Auch der Kölner Jugendring musste seine Veranstaltung zur U18-Wahl absagen. Er erwägt eine Klage gegen die Bezirksregierung.
„Klima der Angst“AfD übt Druck auf Kölner Schulen aus, Podiumsdiskussionen abzusagen
![Podiumsdiskussion in Schule](https://static.ksta.de/__images/2025/01/21/948f72df-44f0-4c59-b747-9d4dd5c00b74.jpeg?q=75&q=70&rect=0,0,1886,1061&w=2000&h=1364&fm=jpeg&s=6d03f02777857f808a1693306607b4a4)
Podiumsdiskussionen zur Bundestagswahl sorgen in Köln für Diskussionen.
Copyright: Symbolbild dpa
Die Alternative für Deutschland (AfD) übt in Köln massiven Druck auf Schulen aus, die im Vorfeld der Bundestagswahl Podiumsdiskussionen oder politische Veranstaltungen ohne Beteiligung der AfD planen oder durchführen. „Wir werden es nicht zulassen, wenn Schüler einseitig indoktriniert werden“, erklärte Crister Cremer, Sprecher der AfD Köln.
Dabei läuft das Prozedere immer nach demselben Muster ab: Die Schulleitungen, deren Schulen Podiumsdiskussionen angesetzt haben, werden angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert und parallel die Bezirksregierung als Schulaufsichtsbehörde eingeschaltet. Die stellt die Schulen dann vor die Option: absagen oder den AfD-Vertreter aufs Podium laden. In der Regel führt das dann zur Absage.
Am gestrigen Donnerstag traf es allerdings mit dem Kölner Jugendring, unter dessen Dach 21 Kölner Jugendorganisationen verbunden sind, erstmals auch einen Träger der Jugendhilfe. Im Rahmen der U18-Bundestagswahl, die den Jugendring durchführt, sollte eine große Veranstaltung an der Katharina-Henoth-Gesamtschule stattfinden. Sie wurde gestern kurzfristig auf politischen Druck der AfD hin an der Schule abgesagt, da bei einem geplanten Speed-Dating mit Politikern kein Vertreter der AfD dabei war. „Die Bezirksregierung hat die Durchführung davon abhängig gemacht, dass die AfD eingeladen wird. Das kam für uns nicht in Frage“, erläutert Geschäftsführer Thorsten Buff.
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Dienstaufsichtsbeschwerde für Kölner Schulleiter
Besonders Besorgnis erregend sei für ihn gewesen, welche Konsequenzen dies für den Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule habe. „Dieser wurde mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde konfrontiert. Die Bezirksregierung hat ihm die dienstliche Weisung erteilt, entweder die AfD einzuladen oder die Veranstaltung abzusagen. Das muss man sich mal vorstellen“, berichtete der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Erstmals in der Geschichte des Kölner Jugendrings sei „ein solcher Eingriff erfolgreich durchgesetzt worden“, so Buff. Dies sei „ein alarmierendes Zeichen für die politische Einflussnahme auf demokratische Bildungsarbeit“. Die Bezirksregierung werde instrumentalisiert, um politische Bildung zu unterbinden. Der Jugendring prüft laut Buff derzeit auf der Ebene des Landesjugendrings eine Klage gegen die Bezirksregierung.
Absagen von Podiumsdiskussionen an Kölner Schulen
Damit die Veranstaltung, zu der Schülerinnen und Schüler aus der gesamten Stadt geladen waren, dennoch stattfinden konnte, bot der Vingster Pfarrer Franz Meurer kurzfristig Asyl in der Pfarrkirche von Sankt Theodor, wo die politische Debatte mit den Bundestagskandidaten von SPD, Grünen, CDU, FDP, Linken und Volt dann kurzfristig durchgeführt wurde.
Die Entwicklung ist allerdings kein Einzelfall. Auch in anderen Kölner Schulen – wie etwa gegenüber dem Heinrich-Heine-Gymnasium – wurde Druck aufgebaut, Podiumsdiskussionen, zu denen keine Vertreter der AfD eingeladen waren, abzusagen. „Die Bezirksregierung wirkt massiv auf Kölner Schulen aufgrund von Verstößen gegen die parteipolitische Neutralitätspflicht ein“ heißt es in einer Pressemitteilung der Kölner AfD. Diese hätten nur noch die Wahl: Mit der AfD oder eben keine Debatte.
Das Schulministerium hatte vor einigen Wochen klargestellt, dass Podiumsdiskussionen nicht verboten seien, „sofern sie den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien wahren und ein breites Meinungsspektrum abbilden“. Für die Schulen bedeutet das ein Dilemma: Laden sie die AfD ein, tolerieren sie die Verbreitung rechtspopulistischer und schlimmstenfalls ausländer- und minderheitenfeindlicher Positionen in ihrer Schule.
Sorge um den Schulfrieden
An der Gesamtschule Holweide war die Podiumsdiskussion ohne Beteiligung der AfD bereits gelaufen, als dies die Partei auf den Plan rief. Die Schulleitung steht dort nun gerade im Fokus und muss eine Erklärung der Bezirksregierung gegenüber abgeben. Sie habe keine Angst vor Interventionen der AfD oder etwaigen Konsequenzen daraus, betonte Schulleiterin Christa Dohle.
In vielen Schulen herrscht nun nicht nur der Eindruck, dass die AfD die Bezirksregierung mit dem Hebel des Neutralitätsgebots instrumentalisiert. Viele haben überdies große Sorge um den Schulfrieden, da die AfD auch öffentlich zur Meldung solcher Vorfälle aufruft. „Wir freuen uns über immer mehr Schüler und Eltern, die uns informieren“, schreibt AfD-Sprecher Cremer in der Pressemitteilung. In den Schulen sehen sie die Gefahr eines Klimas von Denunziation und Angst – und eben auch die Gefahr, dass sich Lehrkräfte gar nicht mehr trauen, im Unterricht klar Position zu beziehen gegen minderheiten- oder ausländerfeindliche Positionen der AfD.
Es geht um nichts weniger als um die Frage: Wieviel Rückgrat brauchen Demokraten im Umgang mit einer wehrhaften Demokratie?
„Das, was sich hier zeigt, ist nur die Spitze des Eisbergs“, kritisierte der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Jochen Ott. Es brauche nach der Wahl dringend eine Debatte darüber, „wie das in Zukunft mit der politischen Bildung an den Schulen funktionieren soll“. Auf der einen Seite stehe der Beutelsbacher Konsens mit der Neutralitätsverpflichtung und auf der anderen Seite die Werte des Grundgesetzes und die Frage nach der Grenze der freien Meinungsäußerung.
Die Schulen müssten da den Dienstherrn an ihrer Seite wissen. „Es geht um nichts weniger als um die Frage: Wieviel Rückgrat brauchen Demokraten im Umgang mit einer wehrhaften Demokratie?“ Gerade angesichts der nach der Bundestagswahl anstehenden Kommunalwahl brauche es da eine Klärung auf Landesebene.