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Prävention gegen rechte GesinnungNRW-Polizisten sollen bald Frust ablassen können

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Polizisten sollten rechtsextreme Tendenzen in den eigenen Reihen nicht vertuschen.    

Köln – In der Arbeit von Markus Ballentin und seinen Kollegen sind üble Beleidigungen und tätliche Angriffe alltäglich, sagt er. Der 46-Jährige Polizeihauptkommissar leitet den „Einsatztrupp Präsenz“, der in den Problembereichen der Kölner Innenstadt für Ordnung sorgen soll. „Wir sind dafür da, die öffentliche Sicherheit auch an Brennpunkten aufrecht zu erhalten. Da haben wir es mit Dealern, Drogenabhängigen und anderen sozialen Randgruppen zu tun“, so Ballentin im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Da muss man schon einiges aushalten können.“

15 Beamte verrichten in dem Präsenztrupp ihren Dienst. Ein Job, der nicht jedermanns Sache ist. „Im Wach- und Wechseldienst hat man mehr Abwechslung“, sagt Ballentin. Da gebe es auch schon mal positive Momente. „Zum Beispiel, wenn man einer älteren Frau helfen kann oder für Kinder mal das Blaulicht anschaltet“, sagt der Polizeihauptkommissar. „Sowas haben wir nicht“, fügt Ballentin hinzu: „Wir müssen ständig auf der Hut sein. Jemandem den Rücken zuzukehren, kann gefährlich werden.“

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Die Polizisten im Präsenztrupp arbeiten in festen Teams. „Zusammenhalt ist für uns wichtig“, sagt Ballentin. „Die Kollegen sichern sich gegenseitig und müssen sich aufeinander verlassen können.“ Zu lange sollte man in dem Job aber nicht bleiben, warnt der Teamleiter. „Wenn man immer nur mit ganz bestimmten Menschen zu tun hat, kann sich ein Bild verfestigen, das die Tatsachen verfälscht. Davor müssen wir uns schützen.“

Rechte Chatgruppen schaden Image der Polizei

Was ist damit gemeint? Der Wahl-Kölner gibt ein Beispiel: „Auf dem Ebertplatz machen wir die Erfahrung, dass junge Schwarze Drogen verkaufen. Das darf nicht zu einer Verallgemeinerung führen, dass alle Schwarzen dealen.“Rechtsextreme Chatgruppen hatten dem Image der Polizei im September 2020 schweren Schaden zugefügt. In Duisburg, Essen, Moers, Mülheim und Oberhausen wurden Wohnungen von Beatmen durchsucht und 200 Smartphones, Tablets und Computer sichergestellt. 26 Polizisten wurden bis heute vom Dienst suspendiert. Ein Polizist etwa hatte eine ausländerfeindlich umgetextete Version der Nationalhymne verbreitet: „Flüchtling, Flüchtling über alles. Über alles in der Welt. Komm zu uns im Fall des Falles. Friss dich satt für unser Geld!“

Der Chat-Skandal der Polizei in Mülheim/Ruhr hat die Polizei wach gerüttelt. Das Mitarbeiter-Magazin der Polizei, „Die Streife“, hat das Thema in der aktuellen Ausgabe zum Schwerpunkt gemacht. „Die Polizei kämpft um ihren guten Ruf“, lautet die Titelüberschrift. „In der Gesellschaft gibt es einen Rechtsruck“, sagt Markus Ballentin. Die Polizei sei auch ein Teil der Gesellschaft. „Deswegen müssen wir aufpassen, dass rechte Ansichten nicht auch in die Polizei einsickern. Wenn man im Dienst schweren Belastungen ausgesetzt ist, ist Reflektion besonders wichtig.“

Beamte genervt von Handyvideos

Bei der Nachbesprechung von Einsätzen würden sich die Kollegen schon mal „auskotzen“. „Zum Beispiel darüber, dass sie von Passanten mit dem Handy gefilmt werden, wenn sie zum Beispiel einen Nordafrikaner kontrollieren. Oder darüber, dass man sie als Nazis beschimpft, während sie einen gefährlichen Straftäter in Schach halten“, berichtet Ballentin. Manche Verdächtige würden sich schreiend auf den Boden werfen, weil sie wüssten, dass die Polizei unter Rassismus-Verdacht stehe. „Es ist gut, wenn man im Kreis der Kollegen seinen Frust loswerden kann“, sagt der Leiter des Präsenztrupps.

