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Abstimmung über geplante SchuldenDroht die Mehrheit für das 500-Milliarden-Euro-Paket zu kippen?

Lesezeit 4 Minuten
Lars Klingbeil (l), SPD Fraktionschef und Bundesvorsitzender, spricht mit Friedrich Merz, CDU/CSU Fraktionsvorsitzender und CDU Bundesvorsitzender, in den hinteren Sitzreihen des Plenarsaals.

Lars Klingbeil (l), SPD Fraktionschef und Bundesvorsitzender, spricht mit Friedrich Merz, CDU/CSU Fraktionsvorsitzender und CDU Bundesvorsitzender, in den hinteren Sitzreihen des Plenarsaals. 

Union, SPD und Grüne haben sich am Freitag auf neue Schulden verständigt. Machen Bundestag und Bundesrat da mit? Nach dem letzten Stand sieht es gut aus.

Im Politjargon werden Wochen wie diese gern als „Woche der Entscheidung“ tituliert. Davon spricht man, wenn Kompromisse vereinbart, diese anschließend aber auch bei entscheidenden Abstimmungen besiegelt werden müssen. CDU/CSU, SPD und Grüne haben sich auf ein gigantisches Schuldenpaket von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur verständigt; 100 Milliarden davon sollen an die Länder gehen und weitere 100 Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Verteidigungsausgaben werden nur noch bis zu einem Anteil von einem Prozent am Bruttoinlandsprodukt dem regulären Haushalt entnommen. Alles, was darüber hinausgeht, kann über Kredite finanziert werden.

Die Frage ist: Kommt die für eine Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag und im Bundesrat zustande? Und: Was ist mit der Regierungsbildung?

Wie sieht es im Bundestag aus?

Unionisten, Sozialdemokraten und Grüne haben gemeinsam 31 Stimmen „über den Durst“. So viele Abweichler könnten sie verkraften. Das Tückische besteht in diesem Fall darin, dass viele Mitglieder des alten Bundestages dem neuen Bundestag nicht mehr angehören, allein bei den Grünen beträgt diese Zahl 46. Solche Abgeordnete können ganz unterschiedliche Motive haben - inhaltliche, formale, persönliche - und lassen sich im Zweifel schlechter disziplinieren. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Mario Czaja etwa wurde von Parteichef Friedrich Merz geschasst. Nun sagte er dem Nachrichtenportal „The Pioneer“, die Grundgesetzänderung sei „nicht generationengerecht“ und die Begründungen seien „nicht redlich“. Czaja gehört dem neuen Parlament nicht mehr an.

Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram aus Berlin-Kreuzberg, die ebenfalls ausscheidet, findet: „Wir schränken künftige Parlamente mit dem Schuldenpaket in ihren Möglichkeiten zu stark ein. Außerdem ist die Festlegung, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll, in meinen Augen Greenwashing. Denn die Aufnahme der Worte ‚Klimaneutralität bis 2045‘ als bloße Verschuldungszweckbestimmung setzt keinen Handlungsrahmen für politische Entscheidungen. Daher fürchte ich, dass wir in den nächsten vier Jahren beim Klimaschutz keine großen Fortschritte erreichen werden.“ Gemeinsam mit der Linken hätte sich im neuen Bundestag mehr erreichen lassen. Bayram nennt es insgesamt „unwürdig, den Beschluss mit der Brechstange herbeizuführen und sich so dem Vorwurf der Trickserei auszusetzen“.

Gleichwohl scheint die Mehrheit nicht in Gefahr zu sein. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte: „Ich nehme in der Fraktion eine sehr breite Unterstützung für die gefundene Einigung wahr und bin deshalb mit Blick auf die Abstimmung am Dienstag sehr zuversichtlich.“ Ähnlich äußerten sich SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei. Nach den Fraktionssitzungen am Montag war bei der Union von einer Handvoll Nein-Stimmen die Rede, bei der SPD und den Grünen jeweils von einer.

Ist der Bundesrat auch im Boot?

In der Länderkammer, die bei einem positiven Votum des Bundestages am Freitag abstimmt, liegt das Quorum bei 46 von 69 Stimmen. Die Landesregierungen, an denen Union, SPD und Grüne beteiligt sind, erreichen zusammen 41. Mit den Stimmen aus Bayern und der Koalition von CSU und Freien Wählern würde die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht. CSU und Freie Wähler hatten sich am Montagabend in einer Sitzung des Koalitionsausschusses auf eine Zustimmung zum Schuldenpaket verständigt. Die Freien Wähler zeigten sich zuvor allerdings skeptisch, zumindest deren Vorsitzender, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) signalisierte Unterstützung. Die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hatte Nachbesserungen gefordert und gesagt, die Bundesländer sollten noch stärker von dem geplanten Schuldenpaket profitieren. Ferner müsse noch mehr Geld für die Häfen rausspringen. Bremen hat bei der Abstimmung im Bundesrat drei Stimmen. Der Bremer Senat aus SPD, Grünen und Linken muss sich am Ende einig sein, ansonsten müsste sich das Land im Bundesrat enthalten. Das ist auch in anderen Ländern üblich.

Freilich haben alle Länder eines gemeinsam: Am Ende wollen sie das Geld. Das gibt meistens den Ausschlag.

Berührt die Abstimmung die Koalitionsverhandlungen?

Direkt nicht, indirekt schon. Immerhin wurden im Sondierungspapier Projekte vereinbart, die in Teilen auf jenem finanziellen Spielraum fußen, der durch das Schuldenpaket entsteht. SPD-Generalsekretär Miersch bezeichnete den bisherigen Verlauf der Koalitionsverhandlungen ansonsten als konzentriert und konstruktiv. Es sei zu erwarten, dass die Arbeitsgruppen ihre Arbeit wie geplant bis Montag abschließen könnten, sagte er. Eine Redaktionsgruppe werde die Runde der Hauptverhandlungsgruppe vorbereiten.

Sagen die Mitglieder der SPD und die Spitzengremien von CDU und CSU Ja, könnte Merz am 23. April zum Kanzler gewählt werden. Er hätte vermutlich einen Batzen Geld zur Verfügung. Damit ließe sich arbeiten.