Bekommt sie Geld aus Moskau oder ist sie von sich aus knallhart prorussisch? So oder so ist Wagenknecht wichtig in Putins Deutschland-Strategie.
Putins zentrale FigurDie sieben Seltsamkeiten der Sahra Wagenknecht
Vergessen ist ihr Burn-out im Jahr 2019. Vergessen sind auch ihre monatelangen Querelen mit den eigenen Leuten aus der Linkspartei. Auf den politischen Bühnen des Sommers 2024 wirkt sie jetzt wieder wundersam stark, streng und seherisch – wie die legendäre ägyptische Königin. Deren Name Neferet‑iti bedeutet „Die Schöne ist gekommen“.
Sahra Wagenknecht, 55, ist aktuell Deutschlands erfolgreichste Politikerin. Keine Partei zog in jüngster Zeit so viele neue Wähler an wie ihre. Und keine brachte die deutsche Politik in so kurzer Zeit so sehr durcheinander. Der „Spiegel“ präsentiert sie auf dem neuesten Titel als „Die Systemsprengerin“ und fragt: „Was plant Sahra Wagenknecht?“
Eins zumindest steht schon fest: Wagenknecht zeigt einem an alten Gewissheiten zweifelnden neuen Deutschland, was heute alles geht.
Mit einer dreistelligen Zahl von Mitgliedern – 650 waren es im Juli bundesweit –, wenigen privaten Millionenspendern und nur einer einzigen immer wieder vorgezeigten Galionsfigur auf den Plakaten wurde in Europas wichtigster Industrienation mal eben eine komplett neue Partei hochgezogen wie ein Fertigbau.
1. Demokratie? Transparenz? Alles nicht ihr Ding
Wagenknecht wagt sich an völlig neue Methoden. Statt sich noch länger mit ihrer Traditionstruppe von der Linkspartei herumzuschlagen, hat sie kurzerhand ihre eigene Partei gegründet – und sogar nach sich selbst benannt: Bündnis Sahra Wagenknecht.
Schon dessen Name ist der erste Hinweis auf eine frappierende Seltsamkeit Wagenknechts. Ihre Egozentrik kennt keine Grenzen. Sogar in totalitären Staaten vermeiden es moderne Potentaten heutzutage, Parteien nach sich selbst zu benennen.
Wagenknecht schert sich nicht um Abzüge in der B‑Note. Sie will ihre Macht maximieren, und zwar schnell. Innerhalb der Linkspartei hatte Wagenknecht diverse Kämpfe um Posten und Positionen verloren. Nun hofft sie, fast wirkt es niedlich, dass in einem Bündnis Sahra Wagenknecht keine Abwahlanträge gegen Sahra Wagenknecht kommen.
Man kann dieses Denken nachvollziehbar finden oder auch lächerlich. Es ist jedenfalls demokratiewidrig.
Doch Demokratie, Transparenz und Toleranz sind ohnehin nicht Wagenknechts Ding. Die Chefin selbst wacht darüber, wer Mitglied werden kann beim BSW und wer nicht. Jeder in der Partei weiß: Es sollen im Zweifel nicht allzu viele Mitglieder werden. Und sie sollen vor allem folgsam bleiben. Schon frühzeitig gab Wagenknecht in einem „taz“-Interview ihre strenge Linie bekannt: „Bei einer so jungen Partei müssen wir natürlich aufpassen, dass im Zuge des Wachstums nicht plötzlich andere Inhalte mehrheitsfähig werden.“
Veränderung von Politik durch Mehrheiten? Wo kommen wir da hin? Lieber sucht sich die Führerin ihre Follower aus. Ob eine solche innerparteiliche Willensbildung von oben nach unten mit dem deutschen Parteiengesetz und dem Grundgesetz vereinbar ist, werden irgendwann die Gerichte klären müssen.
