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Pro und ContraSollten Abgeordnete dazuverdienen dürfen?

Lesezeit 5 Minuten
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Ein Mitarbeiter eines Unternehmens prüft und stapelt medizinische Masken.

  1. Jede Woche thematisiert die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Streitfrage. Diesmal: Sollten Politiker angesichts der Maskenaffäre dazuverdienen dürfen?
  2. Markus Schwering, 64, Redakteur im Kulturressort, plädiert für ein „qualifiziertes Ja“ zum Nebenverdienst von Abgeordneten: „Nicht jeder Nebenverdienst ist moralisch anrüchig.“
  3. Claudia Lehnen, 42, Ressortleiterin Story & NRW, ist sehr dafür, dass gute Leistung gut bezahlt wird, hält es aber für einen Trugschluss zu glauben, dass immer diejenigen am meisten leisten, die am besten bezahlt werden.

Pro: Nicht jede bezahlte Nebentätigkeit ist gleich moralisch anrüchig Es gab einmal einen CDU-Abgeordneten namens Kurt Birrenbach, von dem es hieß, er sitze „für Thyssen im Bundestag“. Also nicht, um die Wählerbelange zu vertreten, und auch nicht, um den Imperativen seines Gewissens zu folgen, sondern um die Geschäftsinteressen eines Industriegiganten und mutmaßlich auch seine eigenen zu bedienen. Ein Lobbyist nicht in der Lobby, sondern im Hohen Haus – da wurden die üblichen Transmissionsriemen zwischen Wirtschaft und Politik glatt überflüssig.

Aus heutiger Sicht mutet der Sachverhalt, so die Fama ihn korrekt abbildet, skandalös an, und das mit gutem Grund: Es ist mit der Aufgabenbeschreibung eines demokratischen Parlamentsabgeordneten nicht vereinbar, dass er mit Hilfe seines Mandats partikulare ökomonische Interessen durchsetzt – seien es seine eigenen oder die eines Auftraggebers oder gleich beide.

Nicht jede bezahlte Nebentätigkeit ist anrüchig

Mit einem Hammerschlag schafft das Problem aus der Welt, wer Abgeordneten grundsätzlich eine Verdiensttätigkeit jenseits ihres Mandats verbieten will. Dazu könnte sich veranlasst sehen, wer sich in diesen Tagen legitimerweise darüber empört, wie Parlamentarier der Union bei Masken-Deals kräftig in die eigene Tasche wirtschaften. Indes dürfte er das Kind mit dem Bade ausschütten, denn nicht jede bezahlte Nebentätigkeit ist moralisch anrüchig.

Schwering Rako

Markus Schwering

Den Arzt, der in den Bundestag gewählt wird und in dem Maß, wie ihm sein Mandat noch Zeit dafür lässt, weiter praktiziert – soll man ihn der Verachtung preisgeben? Den Inhaber eines Familienbetriebs, der diesen auch als Abgeordneter weiterführt? Den gewählten Wissenschaftler, der Aufsätze publiziert und Gutachten anfertigt und dafür Honorare erhält? Prinzipiell dürfte die Sache eigentlich eindeutig sein: Nebenerwerb ist solange mit der politischen Moral vereinbar, wie sichergestellt ist, dass er mit dem Mandat nicht geldwert verquickt ist, sein Träger dieses also nicht instrumentalisiert, um Kasse zu machen. Mitunter mögen die Grenzen des Akzeptablen verschwimmen, aber Zweifelhaftes müsste von Fall zu Fall diskutiert werden – und es geht oft gar nicht um glasklare Gesetzesverstöße, sondern um strittige Werturteile in Sachen Angemessenheit und Geschmack.

Überprüfung ist allemal ein heikles Problem – hier kommt das Lobbyregister ins Spiel, dessen Einführung der Bundestag nun beschlossen hat. Zu Recht. Zweifelhaft ist aber, ob sich mit ihm alle Schlupflöcher stopfen lassen – Gier ist erfinderisch.

In der Wirtschaft wird halt oft besser verdient

Für ein – allemal qualifiziertes – Ja zur bezahlten Nebentätigkeit von Abgeordneten sprechen auch pragmatische Aspekte. Häufig ist eine Mandatsübernahme mit Einkommensverlusten verbunden – in der freien Wirtschaft wird halt oft besser verdient als mit Parlamentstätigkeit. Wer dieses Argument mit einem entrüsteten Appell an den Idealismus ausbremst, agiert weltfremd.

