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SPD-Politiker aus Köln„Ich bin einer von den linken Spinnern“ – Jochen Ott warnt Friedrich Merz

Lesezeit 7 Minuten
Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, spricht bei der Landesdelegiertenkonferenz zur Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl.

Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, spricht bei der Landesdelegiertenkonferenz zur Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl.

Nach Karneval sollen die Sondierungsgespräche zwischen CDU und SPD beginnen. In Düsseldorf schlagen die Landesverbände erste Pflöcke ein.

Wenn Jochen Ott über die CDU spricht, sind keine freundlichen Worte zu erwarten. Das Verhältnis zischen dem Fraktionschef der SPD im Düsseldorfer Landtag und den Christdemokraten gilt als angespannt. In NRW sind die Gräben zwischen den Parteien traditionell tiefer als im Bund, denn eine Große Koalition hat es in NRW noch nie gegeben. Ott ist ein guter Redner, der sehr emotional werden kann, wenn ihn Dinge aufregen. Am Dienstag, im Foyer der Landtagsfraktion, war es wieder so weit.

Es geht um die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen – und die Art und Weise, wie die CDU derzeit mit der SPD umgeht. „Der Ton ist natürlich entscheidend für Gespräche“, sagt der Politiker aus Köln. „Und deshalb sage ich hier sehr deutlich: Links ist nicht vorbei. Hier steht einer dieser linken Spinner, über die Herr Merz letzte Woche gesprochen hat, und zwar in Fleisch und Blut.“ In seinem Wahlkreis hätten 75 Prozent der Menschen SPD, Grüne und Linke gewählt. Er sei nicht bereit, die Grundwerte der SPD über Bord zu werfen. Ratschläge der Union an seine Partei seien nicht hilfreich.

Otts Forderung nach einer respektvollen Ansprache trifft den Nerv vieler Genossen in diesen Tagen. Sie sind erschüttert über die Vehemenz der Niederlage, haben sich noch kaum gefangen. Statt Luft holen zu können, sehen sie sich durch Aussagen in die Enge getrieben, dass ein Bündnis mit der CDU staatspolitisch nötig und daher ja nur eine Formsache sei. „Nein, Herr Merz, so geht das nicht“, sagt Ott. „Wir sind natürlich bitter enttäuscht, und auch traurig. Aber in Sack und Asche gehen wir mit Sicherheit nicht.“

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Sondierungsgespräche nach Karneval – SPD will nicht „in Sack und Asche gehen“

Nach Karneval werden die Sondierungsgespräche zwischen CDU und SPD beginnen. Ott stellt schon mal klar, welche Pflöcke die SPD einschlagen will. Die Themen, die er nennt, werden Merz nicht gut schmecken. „Es ist eine pure Selbstverständlichkeit, dass wir über Umverteilung reden müssen“, sagt Ott mit einem freundlichen Lächeln. Natürlich müsse es auch einen Kitagipfel und einen Mietengipfel geben. Auch die Einführung einer Erbschaftsteuer stehe auf der Agenda – mit den Einnahmen könne man die Schulen und Universitäten wieder in Schuss bringen.

Dann geht Ott auf die Gründe krachenden SPD-Wahlniederlage ein. In Städte wie Gelsenkirchen, wo ein Wahlkreis an die AfD gegangen sei, funktioniere der Staat nicht mehr. „Die Spielplätze sind in einem unmöglichen Zustand, die Toiletten sind kaputt, die Bahnen kommen nicht und die Müllabfuhr ist zu selten da.“ Schuld an den Verhältnissen seien die Unterfinanzierung der Kommunen, an der die CDU eine erhebliche Mitschuld trage. Ohne eine Lösung der Altschuldenfrage und eine Lockerung der Schuldenbremse könne es keine Zusammenarbeit mit der Union geben.