2. Sie liefert Streit, keine Lösung
Nach den BSW-Erfolgen in Sachsen und Thüringen schlug Wagenknecht vor Journalisten in Berlin kühne Töne an. Jetzt gehe es darum, „die deutsche Politik zu verändern, nicht für Jahre, sondern für Jahrzehnte“. Erschrocken notierte der „Spiegel“ in seiner jüngsten Titelgeschichte: „Seit dem Wahlabend klingt dieser Satz nicht mehr schräg, lachhaft oder größenwahnsinnig, sondern wie eine reale Möglichkeit.“
Wird Wagenknecht nicht aber doch überschätzt? Normalerweise hat, wer auf nationaler Ebene zu Veränderungen ausholt, schon mal ein oder zwei Ebenen drunter bewiesen, dass er so etwas kann. Wagenknecht aber hat nie in ihrem Leben in einem öffentlichen Amt konkret Verantwortung für Menschen übernommen. Nicht mal in einer Samtgemeinde. Das Dienen liegt ihr einfach nicht. Jeder Kleinstadtbürgermeister verdient insofern mehr Respekt.
Wagenknecht kann brillant reden und argumentieren, sie hat Freude an der Zuspitzung. Dass bei ihr alles etwas radikaler klingt, nicht so langweilig wie bei anderen, verschafft ihr einen Bonus bei Fernsehauftritten: Die Sender wollen immer auch Entertainmentinteressen bedienen.
Hat, wie manche meinen, Deutschlands Talkshowkultur die Figur Wagenknecht überhaupt erst erschaffen? Schon im Jahr 2017 war Wagenknecht der am häufigsten eingeladene Gast in deutschen Talkshows. Und Wagenknechts nächster Primetime-Termin ist seither niemals fern. Ein weiterer steht schon heute Abend an, bei „Caren Miosga“ in der ARD um 21.45 Uhr.
Im Jahr 2022, nach Russlands Einmarsch in die Ukraine, stieg abermals der Wagenknecht-Bedarf der Talkshows. Denn Wagenknecht gehörte zu den wenigen, die immer wieder verständnisvolle Worte für Staatschef Wladimir Putin finden – und damit dem ebenso naiven wie in Deutschland weiterhin weit verbreiteten Wunsch nach „Ausgewogenheit“ entsprachen. Dass sich hier angesichts des schlimmsten Angriffskriegs seit 1945 in Wirklichkeit ein False-Balance-Problem ergeben hatte, und zwar ein wahrhaft makabres, schien den Programmverantwortlichen nicht aufzugehen.
Ihre größten Triumphe feiert Wagenknecht, seit sie 2023 als weit links Gestartete auch all jenen die Hand reichte, die weit rechts unterwegs sind: den Nationalisten, den Ausländerfeinden, den Kritikern der Ukraine-Hilfen, des Leugnern des Klimawandels, den EU‑Gegnern und Amerikahassern. „Sahra Wagenknecht ist die nationalste Versuchung, seit es Sozialismus gibt“, jubelt Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Magazins „Compact“. „Ihre Mischung aus Nitro und Glyzerin sprengt die Blockade auf, mit der das Regime jede Diskussion um Islam und Asyl, um Gender und Transen, um Corona und Russland eingemauert hat.“
Wagenknecht war immer schon eine Expertin für Streit, nicht fürs Zusammenführen. Genau dies macht jetzt ihren Erfolg aus. Wagenknecht bringt nicht nur die Extremisten von links und rechts zusammen. Sie verabschiedet sich auch, in einem noch revolutionäreren Schritt, vom traditionellen Grundgedanken eines konstruktiven Zusammenwirkens in der und für die Demokratie. Nicht diese oder jene Lösung, sondern Streit und Spaltung sind für Wagenknecht das Ziel. Man kann auch sagen: ihre Geschäftsidee. Sie ist unter die „Polarisierungsunternehmer“ gegangen, wie es der Soziologe Steffen Mau formuliert.
3. Sie macht Kasse mit Konflikten
Wem nützt das? Eine erste, ebenso simple wie zutreffende Antwort lautet: ihr selbst.
Als Autorin und Rednerin hat Wagenknecht im vorigen Jahr zusätzlich zu ihren Diäten 750.000 Euro an Honoraren eingenommen. Am meisten Geld brachte ihr Buch „Die Selbstgerechten“, in dem sie nicht nur den Kapitalismus kritisiert, sondern auch die „Lifestyle-Linken“ an ihrer Seite. Die Frage, ob sie am Ende selbst als selbstgerecht erscheinen könnte, schob sie beiseite. Der Rundumschlag ließ die Kasse klingeln. Nur vier der aktuell 733 Abgeordneten des Bundestages haben höhere Nebeneinkünfte als Wagenknecht.
