Die Zahl der Messerangriffe in NRW ist stark gestiegen. NRW-Innenminister Reul hatte schon vor dem Attentat von Solingen ein Maßnahmenpaket erdacht.
Gewaltbekämpfung in NRWReul will Messerstechern den Führerschein wegnehmen
Messerangreifer müssen künftig damit rechnen, dass ihnen der Führerschein entzogen wird oder ihnen die Fahrerlaubnis erst gar nicht erteilt wird. Das sagte NRW-Innenminister Herbert Reul bei der Vorstellung eines 10-Punkte-Plans gegen Messergewalt in Düsseldorf. Für die Täter sei Autofahren „oft ein Symbol von Männlichkeit, auf das sie ungern verzichten würden.“ Nach einer Sonderauswertung des Landeskriminalamts für 2023 ist die Hälfte der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt, 45 Prozent verfügen nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit. Reul betonte, das Maßnahmenpaket stehe in keinem Zusammenhang mit dem Anschlag in Solingen und sei nicht geeignet, islamistische Terrortaten zu verhindern. Es sei lange geplant gewesen, das Konzept vorzustellen. „Diese Tage fühlen sich traurig und schwer an. Aber wir dürfen uns von dieser Ohnmacht nicht lähmen lassen. Wir müssen weitermachen. Und jetzt überlegt handeln“, sagte der CDU-Politiker aus Leichlingen.
Der Auswertung zu Folge kamen im vergangenen Jahr in NRW in 3536 Fällen Messer als Tatmittel zum Einsatz. Das ist ein Plus von 43 Prozent gegenüber 2022. 15 Menschen kamen ums Leben. In rund 35 Prozent der Fälle handelte es sich um gefährliche Körperverletzung.
Junge Männer ohne deutschen Pass sind laut Statistik fast dreimal so stark in der Tätergruppe vertreten, wie deren Anteil an der Bevölkerung (16 Prozent) ausmacht. Von den nichtdeutschen Tatverdächtigen waren 23,2 Prozent syrische Staatsangehörige. Danach folgten Türken (10,2 Prozent), Iraker (7,7 Prozent) und Rumänen (6,0 Prozent). Dabei ist zu beachten, dass die Kriminalstatistik nur Aufschluss über die Staatsangehörigkeit einer Person, nicht aber über den Migrationshintergrund der Tatverdächtigen gibt. „Etwa 18 Prozent waren Zuwanderer“, sagte Reul. Bei ihnen handelt es sich um Asylbewerber, Asylberechtigte oder Geduldete. Erschreckend: Rund 13 Prozent der Täter waren unter 13 Jahre alt.
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Meist wird am Samstag ab 18 Uhr zugestochen
Die rund 4708 Opfer sind ganz überwiegend ebenfalls eher jung und männlich. Das Gros der Taten (Knapp 600) wurde an Samstagen erfasst. Die meisten Attacken fanden in den Abend- und Nachtstunden in der Zeit zwischen 18 Uhr und 2 Uhr morgens statt.
Die meisten Angriffe (45,7 Prozent) ereigneten sich laut Statistik im öffentlichen Raum beziehungsweise im Freien. Danach fallen der öffentliche Nahverkehr (8,9 Prozent) und die Schulen (6,3 Prozent) ins Gewicht. Nur 2,2 Prozent der Attacken wurden in der Gastronomie begangen.
Wieso sind junge Migranten so häufig unter den Tätern? Das LKA glaubt, dass es einen „kulturellen Faktor“ geben muss. Sich zu bewaffnen, habe auch etwas „mit Männlichkeitsgehabe“ zu tun, hieß es. „Mit dem Messer mag sich ein mancher stärker und vielleicht unbesiegbarer fühlen“, sagte Reul. Eine große Rolle spiele die Erziehung: „Als Vater und ehemaliger Lehrer bin ich überzeugt: Elternhaus, Kindergarten, Schule, Freundeskreis sind ganz wichtige Faktoren, um gewaltfreies Leben zu lernen“, so der NRW-Innenminister.
Auch Hamm bekommt eine Waffenverbotszone
Zu dem Maßnahmenpaket zählen zusätzliche Aktionstage der Polizei und Präventionsarbeit in Flüchtlingsunterkünften. Intensivtäter sollen ein individuelles Messerverbot auferlegt bekommen. In Dortmund wurden seit Mai bereits 91 Verbotsverfügungen ausgestellt. Neben Köln und Düsseldorf erhält im September auch die Stadt Hamm eine Waffenverbotszone. Zudem soll der Einsatz von mobilen Videoüberwachungsanlagen in NRW ausgeweitet werden.
Große Hoffnungen setzt die Polizei auf die Androhung von Fahrverboten. „Wer Messertäter wird, der lässt ganz erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass er charakterlich geeignet ist, Auto zu fahren“, erklärte Reul.
Die FDP im Landtag kritisierte, der 10-Punkte-Plan sei „ein Eingeständnis des Versagens“ der Landesregierung . Schwarz-Grün habe „die Entwicklung bei der Messergewalt verschlafen“ und man könnte längst viel weiter sein, sagte FDP-Innenexperte Marc Lürbke. Das Präventionsprogramm müsse zudem auf Jugendtreffs, Sportvereine und Schulen ausgeweitet werden. Messerangreifer müssten gleichzeitig härter bestraft werden. „Wer in NRW mit einer verbotenen Waffe erwischt wird oder Messergewalt verübt, muss unmittelbar mit der vollen Härte des Rechtsstaats konfrontiert werden“, forderte Lürbke.
Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD, brachte ein generelles Messerverbot ins Gespräch. „Diese Bilanz von Innenminister Herbert Reul muss endlich zu Konsequenzen führen“, sagte die frühere NRW-Familienministerin. Die Polizei „vor Ort mit dem Thema alleine zu lassen“, sei keine Lösung: „Daher muss man auch ein generelles Verbot von Messern im öffentlichen Raum prüfen, mit Ausnahmen beispielsweise für berufliche Verwendungen.“