Ankara/Köln – Andere Anwälte wundern sich: Dass ausgerechnet Mustafa Kaplan aus Köln nun den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Verfahren gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann vertritt, können sie nicht nachvollziehen. Gleichwohl tritt genau dieser Fall ein. Nachdem Erdogans bisheriger Anwalt Michael Hubertus von Sprenger das Mandat wegen Erdogans Nazi-Vergleichen mit dem Deutschland von heute niedergelegt hat, tritt der 49-jährige Jurist mit einer Kanzlei in der Venloer Straße die Nachfolge an. Aufsehen erregend ist das so oder so.
Das Aufsehen hat mit dem Verfahren selbst zu tun. Das Hamburger Landgericht hatte im Februar entschieden, dass Böhmermann von 24 Versen seines Schmähgedichts auf Erdogan („Ziegenficker") nur noch sechs vortragen darf. Der geht jetzt in Berufung, weil er das gesamte Gedicht verbieten lassen möchte. Der Rechtsstreit wird gewiss bis zum Ende im Lichte der Öffentlichkeit stattfinden.
Anwalt soll Regierungspartei AKP eigentlich ablehnen
Kaplan, der mit acht Jahren nach Deutschland kam, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und 2006 von der Rechtsanwaltskammer Köln als Fachanwalt für Strafrecht anerkannt wurde, stört das nicht. Man müsse zwischen Juristerei und Politik trennen, findet der Mann, der im Zivilrecht keine Erfahrung hat. Diese Ansicht vertritt Kaplan auch im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München – als Anwalt eines Opfers des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße.
Kollegen aus dem Münchener Gerichtssaal – und diese Zeitung hat am Donnerstag mit mehreren von ihnen gesprochen – wundern sich dennoch. Einer sagte: „Ich kann mir das nicht erklären.“ Denn Kaplan habe mehrmals seine Ablehnung der türkischen Regierungspartei AKP zum Ausdruck gebracht; er sei Laizist. Dabei wird vermutet, dass der deutsch-türkische Jurist und AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu ihm das Mandat verschafft haben könnte. Überdies, so verlautet von den Kollegen weiter, sei Kaplan nicht sonderlich engagiert, wenn es um die Interessenvertretung seines Schützlings gehe. Im NSU-Prozess habe er sich nur zweimal gemeldet; das sei typisch. Schließlich gilt Kaplan auch fachlich als nicht gerade überragend.
In der Szene heißt es zwar, der Konkurrenzkampf unter Anwälten sei hart und die Sitten seien rau. Trotzdem sind die Urteile einhellig. Überdies berichten Prozessteilnehmer, dass der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, eines Tages ausrichten ließ, das Kölner Fundbüro habe in der Venloer Straße eine CD mit NSU-Akten gefunden – just in jener Straße, in der Kaplan sein Büro hat.
Kaplan führte bereits große Verfahren
Der wehrt sich. „Ich bin nicht Politiker, sondern Rechtsanwalt“, sagte er dieser Zeitung. „Für mich ist immer und ausschließlich der Wunsch der Mandanten absolut bindend. Jedenfalls ist für mich nicht entscheidend, was meine Kollegen von mir erwarten.“ Das Böhmermann-Verfahren habe strafrechtliche und zivilrechtliche Aspekte. Deshalb werde er im Team arbeiten. Bei der postalischen Zustellung der gefundenen CD habe es offenbar „eine kleine Panne gegeben“; man müsse da mal bei der Post nachfragen. Sonst zieht sich der Anwalt auf seine Verschwiegenheitspflicht zurück.
Kaplans brisantester Prozess neben dem NSU-Verfahren war bisher jener, in dem es um den Vorwurf ging, Männer im Alter von 25 bis 37 Jahren hätten in Kirchen, Schulen und Kindergärten eingebrochen, um mit der Beute befreundete Gotteskrieger in Syrien zu finanzieren. Er fand in Köln statt. Der Böhmermann-Prozess ist einige Nummern größer und dürfte zutage fördern, was in Erdogans neuem Rechtsvertreter steckt.