Düsseldorf – Am Donnerstagmorgen bekamen nicht allein die Schulen in Nordrhein-Westfalen Post vom Bildungsministerium, auch an Schülerschaft und Eltern waren Briefe aus Düsseldorf adressiert. Ihr Inhalt: ein „Handlungskonzept Corona“, verbunden mit dem Dank an alle Beteiligten, dass man die Mühen der vergangenen Jahre unter dem Vorzeichen der Pandemie auf sich genommen habe. Am Donnerstagmittag dann informierte die neue Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) die Presse über die Eckpunkte des Konzepts, das noch vor den Herbstferien angepasst werden soll, sollte sich am Infektionsschutzgesetz des Bundes etwas ändern. Es ist das Ergebnis der Arbeit eines Koordinierungsstabes, den das Bildungsministerium unter Beteiligung von Gesundheits- und Familienministerium eingerichtet hat.
Welche Maßnahmen ergreift die schwarz-grüne Landesregierung, um die Corona-Entwicklung an den Schulen unter Kontrolle zu halten?Die Landesregierung von NRW empfiehlt allen, die am Schulleben teilhaben, das Tragen einer Maske. Es könne nur bei einer Empfehlung bleiben, sagt Dorothee Feller, weil man sich eben nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes richten müsse – und dieses schreibt derzeit keine Maskenpflicht vor. Es fehlt also auch in den Ländern die entsprechende gesetzliche Grundlage für eine Pflicht. Die Landesregierung folgt mit ihrer Empfehlung dem Expertenrat der Bundesregierung und wird den Schulen Masken zur Verfügung stellen.
Wie steht es um die Testungen?Auch bei den Corona-Tests in den Schulen kann die Landesregierung keine Verpflichtung aussprechen. In diesem Punkt folgt sie ebenfalls dem Expertenrat der Bundesregierung sowie dem Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen und empfiehlt eine „anlassbezogene Testung“. Diese soll, wenn Symptome erkennbar sind, möglichst im häuslichen Umfeld durchgeführt werden. Kommen Schülerinnen und Schüler trotz Symptomen in die Schule, oder brechen diese Symptome erst im Laufe des Schulbesuchs durch, können die Lehrkräfte die Betroffenen auffordern, sich einem Test zu unterziehen. Darauf verpflichten können sie die Schülerinnen und Schüler nicht.
Wie kommt man an die Tests?Grundsätzlich müssen die Schulträger beziehungsweise die Schulen für die Beschaffung der Tests sorgen. Eine Ausnahme gilt für die ersten Tag nach Schulbeginn: Am ersten Unterrichtstag können sich alle in der Schule testen lassen; bis zum 8. August werden die Schulen mit entsprechenden Tests durch das Land versorgt.
Gibt es weitere Maßnahmen, um die Verbreitung von Corona an den Schulen einzuschränken?In Sachen Luftfilter äußert sich die Ministerin skeptisch – zahlreiche Gutachten bestritten die Wirksamkeit dieser Geräte, die überdies durch Lärm den Unterricht störten. Feller schließt sich eher dem Plädoyer des Bundesumweltamtes an, regelmäßig zu lüften. Nur in Räumen, in denen das nicht möglich ist, seien Luftfilter sinnvoll. Die Mittel dafür stünden ebenso wie für CO-2-Messgeräte weiterhin zur Verfügung. Mit Blick auf die Gasversorgung im kommenden Herbst und Winter sagte Feller, die Schulen gehörten zu den „geschützten Kunden“. Ihr Ministerium befinde sich in enger Abstimmung mit den Kommunen und Schulträgern, bei denen die Verantwortung für die Gasversorgung liege.
Was geschieht, wenn Lehrkräfte in großer Zahl erkranken?In dieser Frage will Feller den einzelnen Schulen „möglichst viel Beinfreiheit“ geben, wie sie sagte. „Schulen müssen offen bleiben“, formulierte sie ihr Credo, auch die Stundentafel dürfe nicht ohne Rücksprache angetastet werden, also die Anzahl der in den jeweiligen Stufen und Schulformen erteilten Unterrichtsstunden. Wenn die Vertretungsregelungen nicht mehr ausreichen, weil zu viele Lehrkräfte erkranken, müssten die Schulen weitgehend selbst entscheiden, wie sie dies etwa durch digitalen Unterricht kompensieren könnten. Dazu soll es in den kommenden Wochen zu einem Monitoring durch die Bezirksregierungen kommen, die den Schulen auch in der konkreten Situation beratend und begleitend zur Seite stehen sollen.
Hat Feller andere Kernpunkte ihrer Arbeit außer Corona angesprochen?Als Daueraufgabe für die Bildungspolitik der kommenden Jahre bezeichnete die Ministerin die mangelhafte personelle Ausstattung der Schulen. Eine Studie hatte jüngst ergeben, dass mehr als 4000 Stellen von Lehrkräften in NRW nicht besetzt sind. Insgesamt will die neue Landesregierung laut Koalitionsvertrag 10000 neue Stellen schaffen. Im Bildungsministerium wurde eine Arbeitsgruppe „Unterrichtsversorgung“ geschaffen. Diese soll sich unter anderem mit der Erleichterung des Seiteneinstiegs befassen. Ein weiteres wichtiges Thema ist für Feller die gleiche Eingangsbesoldung nach A13 für alle Lehrkräfte, ganz gleich, ob sie an einem Gymnasium, einer Grund-, Real oder Gesamtschule unterrichten. Der Beruf als Lehrerin oder Lehrer müsse wieder mehr Wertschätzung erfahren.
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Wie beurteilen Opposition und Verbände Fellers Ankündigungen?Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD, sagt, „die neue Schulministerin scheint für Forderungen und Vorschläge der Opposition offen zu sein. Jedenfalls begrüßen wir, dass es im Handlungsleitfaden für die Schulen eine Empfehlung zum Tragen von Masken gibt und das Land den Schülerinnen und Schülern sowie dem Schulpersonal Tests für den Start zur Verfügung stellt“. Scheinbar hätten im Schulministerium Lerneffekte eingesetzt, die allerdings kein Strohfeuer bleiben dürften, so Ott. Auch der schulpolitische Sprecher, der FDP, Andreas Pinkwart, findet lobende Worte: „Das Handlungskonzept Corona des Schulministeriums setzt auf eigenverantwortliches Handeln aller Beteiligten und dezentrale Lösungen an den Schulen vor Ort. Die neue Landesregierung setzt damit den pragmatischen Kurs zur Pandemiebewältigung des ehemaligen FDP-geführten Schulministeriums fort. Wir begrüßen das sehr.“ Ausdrücklich begrüßt der Philologenverband NRW das Ziel der Landesregierung, alles daran zu setzen, die Schulen offen zu halten und den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. „Die Arbeitsbedingungen in den Schulen müssen jedoch grundlegend verbessert werden. Die Belastungsgrenzen der Lehrkräfte wurden in den letzten Jahren deutlich überschritten. Der Ankündigung des Koalitionsvertrags, Lehrkräfte spürbar zu entlasten, müssen nun schnellstmöglich Taten folgen“, so die Landesvorsitzende Sabine Mistler.