„Krieg gegen Menschen“Rechtsextreme nutzen Spendenaufrufe, um Theorien zu verbreiten
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Köln – Im neuesten Youtube-Clip wittert Attila Hildmann wieder einmal Unbill durch das deutsche Staatswesen: Dieses Mal schimpft der antisemitische Corona-Leugner über die „Firma BRD, die per Cloud-Seeding“ die Flutkatastrophe absichtlich herbeigeführt habe. Silberjodid sei in die Wolken gespritzt worden, um die Regenflut auszulösen. Das habe Methode. „Das illegale Regime BRD führt Krieg gegen die Menschen“, wettert der in die Türkei geflüchtete Einpeitscher der Corona-Verschwörungswitterer-Szene. Das dürfe man nicht zulassen. Und deshalb ruft der ehemalige Koch, den die Staatsanwaltschaft Berlin mit Haftbefehl sucht, zu Spenden auf sein Konto mit dem Kürzel „Echtes Hochwasser“ auf. Hoch und heilig verspricht Hildmann, dass alle Spenden den Flutopfern zukommen. Die NRW-Sicherheitsbehörden hegen da ihre Zweifel.
„Personen aus dem rechtsextremistischen Bereich und der »Querdenken«-Szene rufen im Zusammenhang mit dem aktuellen Hochwasser in den sozialen Medien zu Spenden für die Opfer auf“, warnte Innenminister Herbert Reul. „Das ist eine häufig genutzte Methode von Extremisten, mit vermeintlicher Hilfeleistung Anschluss an die Mitte der Gesellschaft zu finden. Mein Rat ist: Spenden Sie an bekannte und bewährte Hilfsorganisationen. Dann kann man sicher sein, dass das Geld auch dort ankommt, wo es benötigt wird“, so der CDU-Politiker.
Krude Hochwassertheorie
Die Front aus Aluhüten und Rechtsextremisten hat neben ihrer Anti-Corona-Ideologie offenbar einen neuen Aufreger entdeckt: In den sozialen Netzwerken reiht sich ein Spendenaufruf an die nächste krude Hochwassertheorie. So werben Hauptakteure der „Querdenker“-Fraktion wie der Unternehmer Michael Ballweg nebst dem einschlägig bekannten Verschwörungsideologen Bodo Schiffmann massiv für finanzielle Hilfen, die Betroffenen der Regenflut in NRW und Rheinland-Pfalz zugutekommen sollen.
Letzterer will bis Dienstagmorgen bereits auf einem Paypal-Konto eine halbe Million Euro eingesammelt haben. Das Geld soll nach seinen Angaben in die Aufräumarbeiten in den Krisenregionen fließen. Gegen den Arzt Schiffmann ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Heidelberg wegen Volksverhetzung und des Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse.
Stimmungsmache gegen Links
Auf seinem Telegram-Kanal giftet der Mediziner gegen die Behörden im Ahrtal. Angeblich würden Rettungshundestaffeln, Einsatzkräfte, Warenlieferungen und Geldzuwendungen blockiert. Stattdessen schicke man einen Impfbus gegen das Coronavirus durch die Region. Durch die Flutkatastrophe geschwächte Menschen auch noch zu impfen ist aus seiner Sicht „das Letzte“. Dass sich durch die Flutkatastrophe die Corona-Ansteckungsgefahr gerade in den Notunterkünften erhöhen könnte, lässt er wohlweislich unerwähnt.
Mit seinen Tiraden weiß sich Schiffmann in guter Gesellschaft. Die rechtsextreme Splitterpartei „Die Rechte“, die insbesondere in Dortmund aktiv ist, stellt ihr Konto ebenfalls für Hochwasserspenden zur Verfügung. Laut der Nachrichtenplattform „bnr“ gilt hier die Parole: „Hoch die nationale Solidarität“. Zugleich machen die Urheber gegen linke Gruppierungen Stimmung, die demnach versuchten, auf „eine ekelhafte Art und Weise die Stimmung für ihre Klimapolitik zu nutzen“. Auch das Bürgerbüro Siegen des braunen Konkurrenten „Der III. Weg“ ruft zu Unterstützung für die Flutopfer auf. Rechtsradikale Medienaktivisten wie Sebastian V. aus Heinsberg („Fakten Frieden Freiheit“) oder der Blogger Miró Wolsfeld aus dem Kölner Raum bitten ebenfalls um Spenden.
„Leitstelle“ in der Grundschule
Als braune Katastrophenhelfer versuchen sich derzeit Vertreter aus der thüringischen Neonazi-Szene. So hat der Holocaust-Leugner Nikolai Nerling, der wegen seiner politischen Ansichten in Berlin aus dem Schuldienst flog, mit etlichen Kombattanten eine Grundschule im Krisengebiet Bad Neuenahr/Ahrweiler als „Leitstelle“ in Beschlag genommen. Nerling, auch genannt „Volkslehrer“, zählt ebenfalls zur rechten Verschwörungsgemeinde von Bloggern.
In einem Video feierte der wegen Volksverhetzung verurteilte Rechtsaußen die Katastrophe: „Das ist großartig, weil wir damit endlich in die Selbstverantwortung kommen. Und zeigen können, dass wir diese ganzen BRD-Organisationen gar nicht brauchen.“ Am Montag erschien ein größeres Polizeiaufgebot in der Schule, um sich ein Bild über die Lage bei den sogenannten „Kümmerern vor Ort“ zu machen. Da derzeit nicht gegen geltendes Recht verstoßen worden sei, gebe es keine Handhabe einzuschreiten, teilte die Polizei Koblenz mit.
Besondere Probleme bereiten den staatlichen Helfern geschickt gestreute Falschinformationen. So warnte die Koblenzer Polizei am Dienstag auf Twitter vor falschen Durchsagen im Norden von Rheinland-Pfalz. „Fahrzeuge mit Lautsprechern, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln, sind im Katastrophengebiet unterwegs“, hieß es.
Ein selbst ernannter „Peace Officer“ fuhr durch die Gegend und behauptete, zahlreiche Einsatzkräfte seien abgezogen worden. Der Mann, der für eine ominöse „Friedens- und Wahrheitsbewegung“ an der Ahr im Einsatz ist, machte per Lautsprecher gezielte Wettermanipulationen für die Katastrophe verantwortlich. Atilla Hildmann hätte seine wahre Freude an dem Unsinn.