Mehr schlechte Nachrichten bei der Bahn: Zu den ständigen Verspätungen kommen im Januar wahrscheinlich mehrtägige Streiks hinzu.
Beim Deutschlandticket droht ÄrgerSchienennetz, Verspätungen, Finanzen: Die vielen Probleme der Deutschen Bahn
Eigentlich ist das Ziel klar. Die Menschen sollen viel mehr Bus und Bahn fahren - bis 2030 will die Bundesregierung die Fahrgastzahlen verdoppeln. Für den Fernverkehr bedeutet das eine Steigerung auf bis zu 300 Millionen in weniger als zehn Jahren. Dafür müsste Bahnfahren aber viel attraktiver werden, danach sieht es derzeit nicht aus. So ist die Deutsche Bahn (DB) im Fernverkehr so unpünktlich wie seit acht Jahren nicht mehr. Im November war fast jeder zweite Fernzug des bundeseigenen Konzerns zu spät. Und Bahnfahren dürfte auch in den kommenden Monaten nicht angenehm werden.
Das hängt auch, aber nicht nur, mit dem Tarifstreit zwischen dem Bahnkonzern und der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) zusammen. Ab dem 8. Januar drohen mehrtägige Streiks, kündigte GDL-Chef Claus Weselsky an: „Wir werden Streiks von drei bis maximal fünf Tagen machen“, sagte der Gewerkschaftsboss. Zumindest schließt er damit unbefristete Streiks aus. Über die Feiertage müssen die Fahrgäste auch nicht mit Beeinträchtigungen durch Streiks reichen, bekräftigte er erneut.
Eine Lösung im Tarifstreit zwischen der GDL und dem Bahnkonzern ist derzeit in weiter Ferne: Die Gewerkschaft will neben einer monatlichen Gehaltserhöhung von 555 Euro, einer Inflationsausgleichsprämie sowie eine Vertragslaufzeit von einem Jahr eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit durchsetzen. Die GDL fordert eine Absenkung von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Bei dieser Forderung stellt sich die Bahn quer, aus Sorge, dann Tausende neue Mitarbeiter einstellen zu müssen. Die Bahn hat 11 Prozent bei einer Laufzeit von 32 Monaten angeboten.
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Vor einigen Tagen hatte sich die GDL mit dem DB-Konkurrent Netinera auf eine 35-Stunden-Woche geeinigt. Die Einigung gilt jedoch nur, wenn die Deutsche Bahn und der Rest der Branche nachziehen. Umso härter dürfte der Tarifstreit nun von beiden Seiten geführt werden. Weselsky kündigt „beinharte“ Auseinandersetzungen an.
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn fürchtet einen lang andauernden Konflikt. „Unser Appell an beide Seiten ist, sich möglichst schnell am Verhandlungstisch zu einigen“, sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß diese Woche dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Nur eine schnelle Einigung wäre im Sinne der Fahrgäste.“ Schon während des Normalbetriebs hätten die Fahrgäste genug Probleme mit den Leistungen des Bahnsystems.
Auf die Fahrgäste kommen zudem turbulente Zeiten zu, weil 2024 die Generalsanierung des deutschen Bahnnetzes beginnt. Ab Sommer starten die Bauarbeiten auf der Strecke Frankfurt-Mannheim und in den nächsten Jahren kommen weitere Großbaustellen hinzu.
Das Ziel: Bis 2030 soll Deutschland ein Hochleistungsnetz haben. Die marode Bahn-Infrastruktur, die Deutschland derzeit oftmals lahmlegt, soll endlich Geschichte sein. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte die Bahn zur Chefsache erklärt und Besserungen versprochen. Bis es ist soweit ist, werden sich die Bahnfahrerinnen und -fahrer aber auf Ersatzverkehre und weitere baustellenbedingte Verspätungen einstellen müssen.
Und auch beim Erfolgsprojekt Deutschlandticket droht neues Ungemach. Seit Mai 2023 ist der deutschlandweit gültige Tarif für 49 Euro im Monat erhältlich - bald schön könnte das Ticket aber teurer werden für die Millionen Nutzer. Nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat sich das Ticket seit dem Start im Mai 2023 etabliert. „Wir haben insgesamt etwa zehn Millionen Kundinnen und Kunden“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann dem RND. „Rund neun Millionen davon sind Fahrgäste, die vorher entweder schon ein ÖPNV-Abo hatten oder zumindest gelegentlich, zum Beispiel mit Einzeltickets oder Wochenkarten, den Nahverkehr genutzt haben.“
Etwa eine Million seien neue Kunden, die sonst das Auto oder das Fahrrad genutzt hätten. Wortmann sieht darin den Beweis für das Klimaschutz-Potenzial. „Wir müssen noch mehr Kunden dazu bewegen, von dem Auto auf den Nahverkehr umzusteigen. Dafür brauchen wir eine sichere und dauerhafte Finanzierungsperspektive für das Deutschlandticket“, fordert er.
Seit Monaten warnen die Verkehrsunternehmen davor, dass die Mittel nicht ausreichen. Bund und Länder wollen jährlich drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Doch die Betriebe befürchten, auf etwaigen Mehrkosten sitzen zu bleiben. Jüngst erklärten die Ministerpräsidenten und der Kanzler, dass diese aber nicht ausgeglichen werden sollen. Bis Mai 2024 sollen die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister ein Konzept für die Finanzierung ausarbeiten. Dabei soll es auch um einen sogenannten Mechanismus gehen, wie der Ticketpreis erhöht werden kann.
Die Gefahr eines Flickenteppichs konnte nun aber erstmal abgewendet werden. Der Landkreis Stendal ist nach scharfer Kritik zurückgerudert und ermöglicht nun doch die weitere Gültigkeit des Tickets in der Region. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) zur Entscheidung des Landkreises. Eine gute Nachricht unter vielen schlechten.