Düsseldorf – Die Gewerkschaft für Lehrkräfte, Verband Bildung und Erziehung (VBE), blickt wegen der anhaltenden Pandemie mit Sorge auf den Schulbeginn nach den Sommerferien - insbesondere in Nordrhein-Westfalen, das als erstes Bundesland mit dem Unterricht startet. Stefan Behlau, Vorsitzender des VBE NRW, findet es "blauäugig zu glauben, dass Schulen, die ohnehin mit Personalmangel zu kämpfen haben, unbeschadet und ohne Einschränkungen starten – geschweige denn in den Herbst kommen". Wer einen kontinuierlichen Schul- und Unterrichtsbetrieb anstrebe, müsse auch Handlungsoptionen haben, um Schulen möglichst sicher zu machen, sagte Behlau auf Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeiger".
"Deswegen ist es dringend nötig, dass Bund, Land und Kommunen gemeinsam die notwendige Verantwortung übernehmen. Gut, dass Frau Ministerin Feller einen Corona-Koordinierungsstab eingerichtet hat, um frühzeitige Informationen zu gewährleisten. Besser wäre es, wenn der Bund ebenso frühzeitig das notwendige Handlungsinstrumentarium zur Verfügung stellen würde.“
Jochen Ott sieht weitere gravierende Probleme
Auch die SPD im Landtag beschäftigt der baldige Schulbeginn in NRW. Um die Corona-Entwicklung gerade am Schuljahresbeginn besser beobachten zu können, spricht sich der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Jochen Ott, für Reihentestungen in den ersten beiden Wochen nach Unterrichtsstart aus.
Ott sieht weitere gravierende Probleme, die auf dem Gebiet der Bildungspolitik auf die neue Landesregierung zukommen: Den Schulfrieden zu wahren und den Schulen Ruhe zu versprechen, „das ist zu wenig“.
Mit diesen Worten kommentierte der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Äußerungen der neuen Bildungsministerin von NRW, Dorothee Feller, die diese im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ formuliert hat. Angesichts eines bis ins kommende Jahrzehnt anhaltenden Lehrkräftemangels und einer ungleichen Verteilung von Bildungschancen stehe das Land vor einer Bildungskatastrophe, sagte Ott in Düsseldorf, wo er bildungspolitische Schwerpunkte seiner Partei vorstellte. An die neue Ministerin adressiert sagte er: „Verwaltung von Schule bedeutet, in die Bildungskatastrophe zu schlittern.“
Kritische Infrastruktur
Sowohl mit Blick auf die Schulen als auch auf die frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten stehe das System vor großen Herausforderungen. Schulen und Kitas müssten zur kritischen Infrastruktur gezählt werden.
Allein an den Kitas in den NRW fehlten 15.000 Erzieherinnen und Erzieher. Wie die von Feller angekündigten 10.000 neuen Stellen für Lehrkräfte besetzt werden sollen, ist für Ott ein Rätsel angesichts zahlreicher Abbrüche in Lehramtsstudiengängen und einer generell zu langen Ausbildungsdauer an den Hochschulen. Zudem verwies der SPD-Politiker auf die Leistungssituation an den Schulen – neue Studien belegten schwerwiegende Schwächen bei Viertklässlern in den Bereichen Lesen, Schreiben und Mathematik. Diese Defizite wirkten sich anschließend an den weiterführenden Schulen aus.
Bessere Bedingungen per Gesetz
Ott forderte für die Kita, die Elternbeiträge abzuschaffen und im Kinderbildungsgesetz (Kibiz) bessere Rahmenbedingungen für die Finanzierung und die personelle Ausstattung der Einrichtungen zu schaffen. Auch die Finanzierung von Alltagshelfern solle im Kibiz geregelt werden. Für die Schulen lehnte Ott in Übereinstimmung mit Feller Strukturdebatten ab, allerdings dürfe es nicht zu den vielen sogenannten Abschulungen kommen – damit ist der Wechsel vom Gymnasium an andere Schulformen gemeint. Gegen den Lehrkräftemangel empfiehlt die SPD unter anderem die Erleichterung des Seiteneinstiegs.