Die Linken-Abgeordnete Janine Wissler riet Wagenknecht, sie solle sich lieber auf die Arbeit im Parlament konzentrieren. Dort fehlte Wagenknecht auffallend oft. Ende 2022 zum Beispiel schwänzte Wagenknecht nach Angaben ihrer damaligen Fraktionskolleginnen und ‑kollegen gleich neun namentliche Abstimmungen nacheinander.
„Mir reicht es“, schimpfte die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler in einem unvergessenen Tweet aus dem Jahr 2022. „Wir reißen uns hier den A… auf …“
Wagenknechts Büro verwies stets mit dem Ausdruck des Bedauerns auf „Terminkollisionen“, etwa durch Auftritte Wagenknechts in Medien oder auf Diskussionsveranstaltungen.
Die Präsenz auf gewissen Podien, vor allem vor Vermögensberatern in der Schweiz, ist für Wagenknecht lukrativ. Für eine Keynote-Rede bei der Züricher Swiss Rocket Asset Management AG zum Beispiel rief sie 10.000 Euro auf. Vor dem Schweizerischen Institut für Auslandsforschung hielt Wagenknecht eine Rede zu dem Thema „Warum wir wieder mehr Zusammenhalt und Gemeinsinn brauchen“ – und strich dafür 10.000 Euro ein.
4. Millionäre ebnen ihr den Weg
Wagenknechts frühere linke Anhänger finden so etwas problematisch. Ihre neuen Fans dagegen finden es pfiffig: Viele Förderer des BSW sind selbst Millionäre.
Als Schatzmeister der neuen Partei fungiert der von Wagenknecht begeisterte baden-württembergische Unternehmer Ralph Suikat. Als größter Spender trat Thomas Stanger aus Mecklenburg-Vorpommern hervor, nach eigener Darstellung ein High-Tech-Investor.
Stanger überwies der neuen Partei als Starthilfe mittlerweile 5,1 Millionen Euro. Da machten auch die Schatzmeister aller anderen Parteien große Augen: Noch nie in der deutschen Parteiengeschichte hat eine so hohe Summe als Einzelspende die Hände gewechselt.
Zur Begründung verwies Stangers Ehefrau Lotte Salingré auf Wagenknechts striktes Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine. „Uns ist Friedenspolitik sehr wichtig. Wir wollen, dass Konflikte ohne Waffen und Kriege gelöst werden“, sagte Salingré dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Leider setzten zurzeit alle anderen deutschen Parteien „mehr auf Waffenlieferungen in Krisengebiete als auf diplomatische Konfliktlösung“.
Den übrigen Parteien wird das BSW zunehmend unheimlich. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte Ende August in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor verdeckter ausländischer Einflussnahme, „wenn die Despoten dieser Welt verstehen, dass man sich im größten EU‑Mitgliedsstaat mit ein paar Millionen eine Pappmaché-Partei aufbauen kann“.
Zu den Seltsamkeiten dieser Tage gehört, dass Wagenknecht und ihr Schatzmeister Suikat entschieden haben, das zentrale bundesweite Spendenkonto des BSW bei der Volksbank Pirna einzurichten. Deren Chef Hauke Haensel gilt als Freund von Russland-Geschäften und als Gegner von EU‑Sanktionen gegen Moskau. Mutmaßungen, in Pirna liefen verdeckt Gelder zur Förderung des BSW zusammen, wies Wagenknecht in der Sendung „Markus Lanz“ am 17. Januar 2024 zurück. Lanz hielt Wagenknecht vor, die Volksbank Pirna mache auch „Geschäfte mit Linksradikalen, mit Rechtsradikalen, mit russischen Propagandisten“, Wagenknecht konterte, die Volksbank Pirna habe schlicht und einfach bundesweit „die besten Konditionen geboten“.
5. Ihre Russland-Nähe lässt frösteln
Allen Beteiligten ist klar: Je mehr Macht das BSW in Deutschland gewinnt, umso besser ist es für den russischen Staatschef Wladimir Putin. Nirgendwo in Europa, auch nicht unter Rechts- oder Linkspopulisten in Frankreich oder Italien, hat Putin Helfer, die sich so sehr für Russland reinhängen wie Wagenknecht.
