Das Parlament beschließt eine historisch hohe Staatsverschuldung. Das viele Geld wird nur helfen, wenn es diszipliniert mit Reformen verbunden wird.
VerfassungsänderungUnion und SPD müssen das viele Geld effizient nutzen – und nicht nur das


Lars Klingbeil (M.) und Friedrich Merz (l.) nach der Abstimmung im Bundestag. In der Mitte Gesundheitsminister Karl Lauterbach und rechts Alexander Dobrindt.
Copyright: dpa
Die Entscheidung für die gigantische Neuverschuldung an diesem Dienstag im Bundestag ist weitreichend genug, um einmal in die historische Zitate-Kiste zu greifen: „Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“ Der Spruch stammt vom ersten deutschen Kanzler Otto von Bismarck.
Die Gesetze zur Änderung der Verfassung für eine neue Schuldenaufnahme in Höhe von mehr als einer Billion Euro stehen. Und es war wirklich nicht schön, diesen politischen Prozess zu beobachten. Unklar ist nun, ob die Wurst einlöst, was ihre Produzenten versprechen.
Geld allein löst kein Problem
Drei Grundgesetzänderungen sind beschlossen worden. Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro soll die Infrastruktur in Deutschland modernisiert und der Klimaschutz vorangebracht werden. Dieses Geld muss so effizient und zukunftsweisend eingesetzt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck gewinnen, in einem funktionierenden Staat zu leben.
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- Debatte zum Milliarden-Paket „Wie sehr haben Sie meine Kollegen diffamiert“ – Haßelmann rechnet mit Merz ab
- „Wahrlich entlarvender Abgang“ Scharfe Kritik an Wagenknecht und ihrer Partei nach Eklat im Bundestag
- Lockerung der Schuldenbremse Bundestag stimmt Finanzpaket von Union und SPD zu
- Verdacht der Beleidigung Ermittlungen gegen Linken-Abgeordnete Akbulut nach Vorfall in Zug
- Abstimmung zum Schuldenpaket Pistorius: „Wer sich heute nicht traut, verleugnet die Realität“
- Grundgesetzänderung Wie Rhein-Bergs Abgeordnete heute abstimmen wollen – wenn sie können
- Abstimmung über geplante Schulden Droht die Mehrheit für das 500-Milliarden-Euro-Paket zu kippen?
Die Chefs von CDU und SPD haben es gleichlautend gesagt: „Geld allein löst noch kein Problem.“ Richtig! Nun müssen die künftigen Koalitionäre die Kraft aufbringen, nicht nur die Milliarden auszugeben, sondern sie mit Struktur-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktreformen sowie Entbürokratisierung zu verbinden. Dafür braucht es eine neue Art von Zusammenarbeit zwischen Union und SPD. Es kann nicht wie in früheren Koalitionen darum gehen, dass jeder auf dem großen Dampfer Deutschland seine Fähnchen hisst - jeweils mit der Aufschrift „Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie“, „Pendlerpauschale“ oder „Mütterrente“. Vielmehr muss der Ballast Klientelpolitik über Bord geworfen werden.
Die zweite Grundgesetzänderung soll den finanziellen Spielraum geben, für die äußere und innere Sicherheit alles Notwendige zu tun. Diese Entscheidung steht für die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, wonach Deutschland „kriegstüchtig“ werden müsse. Das Lösen der Schuldenbremse für Bundeswehr, Zivilschutz und Nachrichtendienste reicht also weit über die vor drei Jahren von Kanzler Scholz beschriebene Zeitenwende hinaus.
Zwei Hebel für die nächste Regierung
Es ist die Antwort auf den Epochenbruch, den der neue US-Präsident mit seinem internationalen Vorgehen ausgelöst hat. Es ist gut, dass Deutschland eine Antwort hat. Aufgabe der neuen Regierung wird es sein, mit einem klugen Einsatz der Mittel das Vertrauen zu schaffen, dass es um unsere Sicherheit und nicht um militärische Eskalation geht.
Und schließlich wird mit den Beschlüssen von Dienstag auch den Ländern mehr Geld zur Verfügung stehen. Ein dicker Batzen davon muss unbedingt in den Kommunen ankommen. Denn es gibt zwei Hebel für die nächste Regierung, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Erstens kann Vertrauen wiederkommen, wenn vor Ort in Kitas, Schulen, Kliniken, in der Pflege, auf dem Wohnungsmarkt, im Verkehr, im Umgang mit Migration und bezogen auf die Bezahlbarkeit des Alltags das Leben funktioniert.
Zweitens muss die neue Koalition ihre Strategie auf Langfristigkeit anlegen. Viele Studien zeigen, dass eine Regierung nicht für ein paar Wohltaten wiedergewählt wird, die sie während ihrer Amtszeit durchsetzen konnte. Vielmehr fällt bei einer Bundestagswahl die Entscheidung darüber, wem die Bürgerinnen und Bürger das Schultern der künftigen Aufgaben zutrauen.
Dafür haben Union und SPD nur noch ein knappes Mandat erringen können. Die nun beschlossenen Kreditermächtigungen sollen für mindestens zehn Jahre reichen. Es ist also zwingend notwendig, dass sich die Verhandler der neuen Koalition vom Denken in Vier-Jahreszeiträumen trennen und langfristig planen. Hoffentlich haben sie das verstanden.