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Vielmehr sollte absehbarer Mindererwerb keine Barriere dafür sein, dass Sachverstand aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen im Parlament Einzug halten kann. Aus dieser Sicht erscheint auch die beliebte Kritik an Diätenerhöhungen problematisch. Es stimmt nicht immer, ist aber auf jeden Fall erwägenswert: Wer dank seines Mandats gut verdient, ist weniger anfällig für Korruption.

Contra: Man kann nicht der Allgemeinheit dienen, sich aber selbst das größte Stück abschneiden

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Ein Mitarbeiter eines Unternehmens prüft und stapelt medizinische Masken.

Claudia Lehnen, 42, Ressortleiterin Story & NRW, ist sehr dafür, dass gute Leistung gut bezahlt wird, hält es aber für einen Trugschluss zu glauben, dass immer diejenigen am meisten leisten, die am besten bezahlt werden.

Wer Bundestagsabgeordneter in Deutschland ist, verdient monatlich etwas mehr als 10.000 Euro. Eigentlich. Für Nebentätigkeiten streicht jeder dritte Staatsdiener aber zusätzlich ein. Das ist explizit erlaubt. Allerdings nur, so lange die eigentliche Tätigkeit – nämlich der Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern – im Mittelpunkt steht. Und daran lässt sich, betrachtet man die Kontoeingänge mancher Politikerinnen und Politiker, zumindest zweifeln.

Zusätzlich zu seinem ja schon guten Gehalt vom Staat führt der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beispielsweise auf seiner Bundestagsseite Beraterhonorare in einer Höhe von mehr als einer halben Million Euro auf, dazu kommen Einkünfte aus einer Teilnahme bei Unternehmensgremien und ein Gehalt als Präsident der arabisch-deutschen Handelskammer. Insgesamt summiert sich Ramsauers Zubrot so auf stattliche 896 000 Euro, wie die Recherchen von Abgeordnetenwatch ergeben haben.

Lehnen Roll

Claudia Lehnen

Seine Diäten für seinen Hauptjob werden da plötzlich zum mickrigen Taschengeld. Ramsauer ist nicht der einzige, der nebenbei Kasse macht. Christian Lindner (FDP) strich laut Abgeordnetenwatch 424 500 Euro für Nebenjobs ein, Ulla Schmidt (SPD) 207 500, Gregor Gysi (Die Linke) 470 000 Euro vor allem für seine Autobiografie.

Interessenskonflikte sind programmiert

Interessenskonflikte sind da programmiert, wenn beispielsweise gesundheitspolitische Sprecher in Krankenkassenbeiräten sitzen, aber auch dann, wenn Firmen sich durch ein Honorar überhaupt Zugang zum Bundestag erkaufen. Oder erscheint es Ihnen nicht wahrscheinlich, dass beispielsweise Volker Kauder, der im Aufsichtsrat des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG sitzt und von dort monatlich zwischen 3500 und 7000 Euro extra erhält, den Bergbau und damit seinen Geldgeber bei möglichen Entscheidungen zumindest nicht schlecht wegkommen lässt?

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Umgekehrt ist das Mandat für viele Politiker auch ein Sprungbrett in die Wirtschaft. Glauben Sie nicht auch, dass Christian Lindner gerade deshalb ein so gern gesehener Gast bei hoch dotierten Kaminabenden ist, weil er als Bundestagsabgeordneter Einfluss auf Gesetze hat?

Gier ist eine hinderliche Eigenschaft für Politiker

Aber ganz abgesehen von Verstrickungen, Bestechlichkeit und fehlender Transparenz: Politikerinnen und Politiker, die sich dafür entschieden haben, dem Gemeinwohl zu dienen, sollten als erstes auch das Gemeinwohl im Blick haben. Und nicht vor allem daran denken, persönlich möglichst viel Profit zu machen.

Es ist nicht so, dass Bundestagsabgeordnete kein gutes Geld verdienen dürfen. Aber es ist ihrer Arbeit zuträglich, wenn sie sich nicht allzu weit vom Leben derer entfernen, deren Geschicke sie vertreten. Sie müssen nachvollziehen können, wie sich die Alleinerziehende fühlt, wenn die Waschmaschine kaputt geht, wie der Durchschnittsverdiener, der jeden Morgen um sechs mit der Bahn zur Arbeit fährt, um einmal im Jahr seinen Kindern das Meer zeigen zu können. Politiker müssen empathisch sein. Gier ist da eine höchst hinderliche Charaktereigenschaft.

Denn: Man kann nicht der Allgemeinheit dienen, sich gleichzeitig aber selbst das größte Stück vom Kuchen abschneiden. Ich oder wir. Man muss sich entscheiden.