AboAbonnieren

NRW-Schutzausrüstung muss vernichtet werdenWarum Kittel nicht länger taugen

Lesezeit 4 Minuten
In einer Lagerhalle stapeln sich unzählige Kartons. Ein Gabelstapler mit Kartons voll Schutzausrüstung fährt durch die Halle. 

Das Land Nordrhein-Westfalen muss tonnenweise Corona-Schutzausrüstung vernichten, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten wurde.

Dass NRW Millionen an Masken und Schutzkitteln verbrennen muss, treibt zurzeit viele Menschen um. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wer zu Beginn der Corona-Pandemie voller Sorge Mehl gehamstert hat, kennt das Problem: Nach einem Jahr ist es abgelaufen. Und auch wenn man im Lockdown einen Kuchen mehr als sonst gebacken hat, blieben vermutlich viele Packungen übrig - die im Abfall gelandet sind.

Das Land NRW hat kein Mehl, aber Masken gehortet. Jetzt sind viele Müll. Dass NRW Millionen an Masken und Schutzkitteln verbrennen muss, treibt zurzeit viele Menschen um.

Dass NRW Millionen in den kommenden Monaten Millionen Masken und Schutzkitteln verbrennen muss, treibt zurzeit viele Menschen um. Tatsächlich teilte das Gesundheitsministerium am Dienstag auf Anfrage mit, dass man prüfe, ob man Schutzausrüstung – soweit sie noch nicht abgelaufen ist – auch an Drittstaaten abgeben kann. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Thema. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Alles zum Thema Armin Laschet

Um wie viele Masken und Kittel geht’s?

Das Land hat seit Herbst bereits 5 Millionen Schutzmasken entsorgt, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Im „Sperrlager“ warten zahlreiche weitere Materialien, die verfeuert werden sollen: 9,4 Millionen medizinische Masken, 1,2 Millionen KN95-Masken, 728.000 Handschuhe, 1 Million Schutzbrillen, fast 1,5 Millionen Schutzkittel.

Apropos Kittel: Noch mal 7,2 Millionen erreichen in diesem Jahr ihr offizielles Verfallsdatum. Auch sie sollen eigentlich im Sperrlager landen, bis sie verbrannt werden.

Warum hatte NRW so viel Schutzmaterial auf Halde?

Das Mehl-Phänomen. Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 war laut NRW-Gesundheitsministerium weltweit Schutzausrüstung „nur sehr schwer zu beschaffen“. Die Bestände in den Krankenhäusern wurden immer knapper – und vor allem im Kreis Heinsberg spitzte sich die Lage damals zu.

Das Land NRW legte los, um auf dem Weltmarkt „umfassende Käufe zu tätigen“, wie es damals hieß. Sogar Minister griffen zum Telefon, Regierungschef Armin Laschet (CDU) bekam über seinen Sohn Johannes „Joe“ Laschet (Modeblogger) den Kontakt zum Chef von „van Laack“. Alleine die Mönchengladbacher Textilfirma lieferte 10 Millionen Schutzkittel für 45 Millionen Euro.

Wie viele Masken und Kittel hat NRW angeschafft?

Rund 140 Millionen Masken (weitere 35 Millionen kamen vom Bund) und 11 Millionen Kittel (plus 3 Millionen vom Bund). Die FFP2- und K95-Masken wurden laut Gesundheitsministerium zu fast 98 Prozent verteilt, bei den Kitteln lag die Quote nur bei gut 48 Prozent.

Was kostete das?

Vor allem zu Beginn der Pandemie sorgte die weltweite Nachfrage für hohe Preise. Für rund 527 000 FFP2- und KN95-Masken der Schweizer Firma Emix zahlte das Gesundheitsministerium im März 2020 mehr als 5,2 Millionen Euro – also knapp 10 Euro pro Maske. Heute unvorstellbar. Auch Schutzanzüge für mehr als 20 Euro das Stück wurden damals geordert, wie aus Unterlagen für den Landtag hervorgeht. Als der Markt sich wieder beruhigte, sanken auch die Preise.

Warum haben Schutzmaterialien ein Haltbarkeitsdatum?

Medizinisches Schutzmaterial hat in der Regel immer ein Haltbarkeitsdatum. Bei FFP2-Masken hat das zum Beispiel einen einfachen Grund: Wie ein Sprecher des Herstellers „Sentias“ (Wuppertal) erläutert, werden die kleinsten Partikel durch einen elektrostatisch aufgeladenen Stoff in den Masken gestoppt. Die Aufladung nimmt mit der Zeit ab, so dass der vorgegebene 94-Prozent-Schutz irgendwann nicht mehr gegeben ist.

Bei den Kitteln haben viele Hersteller wegen der Ausnahmesituation und Genehmigung gar keine Haltbarkeit angegeben. Hier orientierte sich das Gesundheitsministerium an „handelsüblichen Verfallsdaten“ – so auch bei den van Laack-Kitteln.

Kann man die Schutzmaterialien nicht in ein Krisengebiet oder ein Entwicklungsland weitergeben?

Wenn der Schutz nicht mehr gegeben ist, hilft das Material auch woanders nicht. Aber: „Das absehbare Ende der Pandemie mit der nachlassenden Nachfrage nach Schutzausrüstung aus dem Landeslager wirft auch erneut die Frage auf, wie mit den ablaufenden Restbeständen im Landeslager umgegangen werden kann“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. So wolle man nicht abgelaufene Sachen an Drittstaaten abgeben - „wo es gewünscht und rechtlich möglich ist.“

Kann man Masken oder Kittel eigentlich recyceln?

Masken bestehen aus so vielen Bestandteilen (inklusive Metallbügeln), dass es nicht einfach ist. Deutsche Wissenschaftler haben als Pilotprojekt aus gebrauchten Masken Öl gemacht, mit dem wieder Kunststoff für neue Masken hergestellt wurde. In Australien zerkleinerten Forscher gebrauchte Schutzkittel und mischten sie Beton bei – was ihn stabiler machte.

Was kostet das Entsorgen?

Aussortiertes Schutzmaterial muss verbrannt werden. Durch die „thermische Verwertung“, wie das offiziell heißt, wird immerhin noch Energie erzeugt. Laut Gesundheitsministerium hat die Entsorgung von Schutzmaterialien bislang 15.000 Euro gekostet. Im Vergleich zu den Millionen-Werten, die in Rauch aufgehen, eine kleine Summe. Die SPD im Düsseldorfer Landtag will nun eine Aufstellung der Entsorgungs- und Lagerkosten haben und hat eine offizielle Anfrage dazu an die Regierung gestellt.