Noch wenige Tage vor Kriegsbeginn im Februar 2022 betonte Wagenknecht in der ARD-Sendung „Anne Will“, Russland habe „kein Interesse daran, in die Ukraine einzumarschieren, natürlich nicht“.
Statt still zu werden angesichts dieser grotesken Fehleinschätzung, rattert sie bis heute, wenn es um die Verteidigung Russlands geht, los wie ein Maschinengewehr. Geschosse sind in eine Kinderklinik in Kiew eingeschlagen? Das könnten auch Teile ukrainischer Luftabwehrraketen gewesen sein, behauptete Wagenknecht am 11. Juli dieses Jahres in der Talkshow „Maybrit Illner“. Experten sehen diesen Auftritt als ein Paradebeispiel für die Multiplikation von Desinformation im Sinne Moskaus.
Chemotherapie unter freiem Himmel: Nach russischem Raketenbeschuss im Juli 2024 versorgte das Kiewer Kinderkrankenhaus Okhmatdyt, das größte der Ukraine, seine kleinen Patienten zunächst auf der Straße.
Zu den russischen Taktiken gehört es, alles in einen Nebel des Ungefähren zu tauchen. Die BSW-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen zieht dabei seit langer Zeit voll mit. Als Russlands Oppositionsführer Alexej Nawalny vergiftet wurde, zuckte sie mit den Schultern: Man wisse nichts über die Herkunft des Gifts. „Auch westliche Geheimdienste könnten das haben“, sagte Dagdelen in einer ARD-Talkshow. „Solange man keine Beweise hat, soll man nicht spekulieren!“
Wagenknecht bringt es fertig, den Ukrainerinnen und Ukrainern zu empfehlen, sich als Beitrag zur „Friedenspolitik“ schlicht und einfach den Russen zu ergeben. Berichte über Menschenrechtsverletzungen tut sie als Propaganda ab: Im Krieg werde immer auf beiden Seiten gelogen.
Besonders eigentümlich: Wagenknecht selbst war nie in der Ukraine, da sie nach eigenen Angaben fürchtet, dort ermordet zu werden. Zur Begründung verweist Wagenknecht auf einen polemischen Tweet des früheren ukrainischen Botschafters in Berlin, Andrej Melnyk, der geschrieben hatte, man müsse eines Tages Leute wie Wagenknecht, die jede Hilfeleistung für sein von Russland angegriffenes Land ablehnen, „zur Rechenschaft ziehen“. Dies als tätliche Drohung zu deuten, sei natürlich Unfug und reine russische Propaganda, erklärte Melnyk.
Wagenknecht dagegen blieb bei ihrer Linie, keinen Fuß in die Ukraine setzen zu wollen: „Herr Melnyk hat mich öffentlich mit einer Morddrohung überzogen. Also, ich fahre doch nicht in ein Land, wo mir angedroht wird, dass ich umgebracht werde.“
Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich im Juni 2024 in einer Rede vor dem Bundestag für die bisherigen zivilen und militärischen Hilfen aus Deutschland bedankte, verließen BSW und AfD den Saal. Diese Eiseskälte gegenüber einem von Russland überfallenen Land ist extrem, auch im europaweiten Vergleich. Dass Wagenknechts Haltung begleitet wird von einer wachsenden Bereitschaft zum faktischen Schulterschluss mit Rechtsextremisten, lässt viele Menschen in Deutschland – noch ist dies eine Mehrheit – schaudern.
6. Sie hilft bei Putins Deutschland-Spiel
Viele fragen sich: Bekommt Wagenknecht Geld und Weisungen aus Moskau? Oder ist sie von sich aus knallhart prorussisch? In Wirklichkeit ist das egal. So oder so ist Wagenknecht eine wichtige Figur bei Putins nächstem großen Projekt: Beeinflussung Deutschlands vor der Bundestagswahl am 28. September 2025.
Putin will in ganz Europa eine „Antikriegsstimmung“ schaffen. Und er sieht dabei das einflussreiche und bereits sichtlich müde gewordene Deutschland als Schlüsselland.
