Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die rechtsextreme „Artgemeinschaft“ verboten. Es ist das zweite Vereinsverbot innerhalb weniger Tage.
Faeser verbietet sektenartige VereinigungDurchsuchungen bei der rechtsextremen „Artgemeinschaft“
Im Rahmen des Verbots der rechtsextremen Gruppierung „Artgemeinschaft“ durchsuchten Polizisten in Nordrhein-Westfalen drei Objekte in Essen, Oberhausen und Porta Westfalica, darunter auch eine Arztpraxis. Die Razzia begann am Mittwoch um sechs Uhr morgens, 80 Polizisten waren im Einsatz. „Rassismus und Antisemitismus sind die Glaubensinhalte dieses Vereins“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). „Aber sowas hat bei uns keinen Platz. Deshalb sind wir heute konsequent gegen die Nazi-Truppe vorgegangen.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die sektenartige und rechtsextreme Vereinigung „Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ am Mittwochmorgen verboten. Von dem Verbot betroffen sind auch Teilorganisationen des Vereins. Bundesweit wurden 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern sowie Vereinsräume in zwölf Ländern durchsucht.
„Mit der ‚Artgemeinschaft‘ verbieten wir eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“, so Faeser. „Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.“ Das Vereinsverbot wurde seit mehr als einem Jahr vorbereitet.
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Erst letzte Woche hatte Faeser die neonazistischen „Hammerskins“ verboten, eine gewaltorientierte und konspirative Vereinigung. „Der Rechtsextremismus hat viele Gesichter“, so Faeser. „Vor allem durch die manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder und den Vertrieb entsprechender Literatur agierte die ‚Artgemeinschaft‘ anders, aber nicht weniger gefährlich als die neonazistischen ‚Hammerskins‘.“
„Artgemeinschaft“ knüpft an Rassenlehre an
Die Artgemeinschaft wurde 1951 gegründet und ist seit 1957 ein eingetragener Verein. Das Wort „Art“ wird synonym für den Rassebegriff verwendet. Ihre Ideologie ist rassistisch, antisemitisch, demokratiefeindlich und antichristlich; die Mitglieder sehen sich als Teil einer überlegenen Rasse, die sich im Kampf gegen andere Menschen durchsetzen muss. Als Symbol nutzen sie den Weltenbaum aus der nordischen Mythologie und das Bild eines Adlers, der seine Klauen in einen christlichen Fisch gräbt.
Die Ideologie der Artgemeinschaft knüpft direkt an die Rassenlehre des historischen Nationalsozialismus an. So weist der Verein seine Mitglieder beispielsweise an, ihre Partner innerhalb der nord- und mitteleuropäischen „Menschenart“ zu suchen, um das „richtige“ Erbgut weiterzugeben. Menschen anderer Herkunft werden herabgewürdigt.
In der Gruppierung werden heidnisch-germanische Feste wie die aus der nordischen Mythologie gefeiert. „Die Artgemeinschaft verbreitet unter dem Deckmantel eines pseudo-religiösen germanischen Götterglaubens ein Menschenbild, das gegen die Menschenwürde verstößt“, so NRW-Innenminister Reul. Durch einen Buchdienst und Präsenz in den Sozialen Medien habe die Gruppe versucht, Menschen anzuwerben, zu ideologisieren und radikalisieren. „Das hat ab heute ein Ende. Den Verein gibt es nicht mehr, das Vereinsvermögen wird beschlagnahmt.“
Indoktrinierung von Kindern ist ein Hauptgrund für das Verbot
Ein Hauptgrund für das Verbot bildet laut dem Bundesinnenministerium die Indoktrinierung der Kinder. Die Mitglieder versuchten, ihre Ideologie an Kinder und Jugendliche durch zum Teil aus der NS-Zeit stammende und nur minimal abgewandelte Literatur weiterzugeben.
„Bei der Artgemeinschaft ist auch ihre Netzwerkfunktion gefährlich“, erklärt Anna Weers, Expertin für völkische Siedler der Amadeu Antonio Stiftung. Es handle sich dabei um eine der größten religiösen rechtsextremen Vereinigungen in Deutschland. Bei ihren Festen treffen sich demnach auch Mitglieder von anderen Gruppen und knüpfen Kontakte. Dazu zählen Anhänger der mittlerweile verbotenen Vereinigungen Blood & Honour und Combat 18. „Unterstützer des NSU fanden Unterschlupf bei Mitgliedern. Der Mörder von Walter Lübcke war zeitweise Mitglied der Artgemeinschaft“, sagt Weers. „Es handelt sich um eine Vereinigung, die nicht nur dem Erhalt des völkischen Brauchtums dient, sondern auch eine Vororganisation des Rechtsterrorismus bildet.“
Weers begrüßt das Verbot der Gruppe und bezeichnet es als „längst überfällig“. Die Beziehungen und Netzwerke würden jedoch bleiben, warnt die Referentin für Rechtsextremismus. „Aber heute wurde ein wichtiges Signal gesendet.“