AboAbonnieren

Putin-Witze und die „Merkel-Obama”-Holzbank

Lesezeit 5 Minuten

Elmau – Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Folgen, das sind die beherrschenden Themen des G7-Gipfels auf Schloss Elmau in Bayern.

Doch so ernst die Lage auch ist - kurz vor ihrer ersten Arbeitssitzung haben sich die G7-Staats- und Regierungschefs über den russischen Präsidenten Wladimir Putin lustig gemacht. Der britische Regierungschef Boris Johnson stieß am Sonntagmittag, wie auf Fernsehbildern zu sehen war, als letzter zu der Runde auf Schloss Elmau dazu. Er fragte angesichts der hohen Temperaturen, ob man die Jacketts wohl ausziehe oder nicht, und fügte hinzu: „Wir alle müssen zeigen, dass wir härter sind als Putin.” Der kanadische Premier Justin Trudeau erwiderte unter anderem: Reiten mit nackten Oberkörper, das müsse man machen. Er spielte damit auf ein bekanntes Foto Putins in solcher Pose an. Die Zitate wurden von Kamerateams aufgezeichnet, die vor Beginn der G7-Runde kurzzeitig für Aufnahmen in dem Saal zugelassen waren.

Gipfelteilnehmer posieren vor berühmter Bank

Alles zum Thema Angela Merkel

Das dürfte das Bild des G7-Gipfels 2022 sein: Die Staats- und Regierungschefs haben sich am Sonntagabend an jener Holzbank versammelt, an der schon 2015 ein ikonisches Bild der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama entstand.

Vor sieben Jahren saß Obama mitten auf der Bank und breitete seine Arme sehr lässig auf der Lehne aus, während vor ihm Merkel ebenfalls mit ausgebreiteten Armen stand.

Dieses Mal stellten sich die sieben Staats- und Regierungschefs sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel in einer Reihe hinter die Bank, mit dem Alpenpanorama im Hintergrund. Kanadas Premierminister Justin Trudeau legte dem britischen Premier Boris Johnson und dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida fast freundschaftlich die Arme über die Schulter, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verzichtete auf sein Sakko.

Biden blickt in Trachten-Dekolletees

Als Joe Biden zu seinem ersten Deutschlandbesuch als US-Präsident aus dem Flieger steigt, bekommt der 79-Jährige zunächst etliche Dekolletees zu sehen, in denen Blumensträuße stecken. Ein gutes Dutzend Frauen in bayerischen Trachtenkleidern, manche trotz Hochsommer mit Pelzmütze, stehen am Münchner Airport Spalier und lächeln dem mächtigsten Politiker der Welt entgegen. Getrennt von ihnen warten auch Männer in Lederhosen am Roten Teppich auf den Gast beim G7-Gipfel. An Bidens Seite schreitet stolz der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, auch er im Trachtenjanker.

Auch ausländische Journalisten machen die Trachtenparade zum Thema. „Für mich ziehen sich die Deutschen nie so an, wenn ich zu Besuch komme”, schrieb etwa der britische Kolumnist Ian Bremmer, der fast 700.000 Follower auf Twitter hat. In den Kommentaren darunter bemühten sich schnell etliche Deutsche, offensichtlich peinlich berührt, um Klarstellung. „Diese Menschen sind Bayern. Deutsche ziehen sich so nicht an”, schrieb ein User.

Bahn frei für Biden

Die meisten Staats- und Regierungschefs wurden nach der Landung am Münchner Flughafen per Helikopter vom Münchner Flughafen auf Schloss Elmau gebracht, fast alle von der Bundespolizei. Nicht so ausgerechnet Joe Biden, der mitten in der Nacht auf Sonntag ankam. Der US-Präsident wurde von München zu einem kleinen Flugplatz in Ohlstadt geflogen, legte die letzten rund 40 Kilometer aber dann in einer Limousine zurück. Der Grund nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur: Wegen schlechten Wetters hatten die Piloten des US-Präsidenten in den Tagen vor dem Gipfel die Landung in der Nähe von Schloss Elmau nicht ausreichend oft üben können - darüber hatte zunächst die „Bild”-Zeitung berichtet.

Damit dann ja kein Demonstrant dem Präsidenten in die Quere kommen konnte, sperrte die Polizei zum Beispiel in Garmisch schon lange vorher die gesamte Strecke, mitten durch die Stadt, mit Absperrgittern und einem Großaufgebot an Einsatzkräften ab - Überqueren unmöglich. Die meisten nahmen es offenbar gelassen: Als die Präsidenten-Kolonne schließlich die Strecke passierte, waren sogar Jubelrufe von Schaulustigen zu hören.

G7-Partnerprogramm nur mit Damen

Der Mann von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fehlte, deshalb war bald klar, dass das traditionelle G7-Partnerprogramm eine reine Frauenrunde werden würde. Aber auch die First Lady der USA, Jill Biden, und andere Partnerinnen kamen nicht nach Elmau. Am Ende waren es nur vier Teilnehmerinnen: Gastgeberin Britta Ernst, die Frau von Bundeskanzler Olaf Scholz, Brigitte Macron, die Ehefrau des französischen Präsidenten, Boris Johnsons Ehefrau Carrie und Amélie Derbaudrenghien, die Frau von EU-Ratspräsident Charles Michel. Auf dem Programm für die Partner standen zur Region passende Aktivitäten: Nordic Walking mit den Skistars Christian Neureuther und dessen Schwiegertochter Miriam, Gespräche mit Forschern von Deutschlands höchstgelegener Umweltforschungsstation im Schneefernerhaus und ein Treffen mit einer Geigenbaumeisterin aus dem nahen Mittenwald.

Söder und die G6

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hieß die G7-Chefs am Samstag vorab per Twitter willkommen - aber auf dem Foto fehlte einer: der Bundeskanzler. „Die Welt zu Gast in Bayern: Welcome to Bavaria”, schrieb der CSU-Chef. „Wir begrüßen die wichtigsten Staatschefs der Welt.” Abgesehen davon, dass nicht alle tatsächlich Staatschefs, sondern „nur” Regierungschefs sind, waren auf dem Foto statt sieben nur sechs abgebildet, quasi G6 statt G7: Biden, Macron, Johnson, Trudeau, Italiens Regierungschef Mario Draghi und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida. Ausgerechnet Scholz fehlte - was Söder auf Twitter viel Kritik und Spott einbrachte. Ein Twitter-Nutzer suchte mal eben das CSU-Begrüßungs-Foto zum G7-Gipfel 2015 in Elmau heraus: Damals waren es sieben - mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz im Vordergrund.

Bio-Wagyu–Tatar und Goldforelle

Ernste Themen, exklusives Essen: Die G7-Staats- und Regierungschefs haben auf Schloss Elmau am ersten G7-Gipfeltag ein abwechslungsreiches Mittagessen serviert bekommen - erst Rindertatar, dann Goldforelle. Die Speisenfolge sah nach dpa-Informationen so aus:

• Bayrisches Bio-Wagyu–Tatar/gebacken Elmauer grüne Sauce, Escabechegemüse, Meerrettich

• Birnbaums Goldforelle vom Landsberg – in Leindotteröl pochiert Estragon-Senfnage, Kohlrabi, Bavaria Juwel – gebräunt

• Karamellisierte Schmandtarte Weizengras, falsche Himbeere – geliert

© dpa-infocom, dpa:220626-99-807994/7 (dpa)