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Nach russischen LuftangriffenSelenskyj kündigt Vergeltung an – mit westlichen F-16-Jets

Lesezeit 4 Minuten
Ein F-16-Kampfjet der ukrainischen Luftwaffe in der Luft.

Ein F-16-Kampfjet der ukrainischen Luftwaffe in der Luft.

Russland überzieht die Ukraine mit beispiellosen Luftangriffen – wohl aus Rache für die Kursk-Offensive. Selenskyj kündigt eine Reaktion an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Vergeltung für die großangelegten russischen Luftangriffe auf sein Land angekündigt. An der militärischen Antwort würden auch vom Westen gelieferte F-16-Kampfjets beteiligt sein, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.

Russland hatte das Nachbarland nach Angaben aus Kiew binnen kurzer Zeit mit 236 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen attackiert. Nach Angaben ukrainischer Beamter handelte es sich dabei um den größten Angriff auf die Ukraine seit dem Einmarsch russischer Truppen im Februar 2022. Die Angriffe galten vor allem der Energie-Infrastruktur des Landes. Die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti bezeichnete die Angriffe auf Infrastruktur-Ziele als „Reaktion auf Angriffe auf zivile Ziele“, ohne dies weiter auszuführen.

Schwerste russische Angriffe seit Wochen treffen Energieinfrastruktur in Ukraine

Die Luftangriffe töteten am Montag laut Behördenangaben mindestens sieben Menschen, 47 weitere wurden verletzt. Die russischen Nachrichtendienste berichteten über den großangelegten Luftangriff – und listeten dabei minutiös die angeblichen Verluste des Feindes in den verschiedenen Regionen auf. „Alle ausgewiesenen Ziele wurden zerstört“, teilte das russische Verteidigungsministerium laut der Staatsagentur Tass mit.

Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria berichtet, sei in Kriwoi Rog auch ein Standort mit ausländischen Truppenausbildern getroffen worden. „Militärärzte haben 15 englischsprachige Opfer herausgeholt“, zitiert die Agentur den Koordinator des prorussischen Nikolajew-Widerstands, Sergej Lebedew. Auch in der Nacht zum Dienstag gab es in der Ukraine erneut vielerorts Luftalarm. Bomber vom Typ Tu-95ms seien vom Luftwaffenstützpunkt Engels im Südwesten Russlands gestartet, erklärte die ukrainische Luftwaffe in der Nacht zum Dienstag im Onlinedienst Telegram. Auch Angriffsdrohnen seien in Richtung Ukraine unterwegs.

Wladimir Putin nimmt Geburtsstadt von Selenskyj unter Beschuss

In der Großstadt Krywyj Rih – die Geburtsstadt Selenskyjs – schlug nach Behördenangaben eine russische Rakete in einem Hotel ein. Es gebe mindestens zwei Todesopfer und mehrere Verschüttete, berichteten ukrainische Medien.

Während des massiven russischen Drohnen- und Raketenangriffs auf die Ukraine drängen sich Menschen auf dem Bahnsteig, als in der Metrostation Osokorky der Luftangriffsalarm ausgelöst wird.

Während des massiven russischen Drohnen- und Raketenangriffs auf die Ukraine drängen sich Menschen auf dem Bahnsteig, als in der Metrostation Osokorky der Luftangriffsalarm ausgelöst wird.

Details zur angekündigten Vergeltung für die Luftangriffe vom Montag nannte Selenskyj nicht. Allerdings verwies er auch auf die seit drei Wochen laufende ukrainische Offensive im russischen Gebiet Kursk. Die ukrainischen Truppen hätten dort ihre Kontrolle ausgeweitet und erneut russische Kriegsgefangene genommen, was die Möglichkeiten für den Austausch von Gefangenen verbessere.

Selenskyj: Zerstörte Energie-Infrastruktur wird repariert

Nach den russischen Angriffen berichteten die Behörden in der Ukraine von massiven Schäden an der Energie-Infrastruktur. Auch für Dienstag kündigten die Energieversorger stellenweise Stromabschaltungen an. „In einigen Orten hat der Terrorstaat zivile Ziele mit Streumunition angegriffen“, teilte Selenskyj nach einem Treffen mit der Militärführung über Telegram mit. Bevor die Reparaturen am Energiesektor beginnen könnten, müssten die Streubomben entschärft werden.

Schon zuvor hatte der Präsident mit Blick auf die Schäden in einer Videobotschaft mehr Waffen von den Verbündeten gefordert und eine Freigabe reichweitenstarker westlicher Raketen für den Beschuss von Zielen auf russischem Gebiet im Hinterland. Bisher gelten Beschränkungen für deren Einsatz.

Russlands Vergeltung wegen Kiews Kursk-Offensive

In vielen Regionen der Ukraine gab es am Montag stundenlang Luftalarm. Die Bombardierungen, über die auch das russische Verteidigungsministerium ausführlich berichtete, gelten als Teil der Vergeltung für die ukrainische Offensive im Gebiet Kursk, die am 6. August begann. Die ukrainische Luftverteidigung wehrte nach eigenen Angaben 201 Angriffe ab.

Kremltreue Kräfte hatten zuletzt kritisiert, dass Moskau so lange warte mit einer Antwort. Experten gehen davon aus, dass die ukrainischen Kräfte die besetzten russischen Ortschaften über Monate hinweg kontrollieren können.

Selenskyj: Kursk-Offensive kompensiert fehlende Waffenfreigabe

Präsident Selenskyj begründete die Invasion im Gebiet Kursk, die vor rund drei Wochen begann, auch damit, dass die westlichen Verbündeten bisher reichweitenstarke Waffen nicht für den Einsatz auf russischem Gebiet freigegeben haben. Die Präsenz der ukrainischen Truppen und ihre Anstrengungen, die russische Bedrohung zu eliminieren, seien ein Weg, die fehlende Erlaubnis zu kompensieren, sagte er.

In dem umkämpften russischen Gebiet Kursk steht auch ein Atomkraftwerk, das Moskau durch die ukrainischen Angriffe in Gefahr sieht. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, will sich am Dienstag mit einem Team vor Ort ein Bild von der Lage machen. Angesichts der Kämpfe in der Nähe des Atommeilers sei die Situation als „ernst“ einzustufen, sagte der Generaldirektor.

Ukrainischer Oberkommandierender berät mit Nato-General

Abgesehen von den Geländegewinnen bei der Offensive im russischen Gebiet Kursk sind die ukrainischen Streitkräfte im Osten des eigenen Landes weiter massiv unter Druck. Angesichts des russischen Vormarschs in der Region Pokrowsk im Gebiet Donezk teilte Selenskyj mit, bei einem Treffen mit der Militärführung sei eine Verstärkung für die Region beschlossen worden. Die russischen Truppen hatten im Raum Donezk zuletzt immer wieder die Einnahme ganzer Ortschaften verkündet. (pst mit dpa/afp)