Günstige Wohnungen sind in NRW auf dem Markt kaum verfügbar. Wohnungsbaugesellschaften spielt das in die Hände.
Schrott-Immobilen in Chorweiler„Man kann Zweifel bekommen, ob man sich noch in Deutschland befindet“
Dort, wo sich früher die Küche von Ludmilla B. (Name geändert) befunden hat, steht nur noch das Gerippe eines Unterschranks. Die Kochzeile ist abgebaut, die 83-Jährige zeigt auf den nackten Putz an der Wand, der nach einem schweren Wasserschaden abgeplatzt ist. „Seit Monaten sieht das hier so aus“, sagt B. und schüttelt den Kopf. „Alles ist kaputt. Dann kam der Schimmel.“
Die Seniorin wohnt in Köln-Chorweiler, in einem Hochhaus an der Osloer Straße. Ihr Appartement ist liebevoll eingerichtet, über dem Sofa hängen Blumenbilder, die ihre Enkel gemalt haben. Nach dem Rohrbruch hat sich die Wohnung in eine Baustelle verwandelt. Der Alltag in dem Provisorium ist für die Ludmilla B., die an einem schweren Diabetes leidet, nur schwer zu meistern.
„Wer solche Zustände zulässt, muss sich unterlassene Hilfeleistung vorwerfen lassen“
An diesem Tag hat die gebürtige Ukrainerin, die 1995 nach Deutschland gekommen ist, Besuch von Julia Ecker. Die Sozialarbeiterin ist im Büro für Gemeinwesenarbeit der katholischen Kirchengemeinde Papst Johannes XXIII. Köln für Mietangelegenheiten zuständig. „Ich bin zutiefst beschämt, wenn ich Wohnungen betrete, in denen ein menschenwürdiges Leben ganz offensichtlich nicht mehr möglich ist“, sagt Julia Ecker. „Wer es nicht selbst gesehen hat, wird es kaum für möglich halten, dass derart verwahrloste Behausungen in einer Großstadt wie Köln auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden.“
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Das Hochhaus an der Osloer Straße wird von der Immobiliengesellschaft ZBVV verwaltet. Bei der Mieterberatung der Kirchengemeinde gehörten Beschwerden über das Unternehmen zum Alltag, berichtet Julia Ecker. Mängelanzeigen würden „ausgesessen“ und notwendige Reparaturen „entweder gar nicht oder mit monatelanger Verzögerung und meist unzureichend ausgeführt“, sagt die Sozialarbeiterin. Selbst massivste Wasserschäden, wie im Fall von Ludmilla B., würden, einfach ignoriert: „Wer solche Zustände zulässt, muss sich unterlassene Hilfeleistung vorwerfen lassen“, sagt Ecker.
Die ZBVV verwaltet derzeit 650 Wohneinheiten in 27 Objekten in Köln-Chorweiler. Fast in allen Häusern gibt es Probleme. Oft funktionieren die Heizungen nicht, es gibt kein warmes Wasser, oder die Aufzüge sind außer Betrieb. Wenn die Lifte ausfallen, können viele ältere Bewohner das Haus nicht mehr verlassen. Die Zustände seien „unhaltbar und katastrophal“, sagt Lena Teschlade, Landtagsabgeordnete der SPD für den Kölner Norden. „Der Staat muss hier endlich Zähne zeigen und konsequent gegen die Schrottimmobilien und ihre Eigentümer vorgehen. Wenn man sich den Zustand mancher Wohnungen unter Verwaltung der ZBVV anguckt, kann man Zweifel bekommen, ob man sich in Deutschland befindet.“
Mieter mit geringem Einkommen können nicht aus heruntergekommenen Wohnung raus
Der Fall in Chorweiler wirft ein Schlaglicht darauf, wie schlecht es zum Teil um den Mieterschutz in NRW bestellt ist. Mieter mit geringen Einkommen haben kaum Chancen, heruntergekommenen Immobilien den Rücken zu kehren. Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, bis 2027 rund 45.000 neue mietpreisgebundene Einheiten zu fördern. Hohe Zinsen und Baukosten verzögern aber viele Planungen. Gleichzeitig läuft die Mietpreisbindung jedes Jahr bei rund 20.000 Wohnungen in NRW aus. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird immer prekärer – und die Immobiliengesellschaften können oft nach Gutsherrenart schalten und walten.
Die ZBVV ist eine Tochter der Zentral Boden Immobiliengruppe (ZBI). Die sei besonders „perfide“, weil die Fondstruktur besonders aus kleinen Anlegerinnen und Anlegern bestehe, sagte die SPD-Politikerin Lena Teschlade. Viele der Menschen, die „mühsam ein paar Euros für die Rente“ sparten, wüssten gar nicht, dass sie damit „solche Schrottimmobilien wie die in Chorweiler finanzieren“ würden, da sie von einem seriösen Anbieter ausgingen. Die Landtagsabgeordnete appellierte an NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), sich mit der ZBVV „anzulegen“.
Scharrenbach sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Landesregierung habe die Kommunen mit dem Wohnraumstärkungsgesetz in die Lage versetzt, „hart gegen schwarze Schafe durchzugreifen“. Sie werde „auch in Zukunft nicht lockerlassen und ausbeuterischen Unternehmen weiter im Nacken sitzen“, versprach Scharrenbach. Die Kontrollaktionen und die Rückmeldungen der Kommunen würden zum Anlass genommen, um Verbesserungen und Schärfungen am Wohnraumstärkungsgesetz vorzunehmen. „Wir wollen damit noch effektiver gegen Miet-Missstände vorgehen“, sagt die NRW-Bauministerin.
ZBVV wies die Vorwürfe zurück
Die Stadt Köln erklärte auf Anfrage, bis November 2024 hätte die Wohnungsaufsicht 21 Verfahren im Zusammenhang mit ZBVV-Wohnungen bearbeitet. Die Wohnungsaufsicht werde den Wohnungsbestand „weiterhin im Blick behalten und, wenn nötig, mit Anordnungen behördlich einschreiten“, hieß es. Es liege „in hohem Maße im Interesse der Verwaltung“, eine nachhaltige Verbesserung der Situation für die betroffenen Mieter zu erreichen und „einer städtebaulichen Fehlentwicklung dauerhaft entgegenzuwirken“.
Die ZBVV wies die Vorwürfe zurück. Man kümmere sich „grundsätzlich umgehend“ um gemeldete Mängel und stelle sie „nach Möglichkeit“ sofort ab, teilte ein Sprecher unserer Zeitung mit. Dabei könne es „durchaus im Einzelfall zu leider kaum vermeidbaren Verzögerungen“ kommen, etwa durch die Lieferzeiten von Ersatzteilen, die Verfügbarkeit einzelner Fachbetriebe oder krankheitsbedingter Ausfälle. Neben grundsätzlich zeitnah abstellbaren Mängeln gebe es „in einzelnen Objekten“ aber „auch strukturelle Mängel, für deren Beseitigung zeit- und planungsaufwendige Maßnahmen nötig“ seien, hieß es.
Ludmilla B. kann sich nicht erklären, warum die Sanierung ihrer Küche so lange dauert. Julia Ecker zweifelt daran, dass es in der Stadtverwaltung Köln „eine Lobby“ für die Mieterinnen und Mieter der ZBVV gibt. Sie ist sich sicher: „Gäbe es spürbare Sanktionen, wäre der Vermieter sicher schneller auf Zack.“