Die Forderung der NRW-Kommunen bleibt bestehen: Sie wollen Tempo 30 überall dort einführen dürfen, wo sie es für erforderlich halten.
„Was wir hatten, ist nicht akzeptabel“Neue Regelung für Tempo 30 – werden die Straßen jetzt sicherer?
Die Einführung von Tempo-30-Zonen soll Städten und Gemeinden künftig erleichtert werden. Bund und Länder haben sich im Vermittlungsausschuss zur Reform des Straßenverkehrsgesetzes am Mittwochabend auf einen Kompromiss verständigt. Der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund NRW halten sie für nicht weitgehend genug.
Es geht darum, dass Städte und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die Einrichtung von Tempo-30-Zonen und Busspuren bekommen. Künftig sollen generell neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden.
Der Sicherheitsaspekt soll laut Änderungsvorschlag für den Vermittlungsausschuss im Zweifel auch auf Kosten eines möglichst reibungslosen Verkehrsflusses gestärkt werden. Bisher waren beiden Kriterien gleichrangig behandelt worden.
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„Was wir bisher hatten, ist nicht akzeptabel“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Er sprach etwa von Rechtsunklarheiten bei der Frage, ob man vor einer Kindertagesstätte ein Tempolimit anordnen könne.
Aus Sicht von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) geht der Kompromissvorschlag „in die richtige Richtung. Immer mehr Kommunen wollen selbst entscheiden, wie sie ihren Verkehr vor Ort organisieren und lenken. Bisher leiden die Städte in Verkehrsangelegenheiten aber unter einer überbordenden Bürokratie und falschen Anreizen. Dieser enge Rahmen muss gelockert werden, um den Verkehr sicherer, nachhaltiger und gesünder zu gestalten.“ Die Forderungen der Verkehrsministerkonferenz der Länder seien umgesetzt. „Nun müssen Bundestag und Bundesrat die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes zeitnah beschließen.“
Katharina Dröge, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, sagte: „Jetzt haben Kommunen endlich mehr Handlungsfreiheit, um Bussen, Radfahrenden und Fußgängern mehr Platz einzuräumen und so die Sicherheit vor Ort entscheidend zu verbessern.“
Kommunen fordern Entscheidungshoheit
Der Städte- und Gemeindebund in NRW sieht den erzielten Kompromiss deutlich kritischer. Nach monatelangem Stillstand sei das ein wichtiger Schritt, aber kein Durchbruch, so Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. Den Kommunen müsse ermöglicht werden, „Tempo 30 innerorts überall dort anordnen zu können, wo sie es für notwendig erachten – unabhängig von weiteren einengenden und begründungsintensiven Voraussetzungen.“
Ähnlich sieht das der Geschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy. „Die Reform sorgt aber mitnichten dafür, dass Städte künftig einfacher und flexibler Tempo-30-Zonen festlegen können. Tempo 30 wird lediglich an wenigen Orten wie Kinderspielplätzen oder viel genutzten Schulwegen erleichtert, weil dafür kein besonderer Gefahrennachweis mehr nötig sein wird. Das ist gut und richtig, aber wirklich mehr kommunale Entscheidungshoheit im Verkehrsbereich ist das noch nicht.“
Rund 650 Kommunen hatten im vergangenen Jahr den Bund in einer gemeinsamen Initiative aufgefordert, die straßenrechtlichen Vorschriften so anzupassen, dass mehr Entscheidungen vor Ort getroffen werden können. Inzwischen ist ihre Zahl auf knapp 1100 gestiegen. (mit dpa)
Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Der Weg für eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes ist frei. Nachdem die Bundesländer den ersten Entwurf im November 2023 recht überraschend im Bundesrat abgelehnt hatten, konnte man sich im Vermittlungsausschuss am Mittwochabend einigen. Die Vertreter der Städte und Gemeinden, die auf mehr Eigenständigkeit gesetzt hatten, sind dennoch enttäuscht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Welche Folgen hat der Kompromiss, der im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ausgehandelt wurde?
