Düsseldorf – Nach dem tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund hat NRW-Innenminister Herbert Reul Konsequenzen für die künftige Polizeiarbeit angekündigt. Der CDU-Politiker sagte im Innenausschuss des Landtags, die Dienstgruppenleiter sollten besser auf den Umgang mit Suizidandrohungen vorbereitet werden.
„Die Betroffenen befinden sich in psychischen Ausnahmezuständen“, sagte der CDU-Politiker. Gerade in solchen Einsätzen spiele „die Körpersprache, die Stimme, die Mimik“ eine besondere Rolle. „Vielleicht hilft es manchmal schon, wenn man sich neben einen Suizidenten setzt und einfach nur zuhört“, sagte Reul.
Verfahren wegen Totschlag wird geprüft
Vor vier Wochen war ein 16-jähriger Asylbewerber aus dem Senegal im Hof einer Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung von der Polizei erschossen worden. Nach bisherigen Erkenntnissen soll er mit einem langen Messer in der Hand auf die Beamten zugelaufen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit, ob der Schusswaffengebrauch verhältnismäßig war. Gegen den Beamten, der die tödlichen Schüsse mit einer Maschinenpistole abgegeben hatte, wird ein Verfahren wegen Totschlag geprüft.
Reul sagte: „Aus dem, was bislang als Ermittlungserkenntnisse durch die Staatsanwaltschaft kommuniziert wurde, drängt sich bei mir schon auch der Eindruck auf, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten.“
Der Innenminister wies zudem darauf hin, dass Einsätze wegen Suizidandrohung zum polizeilichen Alltag gehören würden. „Wir haben landesweit 15 550 Fälle dieser Art, das macht 42 pro Tag“, sagte der NRW-Innenminister. Deshalb sei es unmöglich, zu jedem Einsatz Spezialeinheiten herbeizurufen. Diese seien nur an sechs Orten in NRW stationiert. Oft komme es darauf an, sofort zu handeln.
Müssen Bodycams künftig immer eingeschaltet sein?
Auch der Einsatz der Bodycams soll künftig überdacht werden. Die Polizisten in Dortmund hatten sie bei dem umstrittenen Einsatz nicht eingeschaltet. Es werde jetzt geprüft, ob die Körperkameras regelmäßig eingeschaltet werden können, sofern dies rechtlich möglich sei, sagte Reul. Die Aufnahmen könnten wichtig sein, um Einsatzverläufe zu dokumentieren, so der Politiker aus Leichlingen: „Der Video-Vorstoß ist auch ein klares Signal an alle: Polizistinnen und Polizisten haben im Einsatzalltag nichts zu verbergen.“
Reul will auch die Kommunikation der Polizei mit Personen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, verbessern. Grundsätzlich sei es immer möglich, Dolmetscher hinzuziehen, betonte der Minister. Möglicherweise könnten aber auch die in der Polizei vorhandenen Fähigkeiten besser genutzt werden. „Wenn Sie – wie in Köln – über 5000 Menschen in einem Polizeipräsidium haben, dann werden da doch ganz viele sprachliche Kompetenzen schlummern“, so Reul.
SPD bezweifelt Notwehrsituation
Ibrahim Yetim, Innenexperte der SPD, wollte wissen, ob es „normal“ sei, dass bei der Suizidandrohung eines Jugendlichen zwölf Beamte zum Einsatzort geschickt würden. Ihm sei immer noch unklar, ob es sich um eine Notwehrsituation gehandelt habe oder nicht - und ob der Einsatz von Pfefferspray und Tasern nicht erst zu der fatalen Eskalation beigetragen habe. „Wie kamen die Polizisten überhaupt auf die Idee, nach dem Eintreffen am Einsatzort eine Maschinenpistole aus dem Kofferraum zu holen“, fragte der Politiker aus Moers.
Reul antwortete, die Fragen seien berechtigt: „Die stelle ich mir auch. Ich würde mich gerne mit den beteiligten Polizisten unterhalten um zu erfahren, wie das war“, so der CDU-Politiker. Wegen der laufenden Ermittlungen sei das jedoch derzeit nicht möglich. Die Dienstvorschriften zum Gebrauch der Maschinenpistole bei der NRW-Polizei würden auf den Prüfstand gestellt, kündigte Reul an.
Ob die Maschinenpistole, aus der die Schüsse auf den Jugendlichen abgefeuert wurden, auf Dauer- oder Einzelfeuer gestellt war, ist bislang unklar. Der Notruf war gegen 16.25 Uhr eingegangen. Der Tod des 16-Jährigen war um 18.02 Uhr in einer Dortmunder Klinik festgestellt worden.