In Berlin dürften die Äußerungen aus Düsseldorf genau wahrgenommen werden. Die NRW-SPD ist zwar von den stolzen Zeiten, als die Partei als Herzschlagkammer der SPD bezeichnet wurde, weit entfernt, aber es handelt sich immerhin noch um den größten Landesverband. Da darf man sich auch schon etwas weiter aus dem Fenster legen, wenn es um Selbstkritik geht.

„Jeder hier weiß, dass wir drei unbeliebte Ampel-Matadore hatten plus einen unbeliebten CDU-Kandidaten, was die Stimmung der Wahlberechtigten wahrscheinlich nicht besonders fröhlich gemacht hat“, bilanziert Ott. Ein abgewählter Olaf Scholz sei auch an seiner mangelhaften Kommunikation gescheitert. „Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Bundeskanzler eben mehr sprechen und auch mehr emotional führen muss, um die Menschen mitzunehmen“, gibt Ott zu Bedenken. Das habe Scholz „nicht hinbekommen.“

Die SPD hatte am Sonntag mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis jemals bei einer Bundestagswahl eingefahren. Es ist zugleich ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Parlamentswahl seit 138 Jahren – seit der Reichstagswahl 1887 im Kaiserreich, als sie noch Sozialistische Arbeiterpartei hieß. Ott erklärte, er bleibe zuversichtlich, dass es mit der SPD wieder bergauf gehen könne. Ein Flugzeug fliege nur, wenn es Gegenwind bekomme: „Ich bin ein wirklich unverbesserlicher Optimist. Deshalb glaube ich daran, dass wir das hinkriegen können, dass Deutschland ein modernes Land bleibt, in dem es weniger Ungleichheit gibt.“

Wüst will bei Verhandlungen mit am Tisch sitzen

Es ist die Zeit der Botschaften, die NRW vor Beginn der Koalitionsgespräche nach Berlin richtet. Nicht alles wird explizit ausgesprochen, auf den Subtext kommt es an. Es sind die versteckten Mitteilungen, aus denen man entnehmen kann, was die Strategen in der Düsseldorfer CDU derzeit umtreibt. Da ist die Frage, wer konkret an den Verhandlungen mit der SPD teilnimmt.

Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, steht im Konrad-Adenauer-Haus nach der Prognose zum Ergebnis der Bundestagswahl auf der Bühne. Dahinter steht Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen,  Am Sonntag fand die vorgezogene Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt.

„Wir sind das Kraftzentrum der CDU in Deutschland“ - NRW-Ministerpräsident Wüst will bei Verhandlungen mit am Tisch sitzen.

Eine Meldung, angeblich aus dem Konrad-Adenauer-Haus aus dem „Umfeld“ von Merz, wurde in Düsseldorf genau registriert. Sie besagte, bei den Gespräche mit der SPD solle zunächst nur ein kleiner Kreis beteiligt werden. Was ist damit gemeint? In NRW wird spekuliert, neben Merz, Generalsekretär Carsten Linnemann und Thorsten Frey (Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion) könne auch Jens Spahn zum „A-Team“ gehören.

In Düsseldorf hält man einen solchen Plan für wenig tragfähig. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst betonte bei seiner Wahlanalyse auffällig, welchen Anteil die NRW-CDU am Wahlerfolg von Merz gehabt habe. Die CDU aus NRW bildet mit 47 Abgeordneten nun die größte CDU-Landesgruppe im Bundestag und löst damit die CSU-Landesgruppe als stärkste Regionalgruppe im Parlament ab. „Wir sind das Kraftzentrum der CDU in Deutschland“, sagte Wüst. Eine Aussage, die in Düsseldorf als klares Signal an Merz gewertet wird, dass die NRW-CDU bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzen muss.

