CDU in der Ära Angela Merkel wahrlich nicht von Schuld freisprechen.
Das stimmt. Aber sie brauchte nicht erst einen Krieg in unserer Nachbarschaft, um das zu verstehen. Ich erinnere nur daran, dass gerade die SPD im Bundestagswahlkampf 2021 den damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet mit Kritik überschüttete, weil er das Zwei-Prozent-Investitionsziel der Nato ernsthaft verfolgen wollte. Zugleich wurde Laschet massiv dafür gescholten, dass er sich bereits damals für die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats starkgemacht hatte.
Nun kommt der Nationale Sicherheitsrat doch nicht. Warum braucht Deutschland dieses Instrument?
In einem Nationalen Sicherheitsrat könnten Bund und Länder ein gemeinsames umfassendes Lagebild über drohende Gefahren herstellen. Ein Nationaler Sicherheitsrat würde Informationen aus allen Bereichen zusammenbringen und könnte gleichzeitig der strategischen Vorausschau dienen. Und zwar nicht nur im Terrorbereich, sondern auch auf vielen anderen Feldern wie Gesundheit oder kritische Infrastrukturen: Der Ukraine-Krieg, die Energieengpässe, die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophen, die steigende Flüchtlingswelle, aber auch die stark zunehmenden Attacken im Cyberraum und die Anschlagsgefahr durch Extremisten von rechts, links oder aus dem islamistischen Lager haben gezeigt, dass wir uns stetiger und tiefergehender mit Krisenszenarien auseinandersetzen müssen.
Deshalb müssen Kommunen, Länder und Bund besser vernetzt sein. Ein Nationaler Sicherheitsrat sollte deshalb im Kanzleramt eingerichtet werden und die Länder dauerhaft an den Tisch holen. In Krisen erwarten die Menschen Führung durch die Regierungszentrale. Hier hat die Bundesregierung eine wichtige Chance vertan.
Wer waren denn die Bremser in Berlin?
Bei fast jedem Thema ist es ja mittlerweile so, dass einer der drei Koalitionspartner quer im Stall steht. Nach gut einem Jahr Ampel-Regierung scheint mir das gemeinsame Programm und Vertrauen aufgebraucht zu sein. Weitaus mehr überwiegt das Misstrauen. Offensichtlich ist der dringend notwendige Aufbau eines Nationalen Sicherheitsrates im Kanzleramt unter anderem am Veto des grün geführten Auswärtigen Amtes gescheitert. Angesichts des manchmal fragwürdigen Umgangs dieses Kanzleramts mit den Partnern kann ich das menschlich nachvollziehen. Aber die Herausforderungen der nationalen Sicherheit sind so groß, dass parteipolitische Befindlichkeiten außen vor bleiben sollten.
Die CDU koaliert in Düsseldorf auch mit den Grünen, und da zoffen sich doch beide Seiten über Themen wie der flächendeckenden Einführung von Tasern bei der Polizei, dem Clanbegriff oder in der Frage Rassismus bei der Polizei – auch nicht so ganz gemütlich.
Aber wir machen unsere Arbeit. CDU-Innenminister Herbert Reul kann mit der Null-Toleranz-Politik weiterhin für Sicherheit sorgen. Auch auf dem politisch manchmal schwierigen Feld der inneren Sicherheit ist jede Frage so gelöst worden, dass beide Teile der Koalition dahinterstehen können. Unsere Koalition in Düsseldorf arbeitet vertrauensvoll zusammen und führt unterschiedliche Perspektiven zu einer gemeinsamen Stoßrichtung zusammen. Die Ampel in Berlin wird anders wahrgenommen.
Die Flüchtlingswelle setzt gerade den Kommunen schwer zu, wie kann man gegensteuern?
Indem sich etwa die Bundesregierung ihrer finanziellen und strukturellen Verantwortung stellt, und nicht die Länder und Kommunen mit den Problemen alleine lässt.
Und wo bleibt eigentlich der bundesweite Sicherheitsplan für den Katastrophenschutz?
Eine berechtigte Frage. Um Krisenfälle vernünftig bewältigen zu können, müssen die jeweiligen Hilfskräfte - seien sie ehrenamtlich oder beruflich tätig - mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden. Zudem müssen auch hier die unterschiedlichen Einheiten untereinander viel besser vernetzt werden. Und moderner Katastrophenschutz erfordert vor allen Dingen eines: Üben, üben, üben. Das hat man jahrelang schleifen lassen und ist erst dann immer aktiv geworden, wenn wieder etwas passiert ist. Hier müssen wir vorausschauender agieren und dafür auch die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen.
Stichwort Cybersicherheit, wo muss man da weiter anpacken?
Die Bedrohungen durch Hacker haben deutlich zugenommen. Diese zielen nicht nur auf den Staat, sondern auch auf die Wirtschaft und die Bürger. Die Bedrohungsszenarien reichen von der Erpressung durch Schadsoftware über Fake-News-Kampagnen bis hin zur Spionage. Um in der Abwehr dieser Bedrohungen bestmöglich aufgestellt zu sein, brauchen wir einen schlagkräftigen und gut vernetzen Cyber-Abwehrverbund aus Bund und Ländern.