Habeck fordert politische Härte gegen Antisemitismus, bei Straftaten droht er auch mit Abschiebung. Die Reaktionen auf die Rede des Vizekanzlers.
„Stellt alles in den Schatten“Robert Habeck spricht Klartext zu Antisemitismus
In einem viel beachteten Video hat Vizekanzler Robert Habeck Antisemitismus in Deutschland scharf verurteilt und Solidarität mit Jüdinnen und Juden angemahnt. „Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren, in keiner. Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort“, sagte der Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Politiker in einem Video, das sein Ministerium am Mittwochabend bei X (vormals Twitter) verbreitete.
Das Video kam bis zum Donnerstagmorgen auf über 3,6 Millionen Ansichten und wurde tausendfach geteilt. Politiker auch der CDU lobten den Appell.
Statement von Robert Habeck zu Antisemitismus in Deutschland geht viral
Habeck sagte, es brauche auch von den muslimischen Verbänden in Deutschland eine Antwort auf Antisemitismus. Einige hätten sich klar von den Taten der Hamas und Antisemitismus distanziert. „Aber nicht alle, und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige.“ Die Muslime in Deutschland müssten sich klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen. „Für religiöse Intoleranz ist kein Platz in Deutschland.“
Das Verbrennen israelischer Flaggen sei eine Straftat, das Preisen der Hamas-Taten auch. „Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.“
Robert Habeck fordert politische Härte bei Antisemitismus
Seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel kam es unter anderem in Berlin bei propalästinensischen Demonstrationen wiederholt zu antisemitischen und israelfeindlichen Aktionen. Vor diesem Hintergrund sprach die Polizei zuletzt immer wieder Verbotsverfügungen gegen bestimmte Demonstrationen aus, andere durften stattfinden.
Der islamistische Antisemitismus dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einen in Deutschland verfestigten Antisemitismus gebe, auch wenn sich Rechtsextreme aus taktischen Gründen jetzt zurückhielten, um gegen Muslime hetzen zu können, sagte Habeck.
Robert Habeck sorgt sich um Antisemitismus in Teilen der politischen Linken
„Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken, und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten.“ Antikolonialismus dürfe nicht zu Antisemitismus führen. Der Tod und das Leid, das über die Menschen im Gazastreifen komme, sei schlimm. „Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kann damit dennoch nicht legitimiert werden“, sagte Habeck.
Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch im ZDF. „Der Antisemitismus zieht sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen hindurch, der zieht sich durch alle Nationalitäten hier in Deutschland hindurch. Deshalb muss jegliche Form von Antisemitismus, ob er von rechts, von links, von Zugewanderten oder von hier Geborenen kommt, bekämpft werden“, sagte sie in der Sendung „Was nun, ...?“.
Habeck kritisiert UN-Resolution – Baerbock verteidigt Enthaltung
Baerbock verteidigte in der Sendung erneut die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung. Deutschland falle die besondere Rolle zu, die Gesprächskanäle zu anderen Akteuren in der Region wie Ägypten oder Jordanien offen zu halten, sagte sie.
Die am Freitag vergangener Woche mit Zwei-Drittel-Mehrheit angenommene UN-Resolution verurteilt jegliche Gewalt gegen die israelische und palästinensische Zivilbevölkerung, fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller „illegal festgehaltenen“ Zivilisten und verlangt ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Außerdem wird zu einer „sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe“ aufgerufen, die zur „Einstellung der Feindseligkeiten“ führen solle. Eine eindeutige Verurteilung des Terrors der Hamas als Auslöser des Krieges ist nicht enthalten.
Habeck sagte, er stimme zu, dass man auch sehen müsse, wie die andere Seite denke, um irgendwie weiterzukommen im derzeitigen Konflikt. Angesprochen auf die deutsche Enthaltung sagte Habeck zudem, die Enthaltung bedeute nicht, dass sich Deutschland raushalten wolle, sondern im Gegenteil bei einer Lösung mithelfen wolle.
Reaktionen auf Habeck-Video bei X: „Argumentativ stark“
Habecks Video stieß am Mittwochabend bei X auf ein breites Echo. Zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel, treffe Robert Habeck den richtigen Ton „wie kein anderer in dieser Bundesregierung“, schrieb die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien.„Ein starker, notwendiger Auftritt“.
Der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet schrieb in Anspielung auf die UN-Resolution: „Das klingt nicht nach Enthaltung oder nach „Nicht-nur-eine-Sichtweise“.“ „Das ist die erforderliche, argumentativ stark und gut begründete innen- und außenpolitische Haltung Deutschlands, die weit über alle Parteigrenzen hinweg gehört und unterstützt werden muss“, so Laschet.
Jüdischer Pianist bedankt sich bei Robert Habeck für dessen Statement
Der deutsche Pianist Igor Levit, selbst seit Jahren ein Kämpfer gegen Antisemitismus, schrieb auf X „Danke“ in Richtung von Robert Habeck – und sprach damit stellvertretend für viele Jüdinnen und Juden in Deutschland.
Auch Journalistinnen und Journalisten lobten Habecks Rede. „Das stellt alles in den Schatten, was wir bisher an politischer Kommunikation der Ampel gesehen haben“, schrieb Gordon Repinski, stellvertretender Chefredakteur beim Politmagazin „The Pioneer“. „Wieso macht sowas Scholz eigentlich nicht?“, fragte die ARD-Auslandskorrespondentin Anette Dittert in Richtung des Kanzlers. Eine Frage, die offenbar auch viele Bürgerinnen und Bürger bewegt.
Habeck-Rede löst auch Kritik an Olaf Scholz aus
Auf X kritisierten viele Nutzerinnen und Nutzer im Zusammenhang mit Habecks Statement, dass Kanzler Olaf Scholz sich in der Debatte um Antisemitismus nicht so klar positioniere wie der Vizekanzler. Sie beklagten, dass es ein solches Statement vom SPD-Politiker bräuchte. (pst/dpa)