Der russische Präsident agiert ohne Hektik, er spielt Schach. Schon im vorigen Jahr stellte er seinen Geheimdienstlern und Diplomaten eine Art Denksportaufgabe: Schluss mit Hilfe für die Ukraine, mehr Hinwendung nach Moskau – wie könnte man dazu beitragen, die Außenpolitik Deutschlands in diesem Sinne möglichst rasch zu verändern? Die Antwort der Experten lautete: Wir müssen ein Hufeisen hinbekommen, also eine Verbindung von ganz rechten und ganz linken Kräften in Deutschland fördern – und dies dann idealerweise noch als die neue deutsche Einheit bewimpeln. Ziel sei ein stolzer neuer Zusammenschluss gegen die Eliten, die Globalisten, die EU und natürlich gegen die USA.
Protokolle der damaligen Runden in Moskau gelangten in den Westen. Ein europäischer Geheimdienst habe eine „Fülle von Dokumenten“ beschafft, berichtete die „Washington Post“, die die Papiere einsehen durfte, bereits im April 2023. Zu den Autoren der bemerkenswerten Exklusivgeschichte gehörten die britische Putin-Expertin Catherine Belton und der amerikanische Geheimdienstfachmann Shane Harris.
In Deutschland wurde der Bericht kaum beachtet. Zu den Reflexen hierzulande gehört es noch immer, Hinweise auf die wachsende Moskauer Herrschsucht als bloßes Moskauer Wunschdenken abzutun.
Wladimir Putin im Fahrersitz: Beim Karneval in Mainz wurde in diesem Jahr bereits die eigentümliche Zusammenrücken des russischen Präsidenten mit AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Chefin Sarah Wagenknecht aufs Korn genommen.
Tatsächlich aber hat Putins Deutschland-Spiel längst begonnen. Wagenknecht ist darin eine zentrale Figur. Dass Moskau entsprechende Pläne schon früh entworfen hat, dass es Direktiven gab, dass Geld floss, mag nie zu beweisen sein. Unverkennbar aber ist: Zwischen Putin und Wagenknecht gibt es eine Kongruenz der Interessen. Allein das ist entscheidend – und führt jetzt dazu, dass Wagenknecht objektiv mithelfen wird bei der Umsetzung von Putins Plan.
Wagenknecht könnte im für sie besten Fall auch auf Bundesebene zur Königsmacherin werden, wie bereits in Sachsen und Thüringen. Für Putin wäre dies der geopolitische Hauptgewinn. Mindestens aber wird Putin in Deutschland mit Wagenknechts Hilfe ein immerwährendes Ziel vorantreiben können, das er einst schon als KGB-Offizier in Dresden vor Augen hatte: Zersetzung.
7. Sie schraubt sich in unhaltbare Positionen hinein
Der rechtsextremistische Vordenker Elsässer packte die von ihm bewunderte Wagenknecht auch schon mal aufs Cover seines „Compact“-Magazins und titelte: „Die beste Kanzlerin“.
Kanzlerin Wagenknecht? Da schütteln sich vor allem langjährige Weggefährten Wagenknechts bei der Linken. Das Bild von der führungsstarken Frau, das Wagenknecht derzeit wieder von sich selbst verbreite, trüge. In Wahrheit sei sie politikunfähig. Schon die reine Oppositionsrolle als Fraktionschefin der Linken im Bundestag sei zu viel für sie gewesen.
Tatsächlich gibt es bei Wagenknecht große Diskrepanzen zwischen Schein und Sein. Im Jahr 2019, nach langen internen Querelen, war sie schon einmal ans Ende ihrer Kräfte geraten: politisch, physisch, psychisch. Wegen Burn-outs wurde sie zwei Monate krankgeschrieben. Ihr Arzt riet ihr, auch danach kürzerzutreten.
„Ich war einfach kaputt“, berichtete Wagenknecht ein Jahr später in einem aufschlussreichen Interview für den auf psychische Erkrankungen spezialisierten WDR-Podcast „Danke, gut“. Lange habe sie ihre tief sitzenden Schwächen einfach nur kaschiert.