Abschiedsreden statt Regierungspläne bei den Grünen

Er ist erst seit November Parteichef und muss jetzt den Schock über den Machtverlust moderieren. Statt Pläne für ein neues Regierungsbündnis zu schmieden, wird Felix Bansazak Abschiedsreden halten. „Es gibt Tage, deren Tragweite erst nach und nach klar wird. Dieser Wahlsonntag war so ein Tag“, sagt der Politiker. Banaszak dankte der Partei für die Mobilisierung und „das Herzblut aller, die in diesem Wahlkampf über sich hinausgewachsen sind“. Und einer davon, ein sehr wichtiger, sei Robert Habeck. „Lieber Robert, Danke“, schrieb Banaszak auf einem Social-Media-Kanal.

Britta Haßelmann aus Bielefeld und die Kölnerin Katharina Dröge wollen erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren.

Britta Haßelmann aus Bielefeld und die Kölnerin Katharina Dröge wollen erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren.

In Düsseldorf wird naturgemäß die Neuaufstellung der Grünen in Berlin genau begleitet. Britta Haßelmann aus Bielefeld und die Kölnerin Katharina Dröge wollen erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Zunächst war spekuliert worden, Außenministerin Annalena Baerbock wolle für den Co-Vorsitz kandidieren – in dem Fall hätte Haßelmann den Posten der Vize-Landtagspräsidentin übernehmen können. Doch zu dem Postentausch kam es nicht. „Gut so“, kommentierte eine Landtagabgeordnete in Düsseldorf. „Für Annalena wird sich eine andere Rolle finden.“

FDP: Höne hält nichts von Debatte über Lindner-Nachfolge

Der Absturz bei der Bundestagswahl hat auch die Liberalen in NRW schwer getroffen. Ex-Frontmann Christian Lindner hat seine Laufbahn im NRW-Landtag als „Bambi“ in der Fraktion von Jürgen Möllemann begonnen. 2012 und 2017 feierte er glänzende Wahlerfolge. Wer kann Lindner, der aus Wermelskirchen stammt, ersetzen?

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki und die Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ließen durchblicken, dass sie nicht abgeneigt sind, das Erbe anzutreten. NRW-Landeschef Henning Höne hält nichts von öffentlichen Spekulationen. Er warnte vor „Schnellschüssen“ bei der Suche nach einem Lindner-Nachfolger. Das Wahlergebnis der FDP verlange nach einer „gründlichen Analyse“, sagte Höne dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die inhaltlichen und personellen Entscheidungen der kommenden Wochen werden das Fundament für das Comeback der Freien Demokraten sein“, fügte der Politiker aus dem Münsterland hinzu.

Wahlkampf (FDP) · Köln Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, spricht vor einer Wahlkampfverstaltung mit Henning Höne (FDP)Vorsitzender der FDP Nordrhein-Westfalen auf dem Rudolfplatz.

Christian Lindner und Henning Höne im Gespräch während eine Veranstaltung noch vor der Bundestagswahl. Wird Höne das frische Gesicht der FDP?

Dabei gelte „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. „Wir sollten uns keine vier Wochen Zeit lassen – aber noch sind nicht einmal vier Tage seit dieser Zäsur vergangen. Der Landesverband NRW wird keine Schnellschüsse unterstützen“, so Höne. Die Neuaufstellung müsse bis nach der Wahl in Hamburg am Sonntag warten. „Ich suche das Gespräch mit den anderen Landesverbänden und mit Verantwortungsträgern und Mitgliedern in unserem Landesverband. Deren Meinungen müssen gehört werden“, verlangte der NRW-Parteichef.

In Teilen der NRW-FDP wird auch Höne selbst als möglicher Bundesparteichef ins Spiel gebracht. „Eine Kandidatur von Henning wäre ein klares Signal der Erneuerung“, sagte ein Kommunalpolitiker aus Köln. Höne könne auf einen „Wüst-Effekt“ hoffen. Der Ministerpräsident von NRW war 2021 bundesweit als „frisches Gesicht“ der Union wahrgenommen worden, nachdem er die Nachfolge von Armin Laschet angetreten hatte. Damit begann ein rasanter Aufstieg. Mittlerweile sind sich viele in der Union sicher, dass Wüst der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre.