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Wut nach Blockade von Ukraine-Hilfe„Orbán ist nach Putin eines der größten Risiken für Europa“

Lesezeit 4 Minuten
Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, beim EU-Gipfel in Brüssel. Bei der Abstimmung über eine Aufnahme der Ukraine verließ er den Raum. Hilfsgelder für Kiew blockierte der Ungar.

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, beim EU-Gipfel in Brüssel. Bei der Abstimmung über eine Aufnahme der Ukraine verließ er den Raum. Hilfsgelder für Kiew blockierte der Ungar.

Nach der Blockade von Hilfsgeldern für die Ukraine wird scharfe Kritik an Viktor Orbán laut. Auch von einer Suspendierung Ungarns ist die Rede.

Der Ton wird rauer: Nachdem Ungarns Regierungschef Viktor Orbán die Freigabe von EU-Hilfsgeldern für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro blockiert hat, gibt es scharfe Kritik am „bekennenden Verbündeten Putins“, wie CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen den Ungarn am Freitag nannte. „Wir müssen uns klar werden, was Orbán will“, schrieb Röttgen im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter).

Wut auf Kurs von Viktor Orbán: „Er ist nicht mehr nur ein Erpresser“

„Er ist nicht mehr nur ein Erpresser, der zu Hause die Demokratie abschafft, sondern er will auch die EU torpedieren“, führte der CDU-Politiker aus. „Seine Blockadetaktik unterhöhlt langfristig die Legitimität der EU.“ Der Blockade durch Ungarn müssten die restlichen 26 EU-Staaten „entschlossen entgegentreten“.

Das scheint man auch in Brüssel so zu sehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine Lösung für die Blockade der Hilfszahlung für die Ukraine versprochen. Ihre Behörde werde die Zeit bis zum nächsten EU-Gipfeltreffen nutzen, um eine machbare Lösung zu finden – „was auch immer bei dem Gipfel passiert“. Ein Weg ohne Ungarn, das sich bislang als einziges Land quer stellt, sei nicht ausgeschlossen.

Hilfe für die Ukraine: EU-Kommission schließt Weg ohne Ungarn nicht aus

„Wir arbeiten natürlich sehr hart daran, ein Ergebnis zu erzielen, bei dem eine Einigung der 27 Mitgliedstaaten vorliegt“, sagte von der Leyen weiter. „Aber ich denke, dass es jetzt auch notwendig ist, an möglichen Alternativen zu arbeiten, um eine operationelle Lösung für den Fall zu haben, dass eine Einigung mit 27 einstimmig nicht möglich ist.“

Ungarns Regierungschef hatte seinen Widerstand gegen die Freigabe der Hilfsmittel in Höhe von 50 Milliarden Euro beim Gipfeltreffen der 27 Staats- und Regierungschefs nicht aufgegeben. In der Nacht zum Freitag wurden die Verhandlungen deshalb abgebrochen. Anfang des kommenden Jahres soll ein weiteres Gipfeltreffen angesetzt werden.

„Orbán ist nach Putin eines der größten Sicherheitsrisiken für Europa“

Kritik an dem Kurs des Ungarn wurde auch in der SPD laut. „Orbán ist nach Putin eines der größten Sicherheitsrisiken für Europa“, schrieb Michael Roth bei X. Auch in der Grünen-Fraktion im EU-Parlament fand man scharfe Worte für Orbán. „Wir müssen auf die ständige Erpressung reagieren und beginnen, ihm zu drohen“, erklärte der Co-Vorsitzende Philippe Lamberts im Gespräch mit dem TV-Sender Phoenix.

„Wenn Ungarn heute Kandidat wäre, würde es der EU nicht beitreten, weder in puncto Rechtsstaatlichkeit noch Gewaltenteilung“, führte Lamberts aus und brachte sogar eine Suspendierung Ungarns in der EU ins Spiel.

EU-Grüne bringen Suspendierung Ungarns ins Spiel

Der Grüne verwies deshalb auf Artikel 7 des EU-Vertrags zum Schutz der EU-Grundwerte, nach dem die Suspendierung eines EU-Mitglieds möglich ist, wenn diese schwerwiegend verletzt werden. „Wir sollten Artikel 7 und das Verfahren überarbeiten, um sicherzustellen, dass man ihm einheizt, anstatt dass er den anderen 26 einheizt“, so Lamberts.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erteilte unterdessen Orbáns Wunsch nach einem Deal postwendend eine Absage. „Es darf keine Verknüpfung von Fragen geben, die nicht miteinander zusammenhängen“, sagte er am Freitag nach den zweitägigen Beratungen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

Olaf Scholz schließt Deal mit Viktor Orbán aus

Der ungarische Ministerpräsident hatte zuvor eine Verknüpfung ins Spiel gebracht. „Die Tatsache, dass sie das Siebenjahreshaushaltsgesetz der Union ändern wollen, ist eine ausgezeichnete Chance für Ungarn, den Rest der zurückgehaltenen Mittel zu erhalten“, sagte er in einem Interview mit Ungarns staatlichem Fernsehen und Rundfunk. „Wir müssen nicht die Hälfte, nicht ein Viertel, sondern alles bekommen“, so Orbán. „Dieses Geld steht uns zu.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen ungarischen Kollegen Viktor Orbán am 10. Dezember in Argentinien getroffen. Zu mehr Unterstützung konnte der Ukrainer den Ungarn offenbar nicht bewegen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l.) hat seinen ungarischen Kollegen Viktor Orbán (r.) am 10. Dezember in Argentinien getroffen. Zu mehr Unterstützung konnte der Ukrainer den Ungarn offenbar nicht bewegen.

Das Verhalten des Ungarn war bereits zuvor als „Erpressung“ bewertet worden. So hatte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bereits am Mittwoch die EU-Freigabe von mehr als zehn Milliarden Euro für Ungarn kritisiert. „Statt die real nicht erfolgten Reformen Ungarns noch zu belohnen, muss man prüfen, wie man die Ukraine-Hilfe ohne Ungarn leisten kann“, schrieb Strack-Zimmermann bei X.

Viktor Orbán: Spielt der „ärgerliche Störer“ nur „auf Zeit“?

„Orbán spielt auf Zeit“, ordnete unterdessen der Historiker Matthäus Wehowski ein. Das zeige die Blockade der konkreten Hilfe für die Ukraine, während der Ungar die Beitrittsverhandlungen zulasse. „Er erwartet, dass Russland die ukrainische Staatlichkeit zerstört, bevor ein Beitritt zur EU realisiert sein wird“, schrieb Wehowski bei X.

Der Kölner Politologe Thomas Jäger relativierte unterdessen die Kritik von SPD-Politiker Roth an Orbán. Während der russische Präsident Wladimir Putin eine „enorme Bedrohung ist“, sei der Ungar ein „ärgerlicher Störer“. Größere Gefahr für die europäische Sicherheit gehe von Regierungen aus, „die nicht genug tun, dass Russland den Krieg verliert und von weiteren Angriffen abgeschreckt werden kann“, so Jäger.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommentierte Ungarns Blockade der Hilfsgelder unterdessen bisher nicht, sondern betonte, wie wichtig die Beitrittsgespräche mit der EU für sein Land seien. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kiew hatte Ungarn im Gegensatz zu den Hilfsgeldern nicht blockiert.

„Geschichte wird von denen geschrieben, die nicht müde werden, für die Freiheit zu kämpfen“, schrieb Selenskyj. Viktor Orbán dürfte damit nicht gemeint gewesen sein.