Von Burn-out bedroht sind in mittleren Lebensjahren nicht zuletzt Menschen, die schon seit der Kindheit unter besonderen Spannungen stehen. Im Gespräch mit Moderatorin Miriam Davoudvandi erwähnt Wagenknecht, welche Schwierigkeiten sie in der DDR hatte als Tochter eines Ausländers, der, während sie Kleinkind war, in sein Land zurückkehrte und seither als verschollen gilt.
Im DDR-Kindergarten hielt Sahra Wagenknecht es nicht aus, sie wurde ausgegrenzt und gehänselt. Unser historisches Symbolbild zeigt eine schon im 19. Jahrhundert gegründete „Kinderbewahranstalt“ im sächsischen Görlitz.
Wagenknechts BSW schlägt wie die AfD gern antielitäre und auf Abschottung zielende populistische Töne an. Doch in der Parteispitze dominieren, ein Treppenwitz, akademisch gebildete Migrantenkinder.
Der Vater der stellvertretenden BSW-Bundesvorsitzenden Amira Mohamed-Ali war Ägypter. Der Vater des BSW-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Fabio Di Masi, stammt aus Italien. Der Vater der BSW-Außenexpertin Sevim Dagdelen war türkischer Gastarbeiter. Und der Vater der Vorsitzenden Wagenknecht war Iraner.
Wagenknecht machte, mehr als ihre migrantischen Kolleginnen und Kollegen in der Parteiführung, dramatische Rassismuserfahrungen als Kind in der DDR. Sie wurde auf ihre Hautfarbe angesprochen und auch schon mal als „Chinesin“ verhöhnt. Dem Kindergarten blieb sie am Ende auf eigenen Wunsch fern, lebte bei den Großeltern, lernte früh lesen – und floh auf diese Art immer wieder in ihre ganz eigene Welt.
„Ich hatte Probleme, weil ich anders aussah als die meisten Kinder und gehänselt wurde“, berichtet Wagenknecht. „Aber vielleicht hat mir das in der Politik sogar geholfen. Ich war nie ein Mensch, der sich sehr daran orientiert hat, in einer Gruppe anerkannt oder unterstützt zu werden – also ich habe immer das gemacht, was ich für richtig hielt.“
Hat es ihr wirklich geholfen? Offenbar trug ihre trotzige Bereitschaft zum Alleinsein auch dazu bei, dass sie sich immer wieder in abwegige, eigentlich unhaltbare Positionen hineinschraubte.
Den Mauerfall im November 1989 hat Wagenknecht, wie der damalige KGB-Offizier Putin in Dresden, als dunkle Stunde erlebt, als Konterrevolution, gegen die man im Grunde etwas unternehmen müsse – aber leider regierte ja in Moskau gerade der schwächliche Michail Gorbatschow. Wagenknecht und Putin wurden, ohne dass sie einander kannten, in jener Zeit Geschwister im Geiste.
Ein Bild aus den Achtziger Jahren, in denen die DDR noch stabil war: Stasi-Obere in Sachsen stoßen bei einer internen Feierlichkeit an. Links im Bild: der damals für Dresden zuständige Offizier des russischen Geheimdienstes KGB, Wladimir Putin.
In den Neunzigerjahren leitete Wagenknecht die Kommunistische Plattform, ein Sammelbecken von Stalinisten innerhalb der SED-Nachfolgepartei PDS, die der DDR nachtrauerten. Als die PDS im Jahr 2002 erklärte, dass es keine Rechtfertigung für die Toten an der Mauer gebe, stimmte Wagenknecht als einziges Vorstandsmitglied dagegen.
Es ist eine ungewöhnlich harte, kämpferische Figur, die 2025 für Putin in Deutschland aufs Spielfeld geht. Unübersehbar ist zugleich aber auch ihr Defizit in Sachen Menschlichkeit. Die US‑Demokraten hätten längst, wie im Fall Donald Trump und J. D. Vance, eine „Weird“-Kampagne gestartet und abseits aller politischen Themen nach Person und Charakter gefragt.
Soll jemand wie Sahra Wagenknecht Macht über andere Menschen bekommen, sogar bundesweit? Entschieden wird darüber am 28. September 2025. Bis dahin braucht Deutschland eine deutlich kritischere Auseinandersetzung mit dieser seltsamen politischen Figur.