Die Täter sind oft nur drei Minuten am Tatort, viel Zeit, um die Verfolgung aufzunehmen, hat die Polizei nicht. Das soll sich jetzt ändern
Beute finanziert organisierte KriminalitätSeismographen sollen in NRW Geldautomatensprenger stoppen
Das Video ist nur eine Minute lang. Es zeigt den Vorraum einer Bank, in dem sich ein Geldautoamt befindet. Plötzlich erscheinen drei maskierte Männer: Sie stemmen die Glastür auf, hebeln den Automaten mit einer Brechstange auseinander und deponieren einen Sprengsatz. Kaum haben die Täter den Raum verlassen, explodiert der Geldautomat. Die Männer eilen herbei, raffen die Geldkassetten ein und verschwinden. „So schnell geht das“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Die Vorführung im Düsseldorfer Innenministerium zeigt eindrucksvoll, wie professionell die Täter vorgehen.
In diesem Jahr hat es bereits sieben Geldautomaten-Sprengungen in NRW gegeben. Die Täter agieren abgebrüht und rücksichtlos, scheuen keine Risiken. Die Geldinstitute haben die Geräte mittlerweile gut gesichert, Farbpatronen sprühen die Scheine bei einer Explosion mit grüner Flüssigkeit ein und machen sie so unbrauchbar. Nur noch jede dritte Sprengung führt dazu, dass die Täter mit einer verwertbaren Beute fliehen können. Aber die Verlockung ist groß: Zum Teil sind in den Geräten sechsstellige Summen gelagert.
Enge Zusammenarbeit mit Ermittlern in den Niederlanden
In NRW versucht die Soko BEGAS seit zwei Jahren, den Geldautomatensprengern das Handwerk zu legen. Seitdem sind die Zahlen rückläufig: 2023 gab es 153 Sprengungen, 2022 waren es noch 182. „Auch wenn der Kampf noch nicht gewonnen ist, führen wir ihn heute erfolgreicher und taktisch klüger“, sagt Herbert Reul. NRW sei nicht länger ein „Eldorado“ für Automatensprenger. Seit BEGAS im Einsatz ist, wurden 47 Täter festgenommen.
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Christa Lübbers leitet die Soko, die eng mit den Ermittlern in den Niederlanden zusammenarbeitet. „80 Prozent der Täter kommen aus Holland“, sagt die Kriminaldirektoren. Mit dem erbeuteten Geld werde dort die organisierte Kriminalität finanziert. Die Taten sind meist perfekt vorbereitet: So verwenden die Sprenger zum Teil Störsender, die verhindern sollen, dass die Polizei im Nachgang ihre Mobilfunknummern ermitteln kann.
Oft kommen die Täter mit hochmotorisierten Fahrzeugen zum Tatort, die sie sich bei Autoverleihern geliehen haben. Bei vielen Verbrechen wurden Autos vom Typ „Audi RS“ verwendet. Die Luxusfahrzeuge haben 600 PS und beschleunigen in 3,8 Sekunden auf Tempo 100. Die Wahrscheinlichkeit, in einem solchen Fahrzeug von der Polizei kontrolliert zu werden, ist so hoch, dass manch ehrlicher Besitzer sein Fahrzeug schon entnervt wieder verkauft haben soll.
Erschütterungen der Explosion werden von Seismographen geortet
Oft sind die nicht länger als drei Minuten am Tatort. Die Polizei hat wenig Zeit, um die Verfolgung aufzunehmen. Das soll sich jetzt ändern – mit einer neuen Ermittlungsmethode, die ebenso überraschend wie effektiv ist. Dabei kommen Seismografen zum Einsatz. Denn jede Automatenexplosion erzeigt Erschütterungen, die von den Messgeräten registriert werden. Der Clou: Auch die Ortung der Explosion ist bis auf 200 Meter genau möglich. „So können wir schneller vor Ort sein“, erklärt Soko-Chefin Lübbers. „Die Niederländer werden automatisch alarmiert und können den Tätern entgegenfliegen“, so die Ermittlerin. Das Projekt, an dem die Uni Köln beteiligt ist, werde derzeit getestet.
Nach einer Sprengung in Mülheim an der Ruhr wollten die Täter über die niederländische Grenze fliehen. Ihnen wurde zum Verhängnis, dass mache Banken mittlerweile „Begrüßungstinte“ zur Abschreckung in ihre Automaten verbauen, die an den Händen der Täter haften bleibt. Bei einer Fahrzeugkontrolle an der Grenze ist den viel niederländischen Polizisten die grüne Farbe an den Händen und an der Kleidung der vier Insassen auf. „Da war schnell klar, dass nicht von einem Malkurs kamen“, so Innenminister Reul.
Köln fahndet nach Männern, die Automat in Lindenthal sprengten
In Köln fahndet die Polizei aktuell nach mehreren Männern, die am 13. Februar morgens um 4 Uhr einen Geldautomaten in Lindenthal gesprengt haben. Den Fluchtwagen fanden Anwohner fünf Tage später in Sülz nahe dem Geißbockheim. Vorige Woche dann fischte eine Spaziergängerin einen Rucksack mit eingefärbtem Geld aus der Tat und Kleidungsstücken aus dem Decksteiner Weiher.
Die Polizei in NRW weiß, dass die Täter häufig aus dem niederländischen Utrecht anreisen. In einem Song hat der niederländische Rapper Djezja den „Plofkrakers“ (niederländisch für „Knallknacker“) sogar eine Art Denkmal gesetzt. „Deutsche Bundesbank: Boom! Deutsche Postbank: Boom! Deutsche Bank: Boom“, rappt der 29-Jährige zu den Bildern explodierender Geldautomaten.
Erst vor drei Wochen war Streifenpolizisten in Köln-Porz ein VW Caddy mit niederländischen Kennzeichen aufgefallen. Die Beamten wollten die Insassen kontrollieren, doch der Fahrer gab Gas. Nach kurzer Verfolgungsjagd fuhr er sich fest, er und sein Beifahrer wurden festgenommen. Diesmal hatten die Täter absichtsvoll auf eine PS-starken Fluchtwagen verzichtet, um nicht aufzufallen.