Auch für Alican Kahraman gehören brenzlige Situationen zum Dienstalltag. Er arbeitet seit 2016 bei der Einsatzhundertschaft Duisburg. „Die Arbeit der Bereitschaftspolizei wird in Einsatzlagen oft von großen Menschenmengen beobachtet und lautstark kommentiert“, sagt der 28-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Herkunft von Verdächtigen spiele für das Vorgehen der Polizei keine Rolle. „Allerdings gibt es immer wieder Situationen, in denen die Beteiligten die getroffenen Maßnahmen und das Einschreiten der Polizei auf ihren Migrationshintergrund zurückführen.“

„Ich werde als Nazi-Schwein beschimpft“

Alican Kahraman hat kurdische Wurzeln und kam vor 20 Jahren als Flüchtlingskind aus Ostanatolien nach Deutschland. „Sogar ich werde ständig als Nazi-Schwein beschimpft“, berichtet der Kommissar. Rassismus sei in seiner Einheit kein Thema. „Trotzdem klebt jetzt auch an uns der braune Dreck“, ärgert sich Kahraman. Die rechten Polizisten hätten „Vertrauen zerstört und alles verraten, wofür wir Tag und Nacht arbeiten.“

Kahraman und sein Kölner Kollege setzen darauf, Probleme offen anzusprechen. Dabei reiche der Austausch innerhalb der Einheit aber nicht aus. „Wir brauchen das Instrument der Supervision“, sagt Ballentin. Es sei gut, auch mal eine externe Expertise einzuholen, um das Handeln zu reflektieren. „Das scheint mir ganz wichtig zu sein, wenn man verhindern will, dass negative Erfahrungen im Einsatz das eigene Weltbild verändern“, erklärt der 46-Jährige.

Supervision soll Fehlerkultur verbessern

Das Wort Supervision stammt aus dem Lateinischen und bedeutet – frei übersetzt – „von oben auf etwas drauf gucken“. Supervisionen werden von vielen Unternehmen eingesetzt, um die Fehlerkultur zu verbessern. Dabei werden Probleme mit einem externen Experten aufgearbeitet.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, plant das NRW-Innenministerium innerhalb der Polizei jetzt ein Pilotvorhaben mit dem Arbeitstitel „Alltagsreflexion“. In Anlehnung an das Supervisions-Modell soll den Teilnehmern unter professioneller Begleitung die Möglichkeit eröffnet werden, „berufliche Belastungen, Haltungen und Verhaltensweisen zu erörtern und zu reflektieren“, sagte eine Sprecherin von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unserer Zeitung. Die Teilnahme sei freiwillig.

Konkret soll den Polizisten ein Perspektivwechsel ermöglicht werden. Warum ist ein Einsatz wie gelaufen? Spielten schlechte Erfahrungen oder falsche Grundannahmen eine Rolle? Die Reflexion über Sinn und Wert der Arbeit soll die Beamten mental besser auf künftige Einsätze vorbereiten.

Darüber hinaus will die Polizei künftig schon im Auswahlverfahren und in der Ausbildung ein starkes Augenmerk auf rechtes Gedankengut richten, kündigt der neue Sonderbeauftragte zur Bekämpfung von Rechtsextremismus in der Polizei, Uwe Reichel-Offermann, an. Der frühere Verfassungsschützer soll ein Lagebild zu rechtsextremistischen Tendenzen in der NRW-Polizei erstellen. Seine Stabstelle geht zudem auch Hinweisen zu rechtsextremen Umtrieben in der Polizei NRW nach, die sich nach Informationen dieser Zeitung aktuell gegen 222 Beschäftigte richten.