Straftaten krimineller Großfamilien nehmen immer mehr zu. Und der deutsche Rechtsstaat scheint hilflos zu sein.
Kommentar zur ClankriminalitätUmkehr der Beweislast darf kein Tabu sein
Es scheint ein Fass ohne Boden zu sein. Um atemberaubende 20 Prozent sind die Straftaten durch türkisch-arabischstämmige Großfamilien im vergangenen Jahr in NRW gestiegen. Die Verdächtigen, meist junge Männer, verachten den deutschen Rechtsstaat. Aufgewachsen in einem Paralleluniversum mit angeblichem Ehrenkodex, geht es ihnen in Wahrheit nur darum, auf Kosten ihrer Mitmenschen zu leben. Dazu wird betrogen, gedroht, geschlagen und schmarotzt.
Wie umgehen mit Menschen, für die ein Gefängnisaufenthalt sogar als Auszeichnung gilt? Eine einfache Antwort auf die Frage gibt es sicher nicht. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist zu verdanken, dass wir das Ausmaß des Desasters zumindest ansatzweise quantifizieren können. Wenngleich die Dunkelziffer vermutlich gigantisch ist, hat er dafür gesorgt, das Nordrhein-Westfalen als eines der ersten Bundesländer die Clankriminalität gesondert auswertet. Und er hat mit seiner „Strategie der Nadelstiche“ auch jede Menge Energie und Ressourcen dafür eingesetzt, die Probleme in den Griff zu bekommen.
SPD-Vorgängerregierung hat das Problem ignoriert
Reul traf dabei eine Situation an, die die SPD-Vorgängerregierung vollkommen vernachlässigt hatte. Dass ausgerechnet die Sozialdemokraten dem Minister jetzt das Fehlen einer umfassenden Strategie zur Bekämpfung der Organisierten Clankriminalität vorwerfen, ist absurd. Gegen die Strukturen anzugehen, die sich, unbeachtet von der Politik, über Jahrzehnte manifestiert haben, wird sicherlich ein Marathonlauf.
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Dass der grüne Koalitionspartner der CDU in NRW mit der Statistik hadert, die Auswertung nach den Namen der Großfamilien als stigmatisierend für die nicht kriminellen Mitglieder der Clans anmahnt, macht die Aufgabe nicht leichter. Das Prozedere zu verändern oder die Definition der Bezeichnung „Clan“ zu überdenken, bringt jedenfalls keine neuen Lösungsansätze.
Clan-Mitglieder nutzen jede Schwäche der deutschen Gesetzgebung
Um die Kriminellen, die jede Schwäche der deutschen Gesetzgebung konsequent ausnutzen, trotzdem zur Strecke zu bringen, sollte auch über Änderungen eben dieser gesetzlichen Möglichkeiten nachgedacht werden. Dabei sollten gezwungenermaßen wohl selbst zentrale Prinzipien des Rechtstaates zur Disposition gesellt werden. Bisher müssen Ermittler nachweisen, dass des Betrugs verdächtige Großfamilien ihr Vermögen inklusive Protz-Immobilien und Nobelautos illegal erworben haben.
Die Umkehr der Beweislast, die derzeit bundesweit diskutiert wird, hätte die NRW-Justiz schon häufiger vor peinlicher Hilflosigkeit bewahren können. Vor zwei Jahren beispielsweise, nach einer Razzia gegen kriminelle Mitglieder des Al-Zein-Clans in Leverkusen, sollte auch die Villa der Beschuldigten beschlagnahmt werden.
Die jedoch wohnen immer noch in der Immobilie, weil diese ohne ein rechtskräftiges Urteil nicht eingezogen werden kann. Gegen ihre Verurteilung etwa wegen Geiselnahme oder Geldwäsche und Sozialhilfebetrug haben einige der Verdächtigen im Januar dieses Jahres Revision eingelegt. Und eine Sprecherin des Düsseldorfer Landgerichts rechnet damit, dass das Verfahren mit allen Fristen jetzt noch bis zu zwei Jahre dauern könnte.