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Rechtswidrige Gewalt bei EinsätzenNRW-Innenministerium kritisiert Studie zu Polizeigewalt

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Eine Polizistin steht mit ballistischem Schutzhelm, einer Schusswaffe und einer kugelsicheren Weste vor einem Polizeiwagen.

Das Landesinnenministerium bestärkt den polizeilichen Einsatz von Gewalt in bestimmten Situationen.

Eskalation bei Polizeieinsätzen und Vorwürfe überzogener Gewalt lösen immer wieder Kontroversen aus. Repräsentative Zahlen kann eine Studie der Universität Frankfurt jedoch nicht liefern, so das NRW-Innenministerium.

Die Ausübung von Gewalt kann bei Polizeieinsätzen ein letztes Mittel sein. Doch wie ist Gewalt überhaupt zu definieren? Und sind Vorwürfe übermäßiger Gewaltanwendung bei Vorfällen wie dem eines durch Polizeischüsse getöteten Dortmunders auch repräsentativ? Einigen dieser Fragen ist der Polizeiforscher Tobias Singelnstein nachgegangen.

Seine am Dienstag (16.5.) veröffentlichte Studie hat ein breites Medienecho gefunden. Das NRW-Innenministerium von Herbert Reul (CDU) blickt indes kritisch auf die Publikation. Der Begriff „Polizeigewalt“ sei juristisch und polizeilich nicht konkret definiert. „Die in dieser Studie genutzte Definition birgt gewisse Risiken, denn es bleibt den mutmaßlichen Betroffenen selbst überlassen, eine polizeiliche Maßnahme als ‚übermäßige Gewaltanwendung‘ zu definieren“, erklärt das NRW-Innenministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Professor Singelnstein selbst weist darauf hin, dass die Polizei in bestimmten Situationen Gewalt, sprich unmittelbaren Zwang, anwenden darf und muss.“

Siegelnstein, der an der Frankfurter Goethe-Universität forscht und lehrt, sprach für seine Studie über fünf Jahre mit 3.300 mutmaßlich Betroffenen von Polizeigewalt ebenso wie mit Polizisten, Führungskräften der Polizei und internen Ermittlern, die sich mit der Aufklärung von Vorwürfen rechtswidriger Gewaltanwendung in den eigenen Reihen befassen. Laut der Studie würden viele Verfahren gegen die Polizei eingestellt aufgrund mangelnder Beweise. Als Fazit wird eine unabhängige Kontrolle der Polizei von den Kriminologinnen und Kriminologen empfohlen.

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Innenministerium: Polizeiunabhängige Kontrollstelle im Koalitionsvertrag

Reuls Ministerium hat nach eigenen Angaben die Schaffung einer polizeiunabhängigen Kontrollstelle, wie sie der Studien-Autoren fordern, bereits im Blick. „Die Etablierung eines Polizeibeauftragten ist beim nordrhein-westfälischen Landtag bereits als Ziel im Koalitionsvertrag der Landesregierung definiert.“

Bisher ist die Anzeige von mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland nur bei der Polizei möglich. Über die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen entscheide, so das Landesinnenministerium, die „unabhängige Justiz.“

Singelnstein beklagt außerdem, dass es in Deutschland nicht wie in anderen Ländern transparent statistisch erfasst werde, wie häufig und in welcher Form die Polizei in Deutschland Gewalt ausübt oder wie häufig Menschen im Kontext von Polizeieinsätzen zu Tode kommen.

Ein signifikantes Gewaltproblem ist für Reuls Ministerium aus den Studienerkenntnissen nicht ersichtlich: „Die Forscher weisen selbst darauf hin, dass hier keine repräsentative Stichprobe vorliegt und die Ergebnisse nicht für die deutsche Bevölkerung generalisiert werden können.“