Der Verkehrssicherheit wird eine besondere Priorität eingeräumt, auch wenn das zulasten des Verkehrsflusses geht. Wörtlich heißt es: „Die Sicherheit des Verkehrs ist nicht nur zu berücksichtigen, sondern darf nicht beeinträchtigt werden.“ Daneben müssen auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und städtebaulichen Entwicklung beachtet werden.
Können Tempo-30-Zonen künftig schneller eingeführt werden?
Ja. Die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes schafft die Grundlage dafür, dass den Kommunen neue Befugnisse übertragen werden können. Dazu müssen Rechtsverordnungen erlassen werden.
Was ist das Ziel?
Die Kommunen sollen mehr Flexibilität bei der Einrichtung, von Busspuren, beim Anwohnerparken und bei neuen Tempo-30-Zonen erhalten. Zum Beispiel rund um Spielplätze, entlang viel befahrener Schulwege oder an Fußgängerüberwegen. Außerdem soll es künftig möglich sein, zwei Tempo-30-Strecken miteinander zu verbinden, wenn nicht mehr als 500 Meter zwischen ihnen liegen. So soll der Verkehrsfluss verbessert werden.
Wie viele Tempo-30-Zonen gibt es in Köln?
Aktuell sind es 410. Die ersten wurden Ende der 1980 Jahre eingeführt. In Köln hatte die Bezirksvertretung Nippes im Juni 2021 mit einem Bündnis aus Grünen, FDP, Klimafreunden, der Wählergruppe Gut und den Linken mehrheitlich gefordert, im gesamten Stadtbezirk Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einzuführen. Ausgenommen werden sollten lediglich einige Schnellstraßen, die dem Durchgangsverkehr dienen oder in Gewerbe- und Industriegebieten liegen. Dazu sollte Nippes als Modellstadtbezirk ausgewiesen werden. Das ist nach der aktuellen Fassung des Straßenverkehrsgesetzes nicht möglich. Und daran wird sich auch durch die Novellierung nichts ändern.
Was sagen die Vertreter der Kommunen zum Kompromiss?
Der Städte- und Gemeindebund NRW begrüßt die Reform, hält sie aber für nicht weitgehend genug. „Die Reform ist ein wichtiger Schritt. Sie gibt den Kommunen vor Ort mehr Handlungsspielräume und lockert ein wenig das strenge rechtliche Korsett“, sagt Geschäftsführer Christof Sommer auf Anfrage. „Ein Durchbruch ist sie allerdings noch nicht. So fordern wir schon seit langem, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, Tempo 30 innerorts überall dort anordnen zu können, wo sie es für notwendig erachten - unabhängig von weiteren einengenden und begründungsintensiven Voraussetzungen. Das wäre ein effektiver Beitrag für mehr Verkehrssicherheit und Lebensqualität in den Städten und Gemeinden.“
Wie reagiert die Stadt Köln?
Verkehrsdezernent Ascan Egerer scheint recht zufrieden. „Wir begrüßen die Einigung grundsätzlich ausdrücklich. Als eine der ersten Kommunen sind wir als Stadt Köln der Städteinitiative ‚Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten – eine neue kommunale Initiative für stadtverträglicheren Verkehr‘ beigetreten. Die Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes ist ein erster Schritt, um Kommunen in die Lage zu versetzen, die Mobilitätswende ein Stück mehr aktiv selbst zu gestalten“, sagt er.
Das Straßenverkehrsgesetz setze jedoch zunächst nur den Rechtsrahmen und enthalte keine unmittelbaren Maßgaben für die Behörden, die das Verkehrsrecht vor Ort umsetzen. „Entscheidend für unseren zukünftigen Handlungsspielraum ist aber die jetzt anstehende Anpassung der Straßenverkehrsordnung und der entsprechenden Verwaltungsvorschrift“, so Egerer.
Wie viele neue Tempo-30-Zonen könnte es in Köln noch geben?
Aussagen darüber könne man erst dann treffen, wenn die Straßenverkehrsordnung ist.