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Düstere Kreml-PrognoseAb diesem Zeitpunkt sollen Putin massive „Probleme“ drohen

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Putin bei einem Gespräch in St. Petersburg am vergangenen Wochenende. Interne russische Analysen sehen offenbar wirtschaftliche Probleme auf Russland zukommen.

Wladimir Putin bei einem Gespräch in St. Petersburg am vergangenen Wochenende. Interne russische Analysen sehen offenbar wirtschaftliche Probleme auf Russland zukommen.

Kiew berichtet über Prognosen in russischen Dokumenten. Für Wladimir Putin und den Kreml könnte es demnach bald ungemütlich werden.

Russland will seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis Mitte 2025 oder spätestens Anfang 2026 „mit einem Sieg“ beenden, da dem Land sonst „erhebliche wirtschaftliche Probleme“ drohen. Das erklärte Kyrylo Budanow, Leiter des ukrainischen militärischen Nachrichtendienstes (HUR), bei einer Veranstaltung in der Ukraine mit Bezug auf russische Dokumente.

„Das Jahr 2025 ist ein Schlüsseljahr für sie“, erklärte der Kiewer Geheimdienstchef laut Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Russland wolle seinen Krieg bis dahin erfolgreich beenden, „denn wenn Russland aus diesem Krieg nicht als Sieger hervorgeht, wird es nach eigenen Berechnungen den Status als Supermacht verlieren“, führte Budanow aus.

Bei Niederlage in der Ukraine: Kreml fürchtet Verlust von „Supermacht“-Status

Demnach würden die internen russischen Prognosen erhebliche wirtschaftliche Probleme ab dem Sommer 2025 vorhersagen, führte der Geheimdienstchef aus. „Alle Probleme werden im Sommer 2025 beginnen“, fasste Budanow die Vorhersagen auf russischer Seite zusammen.

Kyrylo Budanow ist der Chef des ukrainischen Militärnachrichtendienstes (HUR). Russland hat bereits mehrmals versucht, den Ukrainer zu töten. (Archivbild)

Kyrylo Budanow ist der Chef des ukrainischen Militärnachrichtendienstes (HUR). Russland hat bereits mehrmals versucht, den Ukrainer zu töten. (Archivbild)

Derzeit bekämpfe Russland die sich verschlechternde Wirtschaftslage mit massiven Mitteln, in Moskau sei man sich jedoch darüber bewusst, dass die Rezession zwar jetzt bereits „spürbar und schmerzhaft“ sei, aber noch fortschreiten werde. „Das ist noch lange nicht der Höhepunkt“, erklärte Budanow.

Probleme für Wladimir Putin: „Das ist noch lange nicht der Höhepunkt“

„Sie sagen voraus, dass sich die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft ihres Landes ab dem Sommer 2025 deutlich bemerkbar machen werden“. Derzeit versuche Russland daher „eine Reihe von Prozessen“ erheblich zu beschleunigen, um vor dem prognostizierten Zeitpunkt den Krieg zu einem Ende zu bringen. „Sie würden ihn leider gerne mit einem Sieg beenden“, erklärte Budanow.

Zu den im Sommer 2025 drohenden Problemen für den Kreml gehört laut Angaben des Geheimdienstchefs vor allem, dass die Rekrutierung frischer Kräfte für den Krieg gegen die Ukraine immer schwieriger werden würde. „Während dieses Zeitraums werden sie vor einem Dilemma stehen – entweder die Mobilisierung zu erklären oder die Intensität der Feindseligkeiten irgendwie zu reduzieren“, so Budanow.

Budanow: Kursk und Drohnenangriffe sorgen für „Kriegsmüdigkeit“

In Russland gebe es bereits jetzt „Kriegsmüdigkeit“, der Krieg lasse sich vor der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr verheimlichen. Noch könne der Kreml dem entgegenwirken, in dem er sehr hohe Gehälter für den Militärdienst ausrufe, die Zahl der Freiwilligen in der russischen Armee sei jedoch rückläufig, erklärte Budanow. Russland habe daher kürzlich noch einmal die Prämie für eine Unterschrift bei der Armee auf mehr als 43.000 Euro erhöht.

Dennoch hätte die ukrainische Strategie, den Krieg immer mehr nach Russland zu tragen und dabei mitunter auch weit von der Grenze entfernt anzugreifen, ihre Wirkung gezeigt, erklärte der Geheimdienstchef mit Blick auf Drohnenangriffe und die Offensive in Kursk. „Das hat ihre Weltanschauung verändert“, erklärte Budanow.

Drohnenangriffe und Kursk: „Das hat ihre Weltanschauung verändert“

„Vorher lebte die gesamte russische Bevölkerung in dem Paradigma, dass man, egal was passiert, das stärkste Land der Welt ist. Mit den ersten Explosionen in Moskau und auf dem Territorium der Russischen Föderation wurde dieser Mythos zerstört“, so der Geheimdienstchef, der zu den engsten Mitarbeitern von Präsident Wolodymyr Selenskyj zählt.

Interessant sind Budanows Ausführungen vor allem, weil sich der HUR-Chef damit auf Erkenntnisse aus russischen Dokumenten stützt, die offenbar von Kiewer Nachrichtendiensten erbeutet wurden. Demnach sei Russland bewusst, was bei dem Krieg gegen die Ukraine für das Land auf dem Spiel stehe, erklärte der Geheimdienstchef mit Blick auf die Unterlagen.

Russlands Zukunft in Gefahr: „Sie werden alles tun, um zu gewinnen“

Das Szenario, in dem nur noch die USA und China als große Weltmächte übrigbleiben würden, fürchte man demnach in Moskau besonders. „Sie sind sich dessen klar bewusst“, sagte Budanow. „Es ist eine Schlüsselperiode für sie. Deshalb werden sie alles tun, um zu gewinnen“, so der Geheimdienstchef. Andernfalls werde Russland aus „absolut allen globalen Prozessen ausscheiden“, so die düstere Prognose, die sich den russischen Dokumenten entnehmen lasse.

Budanows Angaben werden auch von den Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW) gestützt. „Putin hält sich die Option offen, eine weitere Mobilisierungsrunde anzuordnen, obwohl sein Wunsch ist, das zu vermeiden“, schrieben die Analysten in ihrem aktuellen Lagebericht.

Muss Wladimir Putin erneut eine Teilmobilisierung anordnen?

Man gehe jedoch nicht davon aus, dass der Kreml bereit sei, die „Intensität der Kampfhandlungen zu reduzieren“, schrieben die US-Analysten weiter. Daher sei es möglich, dass der Kremlchef – sollte es zu der prognostizierten wirtschaftlichen Krise kommen – auch eine erneute Teilmobilisierung anordnen könnte.

Budanow gehört unterdessen zu den Schlüsselfiguren auf Seiten der Ukraine in der Verteidigung gegen den russischen Angriff. Der HUR-Chef und sein Geheimdienst waren immer wieder an entscheidenden ukrainischen Angriffen maßgeblich beteiligt, auch die spektakuläre Fahnenflucht einiger russischer Soldaten hatte der HUR mitorganisiert.

Der Kreml hat derweil bereits mehrmals seit der Frühphase des Krieges versucht, Budanow zu töten. Einem Raketenangriff auf das Hauptquartier des Geheimdienstes soll der Geheimdienstchef nur knapp entgangen sein. Russische Quellen haben derweil bereits mehrfach fälschlicherweise den Tod des Geheimdienstchefs vermeldet.