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Terroranschlag in SolingenWarum hält Schwarz-Grün Unterlagen zurück?

Lesezeit 3 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift: „Warum?“ war am Gedenkort unweit des Tatorts in Solingen zu sehen.

Bei einem mutmaßlich islamistischen Terror-Anschlag auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen hatte es am Abend des 23. August 2024 Tote und Verletzte gegeben.

Wann wusste Innenminister Reul, dass der Terroranschlag politisch brisant sein könnte? Sein Wortprotokoll in einer Fragestunde des Landtags wurde nachträglich geändert – doch die Regierung will die Unterlagen nicht herausgeben. Dagegen klagt jetzt die Opposition.

Die Kommunikation innerhalb der Landesregierung zum Terroranschlag von Solingen hat nun ein gerichtliches Nachspiel. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte sich in einer Fragestunde des Landtags im August vergangenen Jahres geäußert – und seine Aussage in der Mitschrift im Nachhinein ändern lassen. Ein Vorgang, den die Opposition im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der Bluttat näher beleuchten wollte. Doch CDU und Grüne lehnten die Herausgabe der Unterlagen ab. SPD und FDP haben deswegen jetzt den Verfassungsgerichtshof in Münster angerufen.

Die Antragsschrift, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Kopie vorliegt, ist 44 Seiten lang. Die Opposition hatte von der Landtagsverwaltung verlangt, die Kommunikation innerhalb der Landtagsverwaltung zu der Protokoll-Änderung herauszurücken. Kämen dadurch Erkenntnisse ans Licht? Der Vorgang hatte Reul nach seinem Bekanntwerden in Erklärungsnot gebracht.

Wollte Reul einen Fehler vertuschen?

Konkret geht es in dem Fall um die Frage, wann dem Innenminister bewusst geworden ist, dass der Terroranschlag von erheblicher politischer Brisanz sein könnte. Diese ergab sich durch den Umstand, dass es sich bei dem Täter um einen Flüchtling handelt, der längst hätte abgeschoben werden sollen. Aus einer Videoaufzeichnung der Fragestunde geht hervor, dass Reul gesagt hat, dies sei ihm am „Sonntagmorgen“ nach der Tat klar geworden. Im geänderten Wortprotokoll wird als Zeitpunkt „Samstagabend“ genannt.

Alles zum Thema Herbert Reul

Das NRW-Innenministerium hatte die Änderung damit begründet, Reul habe sich bei seiner mündlichen Auskunft „missverständlich“ ausgedrückt. Die Modifizierung der fraglichen Passage trage zu einer Klarstellung bei. Der Verdacht, es sei darum gegangen, einen Fehler zu vertuschen oder falsche Aussagen zu kaschieren, treffe nicht zu.

Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Flucht und Integration in Nordrhein-Westfalen, und Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW, sprechen nach dem Anschlag von Solingen zu den Medien.

Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen) und Innenminister Herbert Reul (CDU) sprechen nach dem Anschlag von Solingen zu den Medien.

Die Opposition traut dieser Darstellung indessen nicht. Sie fragt sich, warum die Herausgabe der Unterlagen „auf Teufel komm raus“ blockiert wurde. Denn Beweisanträge der Opposition abzulehnen, ist absolut unüblich. SPD und FDP sehen darin einen Rechtsverstoß: „Die eklatante Verletzung unserer Minderheitenrechte durch die Ablehnung unserer Beweisanträge ist dabei der traurige Tiefpunkt der schwarz-grünen Verhinderungstaktik“, kritisiert die SPD-Abgeordnete Lisa-Kristin Kapteinat. Man ziehe jetzt vor den Verfassungsgerichtshof, „um für die maximale Transparenz zu kämpfen, welche Ministerpräsident Wüst einst versprochen“ habe. FDP-Innenexperte Marc Lürbke erklärte, die „systematische Ablehnung der Herausgabe zentraler Dokumente“ sei nicht hinnehmbar. Die regierungstragenden Fraktionen würden die verfassungsmäßigen Rechte der Opposition „mit Füßen treten“.

Nach dem Anschlag von Solingen hatte Reul nach eigener Aussage erst am Sonntagvormittag versucht, NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul zu erreichen. Die Grüne nahm jedoch zu dem Zeitpunkt an einer Gedenkveranstaltung in Frankreich teil und reagierte nicht persönlich auf den Wunsch des Innenministers nach einem Rückruf.

Mutmaßlicher Täter hätte abgeschoben werden sollen

Bei dem Anschlag in Solingen waren im August vergangenen Jahres drei Menschen getötet und acht schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa Al H., hätte eigentlich schon 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Die Ausländerbehörden scheiterten jedoch mit dem Versuch, weil H. nachts zunächst in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht angetroffen worden war. Obwohl der Syrer am nächsten Tag wieder auftauchte, wurde kein zweiter Abschiebeversuch unternommen. Im Untersuchungsausschuss soll nun aufgearbeitet werden, welche behördlichen Lücken und Versäumnisse den Terrorakt begünstigt haben. Wann das Verfassungsgericht eine Entscheidung trifft, ist noch unklar.