Köln/Düsseldorf – Grundsätzlich ist die Stadtschulpflegschaft in Köln der Ansicht, dass Kinder und Jugendliche in die Schule gehören, dass sie dort also körperlich, und um einen alten Witz zu bemühen, möglichst auch geistig anwesend sind. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass dies die beste Unterrichtsform darstelle.
Allerdings knüpfen Nathalie Binz und ihre Mitstreiter Bedingungen an diese Erkenntnis, ja, angesichts der steigenden Infektionszahlen lautet die Forderung der Stadtschulpflegschaft sogar, die Präsenzpflicht auszusetzen: Eltern respektive volljährige Schülerinnen und Schüler könnten in diesem Fall selbst über die Anwesenheit in der Schule entscheiden.
Damit verfolgt das Kölner Elterngremium einen Kurs, der sich noch moderat ausnimmt angesichts steigender Infektionszahlen und eines Schulbetriebs, der durch Beschluss der Landesregierung trotzdem in den Wechselunterricht aus Präsenz und Distanz übergeht.
Land verbietet Dortmund Schulschließungen
Andere sehen das anders, der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) zum Beispiel kündigte am Dienstagmittag an: „Wir sind der festen Überzeugung, dass es in diesem Moment überhaupt keinen Sinn macht, die Schulen zu öffnen. Und deswegen haben wir den dringenden Appell an die Schulministerin, die Schulöffnung und das Hochfahren des Präsenzunterrichts sofort zu beenden.“
Das werde er ablehnen, kommentierte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Armin Laschet den Vorstoß. Ministerpräsident Armin Laschet bekräftigte dies am Dienstagabend in der ARD, „weil dieser Oberbürgermeiste sich halt gegen alle Verabredungen der 16 Ministerpräsidenten, der Bundeskanzlerin und der Kultusminister stellt.“
Einen Antrag der Stadt Düren – deren Inzidenzwert weit über 200 liegt – auf das Aussetzen der weiteren Schulöffnungen bis zu den Osterferien hatte das NRW-Schulministerium bereits in der vergangenen Woche abgelehnt.
Auch viele Quarantänefälle führen nicht zu Schulschließung
Städte wie Wipperfürth im Oberbergischen Kreis verzeichnen ebenfalls einen zum Teil dramatischen Anstieg der Infektionszahlen, was sich auch in den Schulen widerspiegelt: Im dortigen Oberbergischen Berufskolleg befinden sich nach Angaben von Schulleiter Thilo Mücher seit der achten Kalenderwoche 50 Personen in Quarantäne, in der darauffolgenden Woche kamen noch 20 hinzu.
Nun wartet Mücher auf die angekündigten acht Pakete, die die Schnelltests enthalten. Dass der Inhalt ausreicht, ist ebenso ungewiss wie das Datum des Eintreffens. Laut Schulministerium wurden „bereits 300 000 Selbsttests an über 600 Schuladressen verschickt.“
Was bei vielen mit Bedenken begann, steigert sich seit dieser Woche zur massiven Kritik an der Landesregierung, nicht nur seitens der Opposition, die angesichts fehlender Impfperspektiven und stockender Versorgung mit Schnelltests von einer Katastrophe spricht und die Schließung der Schulen fordert.
Eltern beklagen sich über Entscheidungen des Landes
Auch Eltern schlagen Alarm. „Die minimalen Erwartungen sind doch tatsächlich noch unterboten worden“, heißt es in einer Stellungnahme der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW. Schüler sollen im Klassenraum zusammen mit den anderen Schülern getestet werden.
„Wann war Ministerin Gebauer zuletzt beim Arzt und wurde dort quasi im Wartezimmer untersucht, und alle anderen guckten zu? Wie steht es da um die Privatsphäre?“, fragen sich Vertreter des Landesverbands, der einen Test pro Woche für zu wenig hält– zwei Tests seien das Minimum.
Auch der Philologenverband NRW hält das Vorgehen für unangemessen. Es sei nicht hinnehmbar, dass Schüler und Lehrer im Klassenraum einer Situation der Beunruhigung und Verunsicherung ausgesetzt werden, da in jedem Fall mit positiven Testergebnissen zu rechnen ist.
Die Landesregierung habe ihre Hausaufgaben angesichts der dritten Welle nicht gemacht, so die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW. „Jetzt für zehn Schultage wieder mit allen zu beginnen, birgt die Gefahr, dass Infektionen in die Familien getragen werden“, erklärt deren Landesvorsitzende Maike Finnern.
Schülervertreter enttäuscht wegen mangelhafter Teststrategie
Es ist ein Gemisch aus Zustimmung zum Präsenzunterricht und gleichzeitiger Resignation im Hinblick auf das Infektionsgeschehen, dass die Stimmungslage in diesen ersten Tagen prägt, in denen sich die Schulbänke stärker füllen als in den Wochen zuvor: Mit dem 22. Februar kehrten zunächst Grundschüler und Abschlussklassen zurück – seit Montag nun hofft die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern auf ein wenig mehr Normalität durch Wechselunterricht.
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„Wir wollen gerne öffnen“, sagt Thilo Mücher vom Oberbergischen Berufskolleg und begrüßt durchaus diesen Schritt, zumindest im Prinzip – doch Prinzipien haben in der Corona-Krise eine geringe Haltbarkeit. Das zeigt auch eine länderübergreifende Reaktion wie die des Generalsekretärs der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm. „Die ersten Schritte der Öffnungen sind ein enorm wichtiges Signal für alle, die durch die Pandemie ohnehin schon auf der Strecke geblieben sind“, sagt Schramm. Doch „die Zahlen bereiten ebenso große Sorgen, besonders wenn man bedenkt, dass es immer noch an Infektionsschutzkonzepten fehlt. Ich bin zutiefst enttäuscht und wütend, dass die Länder noch immer an den Schnelltests scheitern.“